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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die gewerblichen Verhältnisse.
Obgleich diese Bestimmungen viel liberaler waren als die Zunft-
vorschriften in Deutschland, so wurden sie doch als lästiger Zwang
empfunden. Deshalb legte man sie später dahin aus, dass sie nur
Gültigkeit für diejenigen Städte und Flecken mit Korporationsrechten,
welche vor 1562 bestanden hätten, beanspruchen könnten. Im Laufe
des 16. Jahrhunderts waren viele Privilegien und Monopole an ein-
zelne verliehen worden, gegen den Willen des Volkes. Diese Ver-
leihungen waren einträglich für die Krone. Als nun Jakob I. eben-
falls viele derartige Vorrechte gegen Abgaben an ihn selbst erteilte,
erhob sich das Parlament gegen diesen Missbrauch und setzte das
wichtige Statut von 1623 durch, welches alle bisher erlassenen oder
künftig zu erlassenden Bewilligungen, Charters und Patentbriefe für
Alleinverkauf oder Vorkauf, Verfertigung von Gewerbserzeugnissen,
Arbeit oder Gebrauch irgend eines Gegenstandes mit Monopolrecht
(ausser einigen ausdrücklich genannten Erfindungspatenten) für null
und nichtig erklärte und jede neue Monopolverleihung von der
Bewilligung des Parlaments abhängig machte.

Seit jener Zeit entwickelte sich erst das geordnete englische
Patentwesen, welches für die Industrie von so grosser Bedeutung
wurde. Weniger durch Gesetz als durch die Praxis wuchs von da
ab immer mehr in England die Gewerbefreiheit. In dem Kampf
zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Klein- und Grossbetrieb,
zwischen den Vertretern einer über die bestehenden Gesetze hin-
ausgehenden Gewerbefreiheit und den Verteidigern des diese ein-
schränkenden bestehenden Rechts verhielt sich die Staatsgewalt
in der Regel passiv und beförderte mit dieser Politik des laisser faire
die Entwickelung der englischen Grossindustrie. Die gewerbliche
Bedeutung der Zünfte verschwand fast völlig. Nur die Messerschmiede
von Sheffield hielten an ihrer Zunftverfassung fest. Sie bildeten eine
Innung unter dem Namen the company of cutlers of Hallamshire.
Ihr Reglement von 1625 wurde noch 1791 erneuert und verbessert.
Es durfte keiner eine Fabrik haben, auch keine Waren fabrizieren
lassen, der nicht sieben Jahre in der Lehre gestanden und sein
Meisterstück zur Schau ausgestellt hatte. In Birmingham kannte man
diese Beschränkungen damals nicht mehr. Wesentlich trugen zu
der freisinnigen Entwickelung die Lehren von Adam Smith (1723
bis 1790), des Gründers des Industriesystems in der Volkswirtschaft,
bei. Dieser erklärte die Arbeit für die Quelle des Vermögens und
den Staat für verpflichtet, alle Hindernisse, welche der Entwick-
lung des Gewerbefleisses im Wege ständen, zu beseitigen.


Die gewerblichen Verhältnisse.
Obgleich diese Bestimmungen viel liberaler waren als die Zunft-
vorschriften in Deutschland, so wurden sie doch als lästiger Zwang
empfunden. Deshalb legte man sie später dahin aus, daſs sie nur
Gültigkeit für diejenigen Städte und Flecken mit Korporationsrechten,
welche vor 1562 bestanden hätten, beanspruchen könnten. Im Laufe
des 16. Jahrhunderts waren viele Privilegien und Monopole an ein-
zelne verliehen worden, gegen den Willen des Volkes. Diese Ver-
leihungen waren einträglich für die Krone. Als nun Jakob I. eben-
falls viele derartige Vorrechte gegen Abgaben an ihn selbst erteilte,
erhob sich das Parlament gegen diesen Miſsbrauch und setzte das
wichtige Statut von 1623 durch, welches alle bisher erlassenen oder
künftig zu erlassenden Bewilligungen, Charters und Patentbriefe für
Alleinverkauf oder Vorkauf, Verfertigung von Gewerbserzeugnissen,
Arbeit oder Gebrauch irgend eines Gegenstandes mit Monopolrecht
(auſser einigen ausdrücklich genannten Erfindungspatenten) für null
und nichtig erklärte und jede neue Monopolverleihung von der
Bewilligung des Parlaments abhängig machte.

