Ebenso übten Bechers Ansichten über die Verbrennung und die Entstehung der Metalle auf die Chemiker zu Anfang des 18. Jahr- hunderts, insbesondere auf Stahl, den eigentlichen Begründer der Phlogistontheorie, grossen Einfluss aus. Nach Becher war die Ursache der Verbrennlichkeit jedweder Substanz im Gehalte eines gewissen Prinzipes, das er als terra pinguis bezeichnete, begründet. Diese fette Erde sei nicht identisch mit dem gemeinen Schwefel, wie die früheren Chemiker mehr oder weniger angenommen hatten, sondern auch der Schwefel enthalte nur einen grösseren Anteil dieser terra pinguis. Diese sei auch in allen mineralischen Substanzen enthalten, welche verbrennlich seien und die Verkalkung der Metalle beruhe auf der Vertreibung dieser terra pinguis durch Feuer. Überhaupt sei jede Verbrennung eine Auflösung. Eine einfache Substanz könne nicht brennen. Die Feuererscheinung beruhe auf der bei dieser Auflösung eintretenden Zerteilung und Verdünnung des verbrennlichen Körpers.
Neben dieser terra pinguis gäbe es noch eine terra lapidea und eine terra mercurialis, welche drei ungefähr den früheren Elementen Schwefel, Salz und Quecksilber entsprachen. In allen Metallen seien diese drei Erden enthalten, so bestehe z. B. Eisen aus viel Salz, wenig Schwefel und noch weniger Merkur. Deshalb bildeten sich auch die Metalle in der Erde immer neu, wie schon Plinius sagte, auf Elba wachse das Eisen (gigni ferri metallum).
Becher, der bekanntlich ein sehr unruhiges, aufregendes Leben führte, fand nicht die Musse, seine Theorie so durchzuarbeiten, dass er sie auf jeden einzelnen Fall hätte anwenden können. Er beklagte dies und wünschte sich einen Nachfolger, der seine Theorie, die er nur in Umrissen mitgeteilt hatte, vervollkommnen möge. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, indem der berühmte Mediziner Georg Ernst Stahl Bechers Ideen zu einem vollständigen System ent- wickelte. Gleich bei seinem ersten Auftreten stimmt Stahl1) in seiner 1697 erschienenen Cymotechnia fundamentalis Bechers An- sicht bei, dass der Schwefel denselben verbrennlichen Stoff enthalte, wie die Metalle und dass der Schwefel aus diesem Stoffe in Ver- bindung mit Schwefelsäure bestehe, gerade so wie der Metallkalk der andere Bestandteil des Metalls sei. 1702 gab er Bechers Physica subterranea neu heraus, wobei er klagt, dass das Werk so wenig An- erkennung gefunden habe. Er fügte deshalb demselben sein Specimen
1)Georg Ernst Stahl, geboren 1660 zu Ansbach, seit 1693 Professor in Halle, 1716 als königlicher Leibarzt nach Berlin berufen, gestorben 1734.
Chemie.
Ebenso übten Bechers Ansichten über die Verbrennung und die Entstehung der Metalle auf die Chemiker zu Anfang des 18. Jahr- hunderts, insbesondere auf Stahl, den eigentlichen Begründer der Phlogistontheorie, groſsen Einfluſs aus. Nach Becher war die Ursache der Verbrennlichkeit jedweder Substanz im Gehalte eines gewissen Prinzipes, das er als terra pinguis bezeichnete, begründet. Diese fette Erde sei nicht identisch mit dem gemeinen Schwefel, wie die früheren Chemiker mehr oder weniger angenommen hatten, sondern auch der Schwefel enthalte nur einen gröſseren Anteil dieser terra pinguis. Diese sei auch in allen mineralischen Substanzen enthalten, welche verbrennlich seien und die Verkalkung der Metalle beruhe auf der Vertreibung dieser terra pinguis durch Feuer. Überhaupt sei jede Verbrennung eine Auflösung. Eine einfache Substanz könne nicht brennen. Die Feuererscheinung beruhe auf der bei dieser Auflösung eintretenden Zerteilung und Verdünnung des verbrennlichen Körpers.
Neben dieser terra pinguis gäbe es noch eine terra lapidea und eine terra mercurialis, welche drei ungefähr den früheren Elementen Schwefel, Salz und Quecksilber entsprachen. In allen Metallen seien diese drei Erden enthalten, so bestehe z. B. Eisen aus viel Salz, wenig Schwefel und noch weniger Merkur. Deshalb bildeten sich auch die Metalle in der Erde immer neu, wie schon Plinius sagte, auf Elba wachse das Eisen (gigni ferri metallum).
