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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.
Sprockhövel, Bertram in der Milspe auf der Ennepe niedergelassen.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts, besonders aber seitdem Minister von
Heinitz
die Staatsgeschäfte leitete, hatte die Stahlfabrikation, d. h. das
Stahlraffinieren, sehr zugenommen und die Konkurrenz im Bergischen
überflügelt. Das Ministerium hatte eine Prämie von 200 Thlr. auf
den Bau jedes neuen Reckhammers ausgesetzt.

Den Rohstahl bezogen die Stahlhämmer teils von den Stahlfeuern
im Lande, teils aus dem Herzogtum Westfalen und aus Siegen. Letz-
terer war wegen des "Müsener Grundes" unentbehrlich, und der Loher
Edelkühr bildete die Blume des märkischen Stahles.

Zum Beistählen, d. h. als äussere Schienen für die Pakete, ver-
wendete man nassauer einmalgeschmolzenes Eisen; Dillenburger und
Kölnisches (aus dem kölnischen Sauerland) mit inländischem Eisen
zum Feinrecken und Osemund zum Breiten. Dillenburger Eisen
schweisste gut mit Stahl zusammen.

Sämtliche Reckhämmer wurden mit Steinkohlen betrieben. Durch
die Reckschmieden fand zuerst eine ausgedehnte industrielle Ver-
wendung der Steinkohlen des Ruhrgebietes statt, und begann sich die
Eisenindustrie in diesem zu konzentrieren. Man verwendete möglichst
schwefelfreie und fette Kohlen, weil die Zange in einem Gewölbe von
zusammengebackene Koks schweissen musste.

Der rohe Stahl und das Eisen wurden zu Schienen von 2 Zoll
Breite und 1/8 bis 1/4 Zoll Stärke ausgereckt, und dann die Eisen-
schienen in Stücke von 2 Fuss Länge abgehauen, die Stahlschienen
auf dieselbe Länge gebrochen. Diese Stücke wurden nach be-
stimmten Regeln übereinander geschichtet und dann in eine grosse
Zange gepackt, deshalb nannte man ein solches Bund oder Paket
"eine Zange". 1798 schmiedeten 178 Arbeiter 44289 Ctr. Stahl- und
Reckeisen im Werte von 511136 Thlr., welches zum Teil in Altena
zu Stahldraht gezogen, teils auf Hämmern zu Sensen, Klingen, Messern,
Sägen, Feilen u. s. w. verarbeitet wurde. Das Übrige ging nach
Frankreich, Spanien, Dänemark, Amerika u. s. w. Um 1800 wurden
verarbeitet: 2533 Tonnen Reckstahl, 1617 Tonnen Eisen, 490 Tonnen
Osemund, 100 Tonnen Luppeneisen mit 9909 Tonnen Steinkohlen 1).
Nach der Qualität unterschied man märkisches Osemundeisen als gutes,
kölnisches als mittleres und nassauer Eisen als schlechtes Reckeisen.
Der Pacht eines Reckhammers, z. B. auf der Ennepe, betrug 160 bis
180 Thlr. das Jahr.


1) Über Materialaufwand, Kosten u. s. w. siehe Eversmann, a. a. O., S. 336 u. s. w.

Westfalen und die Rheinlande.
Sprockhövel, Bertram in der Milspe auf der Ennepe niedergelassen.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts, besonders aber seitdem Minister von
Heinitz
die Staatsgeschäfte leitete, hatte die Stahlfabrikation, d. h. das
Stahlraffinieren, sehr zugenommen und die Konkurrenz im Bergischen
überflügelt. Das Ministerium hatte eine Prämie von 200 Thlr. auf
den Bau jedes neuen Reckhammers ausgesetzt.

Den Rohstahl bezogen die Stahlhämmer teils von den Stahlfeuern
im Lande, teils aus dem Herzogtum Westfalen und aus Siegen. Letz-
terer war wegen des „Müsener Grundes“ unentbehrlich, und der Loher
Edelkühr bildete die Blume des märkischen Stahles.

Zum Beistählen, d. h. als äuſsere Schienen für die Pakete, ver-
wendete man nassauer einmalgeschmolzenes Eisen; Dillenburger und
Kölnisches (aus dem kölnischen Sauerland) mit inländischem Eisen
zum Feinrecken und Osemund zum Breiten. Dillenburger Eisen
schweiſste gut mit Stahl zusammen.

Sämtliche Reckhämmer wurden mit Steinkohlen betrieben. Durch
die Reckschmieden fand zuerst eine ausgedehnte industrielle Ver-
wendung der Steinkohlen des Ruhrgebietes statt, und begann sich die
Eisenindustrie in diesem zu konzentrieren. Man verwendete möglichst
schwefelfreie und fette Kohlen, weil die Zange in einem Gewölbe von
zusammengebackene Koks schweiſsen muſste.