Seit jener Zeit entwickelte sich erst das geordnete englische
Patentwesen, welches für die Industrie von so groſser Bedeutung
wurde. Weniger durch Gesetz als durch die Praxis wuchs von da
ab immer mehr in England die Gewerbefreiheit. In dem Kampf
zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Klein- und Groſsbetrieb,
zwischen den Vertretern einer über die bestehenden Gesetze hin-
ausgehenden Gewerbefreiheit und den Verteidigern des diese ein-
schränkenden bestehenden Rechts verhielt sich die Staatsgewalt
in der Regel passiv und beförderte mit dieser Politik des laisser faire
die Entwickelung der englischen Groſsindustrie. Die gewerbliche
Bedeutung der Zünfte verschwand fast völlig. Nur die Messerschmiede
von Sheffield hielten an ihrer Zunftverfassung fest. Sie bildeten eine
Innung unter dem Namen the company of cutlers of Hallamshire.
Ihr Reglement von 1625 wurde noch 1791 erneuert und verbessert.
Es durfte keiner eine Fabrik haben, auch keine Waren fabrizieren
lassen, der nicht sieben Jahre in der Lehre gestanden und sein
Meisterstück zur Schau ausgestellt hatte. In Birmingham kannte man
diese Beschränkungen damals nicht mehr. Wesentlich trugen zu
der freisinnigen Entwickelung die Lehren von Adam Smith (1723
bis 1790), des Gründers des Industriesystems in der Volkswirtschaft,
bei. Dieser erklärte die Arbeit für die Quelle des Vermögens und
den Staat für verpflichtet, alle Hindernisse, welche der Entwick-
lung des Gewerbefleiſses im Wege ständen, zu beseitigen.


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[782/0796] Die gewerblichen Verhältnisse. Obgleich diese Bestimmungen viel liberaler waren als die Zunft- vorschriften in Deutschland, so wurden sie doch als lästiger Zwang empfunden. Deshalb legte man sie später dahin aus, daſs sie nur Gültigkeit für diejenigen Städte und Flecken mit Korporationsrechten, welche vor 1562 bestanden hätten, beanspruchen könnten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts waren viele Privilegien und Monopole an ein- zelne verliehen worden, gegen den Willen des Volkes. Diese Ver- leihungen waren einträglich für die Krone. Als nun Jakob I. eben- falls viele derartige Vorrechte gegen Abgaben an ihn selbst erteilte, erhob sich das Parlament gegen diesen Miſsbrauch und setzte das wichtige Statut von 1623 durch, welches alle bisher erlassenen oder künftig zu erlassenden Bewilligungen, Charters und Patentbriefe für Alleinverkauf oder Vorkauf, Verfertigung von Gewerbserzeugnissen, Arbeit oder Gebrauch irgend eines Gegenstandes mit Monopolrecht (auſser einigen ausdrücklich genannten Erfindungspatenten) für null und nichtig erklärte und jede neue Monopolverleihung von der Bewilligung des Parlaments abhängig machte. Seit jener Zeit entwickelte sich erst das geordnete englische Patentwesen, welches für die Industrie von so groſser Bedeutung wurde. Weniger durch Gesetz als durch die Praxis wuchs von da ab immer mehr in England die Gewerbefreiheit. In dem Kampf zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Klein- und Groſsbetrieb, zwischen den Vertretern einer über die bestehenden Gesetze hin- ausgehenden Gewerbefreiheit und den Verteidigern des diese ein- schränkenden bestehenden Rechts verhielt sich die Staatsgewalt in der Regel passiv und beförderte mit dieser Politik des laisser faire die Entwickelung der englischen Groſsindustrie. Die gewerbliche Bedeutung der Zünfte verschwand fast völlig. Nur die Messerschmiede von Sheffield hielten an ihrer Zunftverfassung fest. Sie bildeten eine Innung unter dem Namen the company of cutlers of Hallamshire. Ihr Reglement von 1625 wurde noch 1791 erneuert und verbessert. Es durfte keiner eine Fabrik haben, auch keine Waren fabrizieren lassen, der nicht sieben Jahre in der Lehre gestanden und sein Meisterstück zur Schau ausgestellt hatte. In Birmingham kannte man diese Beschränkungen damals nicht mehr. Wesentlich trugen zu der freisinnigen Entwickelung die Lehren von Adam Smith (1723 bis 1790), des Gründers des Industriesystems in der Volkswirtschaft, bei. Dieser erklärte die Arbeit für die Quelle des Vermögens und den Staat für verpflichtet, alle Hindernisse, welche der Entwick- lung des Gewerbefleiſses im Wege ständen, zu beseitigen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/796>, abgerufen am 22.11.2024.