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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Höchöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Windmesser mit Quecksilber gefüllt zeigten den Druck an. Die Gebläse
wurden von Dampfmaschinen oder grossen Wasserrädern bewegt. Ein
Cylindergebläse von 42 Zoll (1,05 m) Durchmesser und 13 bis 14 Hub
in der Minute, das zwei Hochöfen und drei Frischfeuer versah, kostete
2500 £, nämlich 1500 £ für die Dampfmaschine und 1000 £ für das
Gebläse.

Beim Anheizen bekleidete man die Wände zum Schutz mit auf-
rechtstehenden Ziegeln. Das Anheizen dauerte 1/2 bis 1 Monat.

Die Zahl der Sätze, die Beschickung, das tägliche Ausbringen waren
nach der Güte des Koks, der Art der Eisensteine und den sonstigen
Eigentümlichkeiten auf den verschiedenen Hütten ungleich. In Glamor-
gan setzte man bei den 50 bis 65 Fuss hohen Öfen und bei etwas
aufsteigender Form 80- bis 90mal in 24 Stunden jedesmal ungefähr
4 Ctr. Koks, ebensoviel Eisenstein und 1 Ctr. Fluss; man stach zwei-
mal ab und erhielt jedesmal 3 bis 31/2 Tonnen Roheisen, somit auf
einen Ofen wöchentlich 42 bis 49 Tonnen oder 2000 bis 2500 Tonnen
im Jahre. In Shropshire und Staffordshire, wo die Steinkohlen von
geringerer Güte und die Öfen niedriger waren, setzte man weniger
Gichten und bei jeder mehr Koks als Eisenstein, z. B. 31/2 Ctr.
Koks, 3 Ctr. Eisenstein und 1 Ctr. Fluss. Man brachte täglich 5
bis 61/2, wöchentlich 35 bis 45, jährlich 1800 bis 2200 Tonnen aus.
Das Roheisen war in Glamorgan bei hoher Produktion weiss, sonst
war es grau. In Coalbrookdale erzeugte man fast nur graues Giesserei-
eisen.

Die grössten Erfolge erzielten die Engländer durch ihre guten
Cylindergebläse. Mushet berichtet 1798: alle englischen Hochöfen, mit
Ausnahme einiger weniger Holzkohlenhochöfen, sind mit Cylinder-
gebläsen versehen.

Die grossartigen Fortschritte des Hochofenwesens in England übte
ihre Rückwirkung auf den Kontinent. Man stellte Vergleichungen an
und fand, dass man gegen England sehr zurückgeblieben war. Dies
kam besonders in Deutschland zum Ausdruck.

In Crells Annalen wurde 1790 ein vorzüglicher Aufsatz ver-
öffentlicht: "Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in
Deutschland", worin der anonyme Verfasser (Graf August Ferdinand
v. Veltheim
, früher Oberberghauptmann zu Klausthal), der mit den
englischen Verhältnissen wohl vertraut war, einen Vergleich zwischen
englischem und deutschem Hüttenwesen zieht, welcher sehr zum Nach-
teil Deutschlands ausfällt. Deshalb macht der Verfasser eine Reihe
von Verbesserungsvorschlägen für unsere Industrie, welche am besten

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Höchöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Windmesser mit Quecksilber gefüllt zeigten den Druck an. Die Gebläse
wurden von Dampfmaschinen oder groſsen Wasserrädern bewegt. Ein
Cylindergebläse von 42 Zoll (1,05 m) Durchmesser und 13 bis 14 Hub
in der Minute, das zwei Hochöfen und drei Frischfeuer versah, kostete
2500 £, nämlich 1500 £ für die Dampfmaschine und 1000 £ für das
Gebläse.

Beim Anheizen bekleidete man die Wände zum Schutz mit auf-
rechtstehenden Ziegeln. Das Anheizen dauerte ½ bis 1 Monat.

Die Zahl der Sätze, die Beschickung, das tägliche Ausbringen waren
nach der Güte des Koks, der Art der Eisensteine und den sonstigen
Eigentümlichkeiten auf den verschiedenen Hütten ungleich. In Glamor-
gan setzte man bei den 50 bis 65 Fuſs hohen Öfen und bei etwas
aufsteigender Form 80- bis 90mal in 24 Stunden jedesmal ungefähr
4 Ctr. Koks, ebensoviel Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs; man stach zwei-
mal ab und erhielt jedesmal 3 bis 3½ Tonnen Roheisen, somit auf
einen Ofen wöchentlich 42 bis 49 Tonnen oder 2000 bis 2500 Tonnen
im Jahre. In Shropshire und Staffordshire, wo die Steinkohlen von
geringerer Güte und die Öfen niedriger waren, setzte man weniger
Gichten und bei jeder mehr Koks als Eisenstein, z. B. 3½ Ctr.
Koks, 3 Ctr. Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs. Man brachte täglich 5
bis 6½, wöchentlich 35 bis 45, jährlich 1800 bis 2200 Tonnen aus.
Das Roheisen war in Glamorgan bei hoher Produktion weiſs, sonst
war es grau. In Coalbrookdale erzeugte man fast nur graues Gieſserei-
eisen.

