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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Nassau und das Siegerland.
im Siegerland eingebürgert. Man schmiedete in den Frischhämmern
schweres Reckeisen, welches in den Reckhämmern der Mark und
im Bergischen weiter verarbeitet wurde. 1735 betrug der Verkauf
von geschmiedetem Eisen 1526 Wag 4 Pfund, darunter waren 966 Wag
80 Pfund Reckeisen. Ende der 80er Jahre lieferte ein siegener Hammer-
schmied bei einem Feuer drei Karren (ca. 3000 Pfund) Reckeisen.

Der Raidtmeister verlangte, dass der Hammerschmied aus einem
Wagen Roheisen mit einem Wagen Kohlen 16 Wag Reckeisen ab-
liefere. Das Übergewicht erhielt der Schmied, der meist 18 Wag
ausbrachte, für den Schmiedlohn. -- Bei der Kleineisenschmiederei,
die Pflugscharen, Rad- und Achsenschienen, Nagel- und Huf-
eisenstäbe u. s. w. lieferte, galten dieselben Sätze, nur bekam der
Schmied für 16 Wag Kleineisen noch 10 Rthlr. Schmiedlohn ver-
gütet. -- Die siegenschen Hammerschmiede machten bei den Reck-
eisenschmieden sieben bis neun Luppen zu 300 bis 400 Pfund in
24 Stunden. Da die Luppenstücke 150 bis 170 Pfund wogen, so
musste der Schmied zum Fortbewegen derselben sich eines Krahns
-- Esel genannt -- bedienen.

Jedes Luppenstück wurde zu einer Reckstange ausgeschmiedet,
die 31/2 Zoll breit und ebenso dick war. Jedes Stück erhielt drei
Hitzen, mit der letzten "Heisse" schmiedete der Schmied die Stange
"an die Wand". Diese grobe Arbeit war anstrengend und erforderte
Kraft. Die Eisenhämmer wogen 700 Pfund. Seit 1776 hatte man
auch im Siegerland gegossene eiserne Heberinge an der Hammerwelle,
wie sie Rinmann in den 50er Jahren in Schweden eingeführt hatte,
angewendet. Die Hebedaumen, "Frösche" genannt, wurden mit hölzernen
Keilen befestigt.

Die Ambossschmiederei wurde ebenfalls im Siegerland stark be-
trieben, namentlich wurden viel Reckhämmerambosse für ausser Land
geschmiedet. Die Hammerschmiede wollten deshalb das Ambossgiessen
als gesetzwidrig nicht gelten lassen und erwirkten 1766 ein Verbot
desselben. Auch die Hämmer waren alle geschmiedet, während man
in der Eifel solche goss.

Die schwere Arbeit des Reckeisenschmiedens war in Siegen haupt-
sächlich des geringen Kohlenverbrauchs wegen beliebt, denn Kohlen-
ersparung war das Hauptbestreben. Der Vorteil, dass man soviel
Reckeisen in so kurzer Zeit schmieden konnte, lag mit in dem Zusatz
von Kruschen (viereckige harte Gussplatten vom Hochofen) und
Wascheisen, welche mit den "Gossen" eingeschmolzen wurden. Über-
haupt liebte der Hammerschmied leichtschmelziges, etwas rohes Eisen.


Nassau und das Siegerland.
im Siegerland eingebürgert. Man schmiedete in den Frischhämmern
schweres Reckeisen, welches in den Reckhämmern der Mark und
im Bergischen weiter verarbeitet wurde. 1735 betrug der Verkauf
von geschmiedetem Eisen 1526 Wag 4 Pfund, darunter waren 966 Wag
80 Pfund Reckeisen. Ende der 80er Jahre lieferte ein siegener Hammer-
schmied bei einem Feuer drei Karren (ca. 3000 Pfund) Reckeisen.

Der Raidtmeister verlangte, daſs der Hammerschmied aus einem
Wagen Roheisen mit einem Wagen Kohlen 16 Wag Reckeisen ab-
liefere. Das Übergewicht erhielt der Schmied, der meist 18 Wag
ausbrachte, für den Schmiedlohn. — Bei der Kleineisenschmiederei,
die Pflugscharen, Rad- und Achsenschienen, Nagel- und Huf-
eisenstäbe u. s. w. lieferte, galten dieselben Sätze, nur bekam der
Schmied für 16 Wag Kleineisen noch 10 Rthlr. Schmiedlohn ver-
gütet. — Die siegenschen Hammerschmiede machten bei den Reck-
eisenschmieden sieben bis neun Luppen zu 300 bis 400 Pfund in
24 Stunden. Da die Luppenstücke 150 bis 170 Pfund wogen, so
muſste der Schmied zum Fortbewegen derselben sich eines Krahns
— Esel genannt — bedienen.

