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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Puddelprozess.
kohle die Quelle der Kraft. Die Steinkohle erzeugte die Kraft,
welche Eisenerz und Brennmaterial aus der Tiefe schaffte, die Stein-
kohle war das Mittel, welches das Metall aus den Erzen schied und
schmolz, mit Steinkohle konnte man das Roheisen in geschmeidiges
Eisen und in Stahl verwandeln. Steinkohle wurde wieder die Kraft-
quelle, die grosse Walzwerke in Bewegung setzte, ohne welche Corts
Erfindung seine Bedeutung nicht erlangt hätte. So wurde die Stein-
kohle die wichtigste Quelle von Kraft, Reichtum und Macht. Eng-
land, reich gesegnet mit diesem Brennstoff, begriff den grossen Nutzen,
den ihm Corts Erfindung darbot und beeilte sich, sie auszubeuten.
Bereits im Jahre 1786 erkannte Lord Sheffield die grosse nationale
Bedeutung von Corts Erfindung in folgenden Worten an: "Wenn
Corts geistreiche und verdienstliche Verbesserungen in der Kunst
der Eisenbereitung, die Dampfmaschine von Boulton und Watt und
Lord Dundonalds Erfindung, Koks zur Hälfte der seitherigen Kosten
herzustellen, sich bewähren, so ist es nicht übertrieben, zu behaupten,
dass der Erfolg England von grösserem Nutzen sein wird als die
13 Kolonieen (von Nordamerika): denn es wird unserem Vaterland die
vollständige Herrschaft über den Eisenhandel in die Hände geben, zu
seinen Vorteilen in Bezug auf die Schiffahrt." Diese prophetischen
Worte haben sich glänzend bewährt, denn weit über das kühnste
Hoffen hinaus haben Corts und Watts Erfindungen England reich
und mächtig gemacht.

Aber obgleich England Cort unendlich viel verdankte, obgleich
kurze Zeit nach Corts Erfindungen ungeahnte Reichtümer den Gross-
industriellen, welche sich des neuen Verfahrens bedienten, zuflossen, so
erntete Cort selbst doch keinen Dank, sondern er litt Verfolgung, Elend
und Schmach ohne eigene Schuld. Es ist ein dunkles Blatt in Eng-
lands Geschichte. Auch über die Vorgänge selbst schwebt manches
Dunkel. Es scheint, dass Cort von Anfang an, wie er an die Öffent-
lichkeit trat und sein Verfahren bekannt wurde, mit dem Neid und
der Missgunst der grossen Eisenindustriellen, welche danach strebten,
ihn der Früchte seiner Erfindung zu berauben und sie selbst aus-
zubeuten, zu kämpfen hatte. Dies geht aus einem interessanten
Briefe Watts an Dr. Black hervor, welchen dieser bereits am
6. Juni 1784 schrieb. Der Brief, den wir ganz mitteilen, obgleich er
sich nur teilweise auf Cort bezieht, weil er zeigt, wie eingehend sich
Watt auch mit dem Eisen und dessen Eigenschaften beschäftigte,
lautet: "Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefes von Corts Ver-
fahren gehört und auch schon viel von seinem Eisen gesehen; obgleich

Puddelprozeſs.
kohle die Quelle der Kraft. Die Steinkohle erzeugte die Kraft,
welche Eisenerz und Brennmaterial aus der Tiefe schaffte, die Stein-
kohle war das Mittel, welches das Metall aus den Erzen schied und
schmolz, mit Steinkohle konnte man das Roheisen in geschmeidiges
Eisen und in Stahl verwandeln. Steinkohle wurde wieder die Kraft-
quelle, die groſse Walzwerke in Bewegung setzte, ohne welche Corts
Erfindung seine Bedeutung nicht erlangt hätte. So wurde die Stein-
kohle die wichtigste Quelle von Kraft, Reichtum und Macht. Eng-
land, reich gesegnet mit diesem Brennstoff, begriff den groſsen Nutzen,
den ihm Corts Erfindung darbot und beeilte sich, sie auszubeuten.
Bereits im Jahre 1786 erkannte Lord Sheffield die groſse nationale
Bedeutung von Corts Erfindung in folgenden Worten an: „Wenn
Corts geistreiche und verdienstliche Verbesserungen in der Kunst
der Eisenbereitung, die Dampfmaschine von Boulton und Watt und
Lord Dundonalds Erfindung, Koks zur Hälfte der seitherigen Kosten
herzustellen, sich bewähren, so ist es nicht übertrieben, zu behaupten,
daſs der Erfolg England von gröſserem Nutzen sein wird als die
13 Kolonieen (von Nordamerika): denn es wird unserem Vaterland die
vollständige Herrschaft über den Eisenhandel in die Hände geben, zu
seinen Vorteilen in Bezug auf die Schiffahrt.“ Diese prophetischen
Worte haben sich glänzend bewährt, denn weit über das kühnste
Hoffen hinaus haben Corts und Watts Erfindungen England reich
und mächtig gemacht.

