härter, wenn auch nur in geringem Grade. Stahl erhitzt sich leichter als Eisen; und derselbe Hitzegrad dehnt den Stahl mehr aus als das Eisen; und das durch die Hitze ausgedehnte Eisen kehrt im Gegensatz zum Stahl nahezu vollständig wieder in sein ursprüngliches Volum zurück.
Die Härtung des Stahls beruht stets auf der raschen Abkühlung desselben. Dies kann aber unter sehr verschiedenen Umständen ge- schehen. Der Stahl kann mehr oder weniger heiss sein, aber auch die Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, kann wärmer oder kälter sein. Die Wirkung hängt hauptsächlich von der Temperaturdifferenz ab. Heisser Stahl in heissem Wasser gelöscht, verhält sich wie ein weniger heisser Stahl in kaltem Wasser gelöscht.
Die Hitzegrade beginnen für das Auge mit dunkelrot, gehen durch rotbraun, rot, kirschrot, gelb bis zu weiss. Die erste allgemeine Regel ist, das Korn des Stahles wird um so grösser, je heisser er ab- gelöscht wird; die zweite, der Stahl wird um so härter, je heisser er abgelöscht wird, natürlich beides nur bis zur Grenze der Überhitzung. Eine dritte Regel ist, je feinkörniger der Stahl ist, je härter wird er bei gleicher Temperatur. Man härtet also feinere Stahlsorten bei niedrigerer Temperatur, als groben, wenn man ihn nicht härter haben will. Im allgemeinen muss man groben Stahl bei höherer Hitze, über Kirschrotglut, härten. Man soll aber nie den Stahl heisser machen, als für den Zweck erforderlich ist, denn man beeinträchtigt dadurch seine Güte; daraus folgt die praktische Regel, dass der Stahl- schmied den Löschtrog gleich bei dem Feuer zur Hand haben muss.
Das Wasser ist aber nicht das einzige Löschmittel bei der Stahl- härtung, man kann jeden Stoff dazu verwenden, der den Stahl ab- kühlt. Man härtet feine Spitzen, indem man sie in ein Stück festes Blei einsticht. Andere Metalle, wie Zinn, Wismut und Antimon, können demselben Zwecke dienen. Als ein besonders wirksames Härte- mittel fand Reaumur das Quecksilber. Trotz seines viel grösseren spezifischen Gewichtes erhitzte sich ein gleiches Volum Quecksilber beim Löschen eines gleichen Stückes Stahl viel mehr als Wasser. (Infolge der verschiedenen spezifischen Wärme.)
Der in Quecksilber gehärtete Stahl zeigt grösseres Korn als der in Wasser gelöschte. Nicht alle Wasser verhalten sich gleich. Manche geniessen besonderen Ruf dafür, den Stahl besser zu härten, wie dies schon im Altertume der Fall war. Es sind dies wohl sehr reine Wasser, denn aufgelöste Salze beeinträchtigen die Härtung. Dies ist auch gewiss der Grund, warum man dem Tau von jeher eine be- sondere Kraft der Stahlhärtung zugeschrieben hat. Ferner ist der
Beck, Geschichte des Eisens. 6
Physik.
härter, wenn auch nur in geringem Grade. Stahl erhitzt sich leichter als Eisen; und derselbe Hitzegrad dehnt den Stahl mehr aus als das Eisen; und das durch die Hitze ausgedehnte Eisen kehrt im Gegensatz zum Stahl nahezu vollständig wieder in sein ursprüngliches Volum zurück.
Die Härtung des Stahls beruht stets auf der raschen Abkühlung desselben. Dies kann aber unter sehr verschiedenen Umständen ge- schehen. Der Stahl kann mehr oder weniger heiſs sein, aber auch die Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, kann wärmer oder kälter sein. Die Wirkung hängt hauptsächlich von der Temperaturdifferenz ab. Heiſser Stahl in heiſsem Wasser gelöscht, verhält sich wie ein weniger heiſser Stahl in kaltem Wasser gelöscht.
Die Hitzegrade beginnen für das Auge mit dunkelrot, gehen durch rotbraun, rot, kirschrot, gelb bis zu weiſs. Die erste allgemeine Regel ist, das Korn des Stahles wird um so gröſser, je heiſser er ab- gelöscht wird; die zweite, der Stahl wird um so härter, je heiſser er abgelöscht wird, natürlich beides nur bis zur Grenze der Überhitzung. Eine dritte Regel ist, je feinkörniger der Stahl ist, je härter wird er bei gleicher Temperatur. Man härtet also feinere Stahlsorten bei niedrigerer Temperatur, als groben, wenn man ihn nicht härter haben will. Im allgemeinen muſs man groben Stahl bei höherer Hitze, über Kirschrotglut, härten. Man soll aber nie den Stahl heiſser machen, als für den Zweck erforderlich ist, denn man beeinträchtigt dadurch seine Güte; daraus folgt die praktische Regel, daſs der Stahl- schmied den Löschtrog gleich bei dem Feuer zur Hand haben muſs.