Jedes Luppenstück wurde zu einer Reckstange ausgeschmiedet,
die 3½ Zoll breit und ebenso dick war. Jedes Stück erhielt drei
Hitzen, mit der letzten „Heiſse“ schmiedete der Schmied die Stange
„an die Wand“. Diese grobe Arbeit war anstrengend und erforderte
Kraft. Die Eisenhämmer wogen 700 Pfund. Seit 1776 hatte man
auch im Siegerland gegossene eiserne Heberinge an der Hammerwelle,
wie sie Rinmann in den 50er Jahren in Schweden eingeführt hatte,
angewendet. Die Hebedaumen, „Frösche“ genannt, wurden mit hölzernen
Keilen befestigt.

Die Amboſsschmiederei wurde ebenfalls im Siegerland stark be-
trieben, namentlich wurden viel Reckhämmerambosse für auſser Land
geschmiedet. Die Hammerschmiede wollten deshalb das Amboſsgieſsen
als gesetzwidrig nicht gelten lassen und erwirkten 1766 ein Verbot
desselben. Auch die Hämmer waren alle geschmiedet, während man
in der Eifel solche goſs.

Die schwere Arbeit des Reckeisenschmiedens war in Siegen haupt-
sächlich des geringen Kohlenverbrauchs wegen beliebt, denn Kohlen-
ersparung war das Hauptbestreben. Der Vorteil, daſs man soviel
Reckeisen in so kurzer Zeit schmieden konnte, lag mit in dem Zusatz
von Kruschen (viereckige harte Guſsplatten vom Hochofen) und
Wascheisen, welche mit den „Goſsen“ eingeschmolzen wurden. Über-
haupt liebte der Hammerschmied leichtschmelziges, etwas rohes Eisen.


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[843/0857] Nassau und das Siegerland. im Siegerland eingebürgert. Man schmiedete in den Frischhämmern schweres Reckeisen, welches in den Reckhämmern der Mark und im Bergischen weiter verarbeitet wurde. 1735 betrug der Verkauf von geschmiedetem Eisen 1526 Wag 4 Pfund, darunter waren 966 Wag 80 Pfund Reckeisen. Ende der 80er Jahre lieferte ein siegener Hammer- schmied bei einem Feuer drei Karren (ca. 3000 Pfund) Reckeisen. Der Raidtmeister verlangte, daſs der Hammerschmied aus einem Wagen Roheisen mit einem Wagen Kohlen 16 Wag Reckeisen ab- liefere. Das Übergewicht erhielt der Schmied, der meist 18 Wag ausbrachte, für den Schmiedlohn. — Bei der Kleineisenschmiederei, die Pflugscharen, Rad- und Achsenschienen, Nagel- und Huf- eisenstäbe u. s. w. lieferte, galten dieselben Sätze, nur bekam der Schmied für 16 Wag Kleineisen noch 10 Rthlr. Schmiedlohn ver- gütet. — Die siegenschen Hammerschmiede machten bei den Reck- eisenschmieden sieben bis neun Luppen zu 300 bis 400 Pfund in 24 Stunden. Da die Luppenstücke 150 bis 170 Pfund wogen, so muſste der Schmied zum Fortbewegen derselben sich eines Krahns — Esel genannt — bedienen. Jedes Luppenstück wurde zu einer Reckstange ausgeschmiedet, die 3½ Zoll breit und ebenso dick war. Jedes Stück erhielt drei Hitzen, mit der letzten „Heiſse“ schmiedete der Schmied die Stange „an die Wand“. Diese grobe Arbeit war anstrengend und erforderte Kraft. Die Eisenhämmer wogen 700 Pfund. Seit 1776 hatte man auch im Siegerland gegossene eiserne Heberinge an der Hammerwelle, wie sie Rinmann in den 50er Jahren in Schweden eingeführt hatte, angewendet. Die Hebedaumen, „Frösche“ genannt, wurden mit hölzernen Keilen befestigt. Die Amboſsschmiederei wurde ebenfalls im Siegerland stark be- trieben, namentlich wurden viel Reckhämmerambosse für auſser Land geschmiedet. Die Hammerschmiede wollten deshalb das Amboſsgieſsen als gesetzwidrig nicht gelten lassen und erwirkten 1766 ein Verbot desselben. Auch die Hämmer waren alle geschmiedet, während man in der Eifel solche goſs. Die schwere Arbeit des Reckeisenschmiedens war in Siegen haupt- sächlich des geringen Kohlenverbrauchs wegen beliebt, denn Kohlen- ersparung war das Hauptbestreben. Der Vorteil, daſs man soviel Reckeisen in so kurzer Zeit schmieden konnte, lag mit in dem Zusatz von Kruschen (viereckige harte Guſsplatten vom Hochofen) und Wascheisen, welche mit den „Goſsen“ eingeschmolzen wurden. Über- haupt liebte der Hammerschmied leichtschmelziges, etwas rohes Eisen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/857>, abgerufen am 22.11.2024.