Die gröſsten Erfolge erzielten die Engländer durch ihre guten
Cylindergebläse. Mushet berichtet 1798: alle englischen Hochöfen, mit
Ausnahme einiger weniger Holzkohlenhochöfen, sind mit Cylinder-
gebläsen versehen.

Die groſsartigen Fortschritte des Hochofenwesens in England übte
ihre Rückwirkung auf den Kontinent. Man stellte Vergleichungen an
und fand, daſs man gegen England sehr zurückgeblieben war. Dies
kam besonders in Deutschland zum Ausdruck.

In Crells Annalen wurde 1790 ein vorzüglicher Aufsatz ver-
öffentlicht: „Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in
Deutschland“, worin der anonyme Verfasser (Graf August Ferdinand
v. Veltheim
, früher Oberberghauptmann zu Klausthal), der mit den
englischen Verhältnissen wohl vertraut war, einen Vergleich zwischen
englischem und deutschem Hüttenwesen zieht, welcher sehr zum Nach-
teil Deutschlands ausfällt. Deshalb macht der Verfasser eine Reihe
von Verbesserungsvorschlägen für unsere Industrie, welche am besten

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[739/0753] Höchöfen Ende des 18. Jahrhunderts. Windmesser mit Quecksilber gefüllt zeigten den Druck an. Die Gebläse wurden von Dampfmaschinen oder groſsen Wasserrädern bewegt. Ein Cylindergebläse von 42 Zoll (1,05 m) Durchmesser und 13 bis 14 Hub in der Minute, das zwei Hochöfen und drei Frischfeuer versah, kostete 2500 £, nämlich 1500 £ für die Dampfmaschine und 1000 £ für das Gebläse. Beim Anheizen bekleidete man die Wände zum Schutz mit auf- rechtstehenden Ziegeln. Das Anheizen dauerte ½ bis 1 Monat. Die Zahl der Sätze, die Beschickung, das tägliche Ausbringen waren nach der Güte des Koks, der Art der Eisensteine und den sonstigen Eigentümlichkeiten auf den verschiedenen Hütten ungleich. In Glamor- gan setzte man bei den 50 bis 65 Fuſs hohen Öfen und bei etwas aufsteigender Form 80- bis 90mal in 24 Stunden jedesmal ungefähr 4 Ctr. Koks, ebensoviel Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs; man stach zwei- mal ab und erhielt jedesmal 3 bis 3½ Tonnen Roheisen, somit auf einen Ofen wöchentlich 42 bis 49 Tonnen oder 2000 bis 2500 Tonnen im Jahre. In Shropshire und Staffordshire, wo die Steinkohlen von geringerer Güte und die Öfen niedriger waren, setzte man weniger Gichten und bei jeder mehr Koks als Eisenstein, z. B. 3½ Ctr. Koks, 3 Ctr. Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs. Man brachte täglich 5 bis 6½, wöchentlich 35 bis 45, jährlich 1800 bis 2200 Tonnen aus. Das Roheisen war in Glamorgan bei hoher Produktion weiſs, sonst war es grau. In Coalbrookdale erzeugte man fast nur graues Gieſserei- eisen. Die gröſsten Erfolge erzielten die Engländer durch ihre guten Cylindergebläse. Mushet berichtet 1798: alle englischen Hochöfen, mit Ausnahme einiger weniger Holzkohlenhochöfen, sind mit Cylinder- gebläsen versehen. Die groſsartigen Fortschritte des Hochofenwesens in England übte ihre Rückwirkung auf den Kontinent. Man stellte Vergleichungen an und fand, daſs man gegen England sehr zurückgeblieben war. Dies kam besonders in Deutschland zum Ausdruck. In Crells Annalen wurde 1790 ein vorzüglicher Aufsatz ver- öffentlicht: „Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in Deutschland“, worin der anonyme Verfasser (Graf August Ferdinand v. Veltheim, früher Oberberghauptmann zu Klausthal), der mit den englischen Verhältnissen wohl vertraut war, einen Vergleich zwischen englischem und deutschem Hüttenwesen zieht, welcher sehr zum Nach- teil Deutschlands ausfällt. Deshalb macht der Verfasser eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen für unsere Industrie, welche am besten 47*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 739. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/753>, abgerufen am 22.11.2024.