Beträge abwarf, in wenig Jahren geschehen können. Statt dessen setzte der Staat unbegreiflicher Weise den jungen Jellicoe in den Besitz der Firma ein und konfiszierte das Patent, das als eine wert- lose Sache auf nur 100 £ geschätzt wurde. Und solches konnte geschehen, obgleich nach der Ansicht Sachverständiger, wenn die fälligen Licenzgebühren richtig eingezogen worden wären, Kapital und Zinsen sechsfach hätten bezahlt werden können 1)! Freilich war das Verfahren des Staates sehr im Interesse der Eisenindustriellen, die keine Gebühren mehr bezahlten und ohne weiteres Corts Patent benutzten, und die Grossindustriellen wirkten aus Eigennutz auf die Regierung ein, in ihrem Unrecht zu beharren.
Cort machte im Mai 1790 eine Vorstellung an den Zahlmeister der Marine, in der er darauf hinwies, wie sehr das Puddeln und Walzen nach seinem Verfahren im Lande zunähme und seine persönlichen Dienste anbot, das Patent für den Staat nutzbar zu machen, d. h. die Licenzgebühren beizutreiben. Er erhielt aber nicht einmal eine Antwort. Im folgenden Jahre wandte er sich deshalb mit einem ähnlichen Gesuch an die Marinekommission, indem er anführte, dass jetzt bereits 50000 Tonnen Puddel- und Walzeisen im Jahre gemacht würden. Darauf erhielt er folgende schnöde Antwort: "Ihre Erfindung erscheint von solcher Nützlichkeit, dass sie uns ver- anlasst, der britischen Eisenindustrie durch die von Ihnen ausgeführten Methoden Aufmunterung zu gewähren." Der Staat beraubte also Cort ohne weiteres seines Patentrechts, ohne ihm irgend welche Entschädigung dafür zu gewähren. Der Staat, die Eisenindustriellen und verschiedene hohe Beamte im Marineministerium bereicherten sich auf diese Weise auf Corts Kosten 2).
Endlich gewährte man 1794 Cort, um ihn und seine Familie vor Hunger zu schützen, eine jährliche Pension von 160 £. Im Jahre 1800 starb der beklagenswerte Mann, so arm, dass seine Witwe von neuem ein Unterstützungsgesuch einreichen musste, worauf das reiche England grossmütig 100 £ jährlich gewährte. Und das alles geschah, während bereits Millionen durch Corts Erfindung verdient wurden und man wusste und allseitig anerkannte, dass man dies einzig und allein Cort zu verdanken habe. Es ist und bleibt diese Behandlung des armen Erfinders, dem die grossen Wohlthaten, die er seinem
1) Nach Webster betrugen dieselben 1789 schon 15000 £, 1791 aber bereits. 25000 £, siehe Memoir of Henry Cort in Mechanic's Magazine, 15. Juli 1859.
2) Siehe Percy, a. a. O., S. 631.
Puddelprozeſs.
Beträge abwarf, in wenig Jahren geschehen können. Statt dessen setzte der Staat unbegreiflicher Weise den jungen Jellicoe in den Besitz der Firma ein und konfiszierte das Patent, das als eine wert- lose Sache auf nur 100 £ geschätzt wurde. Und solches konnte geschehen, obgleich nach der Ansicht Sachverständiger, wenn die fälligen Licenzgebühren richtig eingezogen worden wären, Kapital und Zinsen sechsfach hätten bezahlt werden können 1)! Freilich war das Verfahren des Staates sehr im Interesse der Eisenindustriellen, die keine Gebühren mehr bezahlten und ohne weiteres Corts Patent benutzten, und die Groſsindustriellen wirkten aus Eigennutz auf die Regierung ein, in ihrem Unrecht zu beharren.
Cort machte im Mai 1790 eine Vorstellung an den Zahlmeister der Marine, in der er darauf hinwies, wie sehr das Puddeln und Walzen nach seinem Verfahren im Lande zunähme und seine persönlichen Dienste anbot, das Patent für den Staat nutzbar zu machen, d. h. die Licenzgebühren beizutreiben. Er erhielt aber nicht einmal eine Antwort. Im folgenden Jahre wandte er sich deshalb mit einem ähnlichen Gesuch an die Marinekommission, indem er anführte, daſs jetzt bereits 50000 Tonnen Puddel- und Walzeisen im Jahre gemacht würden. Darauf erhielt er folgende schnöde Antwort: „Ihre Erfindung erscheint von solcher Nützlichkeit, daſs sie uns ver- anlaſst, der britischen Eisenindustrie durch die von Ihnen ausgeführten Methoden Aufmunterung zu gewähren.“ Der Staat beraubte also Cort ohne weiteres seines Patentrechts, ohne ihm irgend welche Entschädigung dafür zu gewähren. Der Staat, die Eisenindustriellen und verschiedene hohe Beamte im Marineministerium bereicherten sich auf diese Weise auf Corts Kosten 2).