Das Wasser ist aber nicht das einzige Löschmittel bei der Stahl- härtung, man kann jeden Stoff dazu verwenden, der den Stahl ab- kühlt. Man härtet feine Spitzen, indem man sie in ein Stück festes Blei einsticht. Andere Metalle, wie Zinn, Wismut und Antimon, können demselben Zwecke dienen. Als ein besonders wirksames Härte- mittel fand Reaumur das Quecksilber. Trotz seines viel gröſseren spezifischen Gewichtes erhitzte sich ein gleiches Volum Quecksilber beim Löschen eines gleichen Stückes Stahl viel mehr als Wasser. (Infolge der verschiedenen spezifischen Wärme.)
Der in Quecksilber gehärtete Stahl zeigt gröſseres Korn als der in Wasser gelöschte. Nicht alle Wasser verhalten sich gleich. Manche genieſsen besonderen Ruf dafür, den Stahl besser zu härten, wie dies schon im Altertume der Fall war. Es sind dies wohl sehr reine Wasser, denn aufgelöste Salze beeinträchtigen die Härtung. Dies ist auch gewiſs der Grund, warum man dem Tau von jeher eine be- sondere Kraft der Stahlhärtung zugeschrieben hat. Ferner ist der
Beck, Geschichte des Eisens. 6
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Physik.
härter, wenn auch nur in geringem Grade. Stahl erhitzt sich leichter
als Eisen; und derselbe Hitzegrad dehnt den Stahl mehr aus als das
Eisen; und das durch die Hitze ausgedehnte Eisen kehrt im Gegensatz
zum Stahl nahezu vollständig wieder in sein ursprüngliches Volum zurück.
Die Härtung des Stahls beruht stets auf der raschen Abkühlung
desselben. Dies kann aber unter sehr verschiedenen Umständen ge-
schehen. Der Stahl kann mehr oder weniger heiſs sein, aber auch
die Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, kann wärmer oder kälter
sein. Die Wirkung hängt hauptsächlich von der Temperaturdifferenz
ab. Heiſser Stahl in heiſsem Wasser gelöscht, verhält sich wie ein
weniger heiſser Stahl in kaltem Wasser gelöscht.
Die Hitzegrade beginnen für das Auge mit dunkelrot, gehen
durch rotbraun, rot, kirschrot, gelb bis zu weiſs. Die erste allgemeine
Regel ist, das Korn des Stahles wird um so gröſser, je heiſser er ab-
gelöscht wird; die zweite, der Stahl wird um so härter, je heiſser er
abgelöscht wird, natürlich beides nur bis zur Grenze der Überhitzung.
Eine dritte Regel ist, je feinkörniger der Stahl ist, je härter wird er
bei gleicher Temperatur. Man härtet also feinere Stahlsorten bei
niedrigerer Temperatur, als groben, wenn man ihn nicht härter haben
will. Im allgemeinen muſs man groben Stahl bei höherer Hitze,
über Kirschrotglut, härten. Man soll aber nie den Stahl heiſser
machen, als für den Zweck erforderlich ist, denn man beeinträchtigt
dadurch seine Güte; daraus folgt die praktische Regel, daſs der Stahl-
schmied den Löschtrog gleich bei dem Feuer zur Hand haben muſs.
Das Wasser ist aber nicht das einzige Löschmittel bei der Stahl-
härtung, man kann jeden Stoff dazu verwenden, der den Stahl ab-
kühlt. Man härtet feine Spitzen, indem man sie in ein Stück festes
Blei einsticht. Andere Metalle, wie Zinn, Wismut und Antimon,
können demselben Zwecke dienen. Als ein besonders wirksames Härte-
mittel fand Reaumur das Quecksilber. Trotz seines viel gröſseren
spezifischen Gewichtes erhitzte sich ein gleiches Volum Quecksilber
beim Löschen eines gleichen Stückes Stahl viel mehr als Wasser.
(Infolge der verschiedenen spezifischen Wärme.)
Der in Quecksilber gehärtete Stahl zeigt gröſseres Korn als der
in Wasser gelöschte. Nicht alle Wasser verhalten sich gleich. Manche
genieſsen besonderen Ruf dafür, den Stahl besser zu härten, wie dies
schon im Altertume der Fall war. Es sind dies wohl sehr reine
Wasser, denn aufgelöste Salze beeinträchtigen die Härtung. Dies ist
auch gewiſs der Grund, warum man dem Tau von jeher eine be-
sondere Kraft der Stahlhärtung zugeschrieben hat. Ferner ist der
Beck, Geschichte des Eisens. 6
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/95>, abgerufen am 28.11.2024.
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