Der rohe Stahl und das Eisen wurden zu Schienen von 2 Zoll
Breite und 1/8 bis ¼ Zoll Stärke ausgereckt, und dann die Eisen-
schienen in Stücke von 2 Fuſs Länge abgehauen, die Stahlschienen
auf dieselbe Länge gebrochen. Diese Stücke wurden nach be-
stimmten Regeln übereinander geschichtet und dann in eine groſse
Zange gepackt, deshalb nannte man ein solches Bund oder Paket
„eine Zange“. 1798 schmiedeten 178 Arbeiter 44289 Ctr. Stahl- und
Reckeisen im Werte von 511136 Thlr., welches zum Teil in Altena
zu Stahldraht gezogen, teils auf Hämmern zu Sensen, Klingen, Messern,
Sägen, Feilen u. s. w. verarbeitet wurde. Das Übrige ging nach
Frankreich, Spanien, Dänemark, Amerika u. s. w. Um 1800 wurden
verarbeitet: 2533 Tonnen Reckstahl, 1617 Tonnen Eisen, 490 Tonnen
Osemund, 100 Tonnen Luppeneisen mit 9909 Tonnen Steinkohlen 1).
Nach der Qualität unterschied man märkisches Osemundeisen als gutes,
kölnisches als mittleres und nassauer Eisen als schlechtes Reckeisen.
Der Pacht eines Reckhammers, z. B. auf der Ennepe, betrug 160 bis
180 Thlr. das Jahr.


1) Über Materialaufwand, Kosten u. s. w. siehe Eversmann, a. a. O., S. 336 u. s. w.
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[948/0962] Westfalen und die Rheinlande. Sprockhövel, Bertram in der Milspe auf der Ennepe niedergelassen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts, besonders aber seitdem Minister von Heinitz die Staatsgeschäfte leitete, hatte die Stahlfabrikation, d. h. das Stahlraffinieren, sehr zugenommen und die Konkurrenz im Bergischen überflügelt. Das Ministerium hatte eine Prämie von 200 Thlr. auf den Bau jedes neuen Reckhammers ausgesetzt. Den Rohstahl bezogen die Stahlhämmer teils von den Stahlfeuern im Lande, teils aus dem Herzogtum Westfalen und aus Siegen. Letz- terer war wegen des „Müsener Grundes“ unentbehrlich, und der Loher Edelkühr bildete die Blume des märkischen Stahles. Zum Beistählen, d. h. als äuſsere Schienen für die Pakete, ver- wendete man nassauer einmalgeschmolzenes Eisen; Dillenburger und Kölnisches (aus dem kölnischen Sauerland) mit inländischem Eisen zum Feinrecken und Osemund zum Breiten. Dillenburger Eisen schweiſste gut mit Stahl zusammen. Sämtliche Reckhämmer wurden mit Steinkohlen betrieben. Durch die Reckschmieden fand zuerst eine ausgedehnte industrielle Ver- wendung der Steinkohlen des Ruhrgebietes statt, und begann sich die Eisenindustrie in diesem zu konzentrieren. Man verwendete möglichst schwefelfreie und fette Kohlen, weil die Zange in einem Gewölbe von zusammengebackene Koks schweiſsen muſste. Der rohe Stahl und das Eisen wurden zu Schienen von 2 Zoll Breite und 1/8 bis ¼ Zoll Stärke ausgereckt, und dann die Eisen- schienen in Stücke von 2 Fuſs Länge abgehauen, die Stahlschienen auf dieselbe Länge gebrochen. Diese Stücke wurden nach be- stimmten Regeln übereinander geschichtet und dann in eine groſse Zange gepackt, deshalb nannte man ein solches Bund oder Paket „eine Zange“. 1798 schmiedeten 178 Arbeiter 44289 Ctr. Stahl- und Reckeisen im Werte von 511136 Thlr., welches zum Teil in Altena zu Stahldraht gezogen, teils auf Hämmern zu Sensen, Klingen, Messern, Sägen, Feilen u. s. w. verarbeitet wurde. Das Übrige ging nach Frankreich, Spanien, Dänemark, Amerika u. s. w. Um 1800 wurden verarbeitet: 2533 Tonnen Reckstahl, 1617 Tonnen Eisen, 490 Tonnen Osemund, 100 Tonnen Luppeneisen mit 9909 Tonnen Steinkohlen 1). Nach der Qualität unterschied man märkisches Osemundeisen als gutes, kölnisches als mittleres und nassauer Eisen als schlechtes Reckeisen. Der Pacht eines Reckhammers, z. B. auf der Ennepe, betrug 160 bis 180 Thlr. das Jahr. 1) Über Materialaufwand, Kosten u. s. w. siehe Eversmann, a. a. O., S. 336 u. s. w.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 948. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/962>, abgerufen am 22.11.2024.