Endlich gewährte man 1794 Cort, um ihn und seine Familie vor Hunger zu schützen, eine jährliche Pension von 160 £. Im Jahre 1800 starb der beklagenswerte Mann, so arm, daſs seine Witwe von neuem ein Unterstützungsgesuch einreichen muſste, worauf das reiche England groſsmütig 100 £ jährlich gewährte. Und das alles geschah, während bereits Millionen durch Corts Erfindung verdient wurden und man wuſste und allseitig anerkannte, daſs man dies einzig und allein Cort zu verdanken habe. Es ist und bleibt diese Behandlung des armen Erfinders, dem die groſsen Wohlthaten, die er seinem
1) Nach Webster betrugen dieselben 1789 schon 15000 £, 1791 aber bereits. 25000 £, siehe Memoir of Henry Cort in Mechanic’s Magazine, 15. Juli 1859.
2) Siehe Percy, a. a. O., S. 631.
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lose Sache auf nur 100 £ geschätzt wurde. Und solches konnte
geschehen, obgleich nach der Ansicht Sachverständiger, wenn die
fälligen Licenzgebühren richtig eingezogen worden wären, Kapital und
Zinsen sechsfach hätten bezahlt werden können 1)! Freilich war das
Verfahren des Staates sehr im Interesse der Eisenindustriellen, die
keine Gebühren mehr bezahlten und ohne weiteres Corts Patent
benutzten, und die Groſsindustriellen wirkten aus Eigennutz auf die
Regierung ein, in ihrem Unrecht zu beharren.
Cort machte im Mai 1790 eine Vorstellung an den Zahlmeister
der Marine, in der er darauf hinwies, wie sehr das Puddeln und
Walzen nach seinem Verfahren im Lande zunähme und seine
persönlichen Dienste anbot, das Patent für den Staat nutzbar zu
machen, d. h. die Licenzgebühren beizutreiben. Er erhielt aber nicht
einmal eine Antwort. Im folgenden Jahre wandte er sich deshalb
mit einem ähnlichen Gesuch an die Marinekommission, indem er
anführte, daſs jetzt bereits 50000 Tonnen Puddel- und Walzeisen im
Jahre gemacht würden. Darauf erhielt er folgende schnöde Antwort:
„Ihre Erfindung erscheint von solcher Nützlichkeit, daſs sie uns ver-
anlaſst, der britischen Eisenindustrie durch die von Ihnen ausgeführten
Methoden Aufmunterung zu gewähren.“ Der Staat beraubte also
Cort ohne weiteres seines Patentrechts, ohne ihm irgend welche
Entschädigung dafür zu gewähren. Der Staat, die Eisenindustriellen
und verschiedene hohe Beamte im Marineministerium bereicherten sich
auf diese Weise auf Corts Kosten 2).
Endlich gewährte man 1794 Cort, um ihn und seine Familie vor
Hunger zu schützen, eine jährliche Pension von 160 £. Im Jahre
1800 starb der beklagenswerte Mann, so arm, daſs seine Witwe von
neuem ein Unterstützungsgesuch einreichen muſste, worauf das reiche
England groſsmütig 100 £ jährlich gewährte. Und das alles geschah,
während bereits Millionen durch Corts Erfindung verdient wurden
und man wuſste und allseitig anerkannte, daſs man dies einzig und
allein Cort zu verdanken habe. Es ist und bleibt diese Behandlung
des armen Erfinders, dem die groſsen Wohlthaten, die er seinem
1) Nach Webster betrugen dieselben 1789 schon 15000 £, 1791 aber bereits.
25000 £, siehe Memoir of Henry Cort in Mechanic’s Magazine, 15. Juli 1859.
2) Siehe Percy, a. a. O., S. 631.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/709>, abgerufen am 25.11.2024.
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