Becher, der bekanntlich ein sehr unruhiges, aufregendes Leben führte, fand nicht die Muſse, seine Theorie so durchzuarbeiten, daſs er sie auf jeden einzelnen Fall hätte anwenden können. Er beklagte dies und wünschte sich einen Nachfolger, der seine Theorie, die er nur in Umrissen mitgeteilt hatte, vervollkommnen möge. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, indem der berühmte Mediziner Georg Ernst Stahl Bechers Ideen zu einem vollständigen System ent- wickelte. Gleich bei seinem ersten Auftreten stimmt Stahl1) in seiner 1697 erschienenen Cymotechnia fundamentalis Bechers An- sicht bei, daſs der Schwefel denselben verbrennlichen Stoff enthalte, wie die Metalle und daſs der Schwefel aus diesem Stoffe in Ver- bindung mit Schwefelsäure bestehe, gerade so wie der Metallkalk der andere Bestandteil des Metalls sei. 1702 gab er Bechers Physica subterranea neu heraus, wobei er klagt, daſs das Werk so wenig An- erkennung gefunden habe. Er fügte deshalb demselben sein Specimen
1)Georg Ernst Stahl, geboren 1660 zu Ansbach, seit 1693 Professor in Halle, 1716 als königlicher Leibarzt nach Berlin berufen, gestorben 1734.
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Chemie.
Ebenso übten Bechers Ansichten über die Verbrennung und
die Entstehung der Metalle auf die Chemiker zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts, insbesondere auf Stahl, den eigentlichen Begründer der
Phlogistontheorie, groſsen Einfluſs aus. Nach Becher war die Ursache
der Verbrennlichkeit jedweder Substanz im Gehalte eines gewissen
Prinzipes, das er als terra pinguis bezeichnete, begründet. Diese fette
Erde sei nicht identisch mit dem gemeinen Schwefel, wie die früheren
Chemiker mehr oder weniger angenommen hatten, sondern auch der
Schwefel enthalte nur einen gröſseren Anteil dieser terra pinguis.
Diese sei auch in allen mineralischen Substanzen enthalten, welche
verbrennlich seien und die Verkalkung der Metalle beruhe auf der
Vertreibung dieser terra pinguis durch Feuer. Überhaupt sei jede
Verbrennung eine Auflösung. Eine einfache Substanz könne nicht
brennen. Die Feuererscheinung beruhe auf der bei dieser Auflösung
eintretenden Zerteilung und Verdünnung des verbrennlichen Körpers.
Neben dieser terra pinguis gäbe es noch eine terra lapidea und
eine terra mercurialis, welche drei ungefähr den früheren Elementen
Schwefel, Salz und Quecksilber entsprachen. In allen Metallen seien
diese drei Erden enthalten, so bestehe z. B. Eisen aus viel Salz,
wenig Schwefel und noch weniger Merkur. Deshalb bildeten sich
auch die Metalle in der Erde immer neu, wie schon Plinius sagte,
auf Elba wachse das Eisen (gigni ferri metallum).
Becher, der bekanntlich ein sehr unruhiges, aufregendes Leben
führte, fand nicht die Muſse, seine Theorie so durchzuarbeiten, daſs
er sie auf jeden einzelnen Fall hätte anwenden können. Er beklagte
dies und wünschte sich einen Nachfolger, der seine Theorie, die er
nur in Umrissen mitgeteilt hatte, vervollkommnen möge. Dieser
Wunsch ging in Erfüllung, indem der berühmte Mediziner Georg
Ernst Stahl Bechers Ideen zu einem vollständigen System ent-
wickelte. Gleich bei seinem ersten Auftreten stimmt Stahl 1) in
seiner 1697 erschienenen Cymotechnia fundamentalis Bechers An-
sicht bei, daſs der Schwefel denselben verbrennlichen Stoff enthalte,
wie die Metalle und daſs der Schwefel aus diesem Stoffe in Ver-
bindung mit Schwefelsäure bestehe, gerade so wie der Metallkalk der
andere Bestandteil des Metalls sei. 1702 gab er Bechers Physica
subterranea neu heraus, wobei er klagt, daſs das Werk so wenig An-
erkennung gefunden habe. Er fügte deshalb demselben sein Specimen
1) Georg Ernst Stahl, geboren 1660 zu Ansbach, seit 1693 Professor in
Halle, 1716 als königlicher Leibarzt nach Berlin berufen, gestorben 1734.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/78>, abgerufen am 26.11.2024.
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