Aber obgleich England Cort unendlich viel verdankte, obgleich
kurze Zeit nach Corts Erfindungen ungeahnte Reichtümer den Groſs-
industriellen, welche sich des neuen Verfahrens bedienten, zuflossen, so
erntete Cort selbst doch keinen Dank, sondern er litt Verfolgung, Elend
und Schmach ohne eigene Schuld. Es ist ein dunkles Blatt in Eng-
lands Geschichte. Auch über die Vorgänge selbst schwebt manches
Dunkel. Es scheint, daſs Cort von Anfang an, wie er an die Öffent-
lichkeit trat und sein Verfahren bekannt wurde, mit dem Neid und
der Miſsgunst der groſsen Eisenindustriellen, welche danach strebten,
ihn der Früchte seiner Erfindung zu berauben und sie selbst aus-
zubeuten, zu kämpfen hatte. Dies geht aus einem interessanten
Briefe Watts an Dr. Black hervor, welchen dieser bereits am
6. Juni 1784 schrieb. Der Brief, den wir ganz mitteilen, obgleich er
sich nur teilweise auf Cort bezieht, weil er zeigt, wie eingehend sich
Watt auch mit dem Eisen und dessen Eigenschaften beschäftigte,
lautet: „Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefes von Corts Ver-
fahren gehört und auch schon viel von seinem Eisen gesehen; obgleich

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[692/0706] Puddelprozeſs. kohle die Quelle der Kraft. Die Steinkohle erzeugte die Kraft, welche Eisenerz und Brennmaterial aus der Tiefe schaffte, die Stein- kohle war das Mittel, welches das Metall aus den Erzen schied und schmolz, mit Steinkohle konnte man das Roheisen in geschmeidiges Eisen und in Stahl verwandeln. Steinkohle wurde wieder die Kraft- quelle, die groſse Walzwerke in Bewegung setzte, ohne welche Corts Erfindung seine Bedeutung nicht erlangt hätte. So wurde die Stein- kohle die wichtigste Quelle von Kraft, Reichtum und Macht. Eng- land, reich gesegnet mit diesem Brennstoff, begriff den groſsen Nutzen, den ihm Corts Erfindung darbot und beeilte sich, sie auszubeuten. Bereits im Jahre 1786 erkannte Lord Sheffield die groſse nationale Bedeutung von Corts Erfindung in folgenden Worten an: „Wenn Corts geistreiche und verdienstliche Verbesserungen in der Kunst der Eisenbereitung, die Dampfmaschine von Boulton und Watt und Lord Dundonalds Erfindung, Koks zur Hälfte der seitherigen Kosten herzustellen, sich bewähren, so ist es nicht übertrieben, zu behaupten, daſs der Erfolg England von gröſserem Nutzen sein wird als die 13 Kolonieen (von Nordamerika): denn es wird unserem Vaterland die vollständige Herrschaft über den Eisenhandel in die Hände geben, zu seinen Vorteilen in Bezug auf die Schiffahrt.“ Diese prophetischen Worte haben sich glänzend bewährt, denn weit über das kühnste Hoffen hinaus haben Corts und Watts Erfindungen England reich und mächtig gemacht. Aber obgleich England Cort unendlich viel verdankte, obgleich kurze Zeit nach Corts Erfindungen ungeahnte Reichtümer den Groſs- industriellen, welche sich des neuen Verfahrens bedienten, zuflossen, so erntete Cort selbst doch keinen Dank, sondern er litt Verfolgung, Elend und Schmach ohne eigene Schuld. Es ist ein dunkles Blatt in Eng- lands Geschichte. Auch über die Vorgänge selbst schwebt manches Dunkel. Es scheint, daſs Cort von Anfang an, wie er an die Öffent- lichkeit trat und sein Verfahren bekannt wurde, mit dem Neid und der Miſsgunst der groſsen Eisenindustriellen, welche danach strebten, ihn der Früchte seiner Erfindung zu berauben und sie selbst aus- zubeuten, zu kämpfen hatte. Dies geht aus einem interessanten Briefe Watts an Dr. Black hervor, welchen dieser bereits am 6. Juni 1784 schrieb. Der Brief, den wir ganz mitteilen, obgleich er sich nur teilweise auf Cort bezieht, weil er zeigt, wie eingehend sich Watt auch mit dem Eisen und dessen Eigenschaften beschäftigte, lautet: „Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefes von Corts Ver- fahren gehört und auch schon viel von seinem Eisen gesehen; obgleich

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/706>, abgerufen am 25.11.2024.