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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Puddelprozess.
Dies geschah und in dieser Woche wurde ein Versuch gemacht, der
die grössten Hoffnungen übertraf. Das Eisen, was wir einsetzten,
waren alte Zapfenlager, die, wie Du weisst, immer aus hartem Eisen
gemacht werden und das daraus erhaltene Eisen ist das zäheste, was
ich je gesehen habe. Ein Stab von 11/4 Zoll Quadrat zeigte beim
Bruch kaum eine Spur Kaltbruch. Ich betrachte es als eine der
wichtigsten Erfindungen, die je gemacht worden sind und bin so frei,
Dich zu ersuchen und dringend zu bitten, sofort ein Patent darauf
zu nehmen.... Die Beschreibung des Patentes lässt sich in wenige
Worte fassen, indem nur ausgedrückt werden muss, dass ein Flamm-
ofen von entsprechender Konstruktion erbaut werden muss, in welchem
das Roh- oder Gusseisen eingesetzt und ohne Hülfe von irgend etwas
anderem als roher Steinkohle in gutes, schmiedbares Eisen verwandelt
wird, welches man rotglühend aus dem Flammofen zum Hammer
bringt, wo es in Stäbe von verschiedener Gestalt und Stärke, nach
dem Belieben des Arbeiters, ausgeschmiedet wird."

Das bald darauf den Brüdern Cranage erteilte Patent hat fast
genau den Wortlaut des Briefes, dessen unmittelbarer Zusammenhang
mit jenem dadurch erwiesen ist. Es wurde nach diesem Verfahren,
welches dem Puddelprozess schon sehr ähnlich war, zu Coalbrookdale
gearbeitet, und nach mündlicher Überlieferung soll das durch dieses
Verfahren hergestellte Eisen sehr gut, zäh und langsehnig gewesen
sein, viel mehr als das später nach Corts Prozess erzeugte 1). Es
gelang aber den Gebrüdern Cranage nicht, ihrer Erfindung Verbreitung
und Anerkennung und sich selbst daraus Nutzen zu schaffen.

So lagen die Dinge, als Henry Cort dieser wichtigen Frage
näher trat.

Henry Cort war 1740 zu Lancaster geboren. Über seine Jugend
ist nichts bekannt. 1765 betrieb er ein Geschäft als Schiffsagent
(navy agent) in Surrey Street, Strand, in London, wobei er grossen
Gewinn erzielt haben soll. In seinem Geschäft hatte er Gelegenheit,
die geringe Qualität des englischen Eisens im Vergleich mit dem
ausländischen kennen zu lernen. Das englische Stabeisen war damals
so schlecht, dass es von allen Staatslieferungen ausgeschlossen war
und auch der Guss war so spröde, dass er für viele Zwecke unbrauch-
bar war. Russland setzte damals (1770) seinen Eisenpreis ganz will-
kürlich um mehr als 10 Prozent in die Höhe, in der Überzeugung,
dass England ganz ausser stande sei, gutes Eisen selbst zu fabrizieren.

1) Smiles, a. a. O., p. 88.

Puddelprozeſs.
Dies geschah und in dieser Woche wurde ein Versuch gemacht, der
die gröſsten Hoffnungen übertraf. Das Eisen, was wir einsetzten,
waren alte Zapfenlager, die, wie Du weiſst, immer aus hartem Eisen
gemacht werden und das daraus erhaltene Eisen ist das zäheste, was
ich je gesehen habe. Ein Stab von 1¼ Zoll Quadrat zeigte beim
Bruch kaum eine Spur Kaltbruch. Ich betrachte es als eine der
wichtigsten Erfindungen, die je gemacht worden sind und bin so frei,
Dich zu ersuchen und dringend zu bitten, sofort ein Patent darauf
zu nehmen.... Die Beschreibung des Patentes läſst sich in wenige
Worte fassen, indem nur ausgedrückt werden muſs, daſs ein Flamm-
ofen von entsprechender Konstruktion erbaut werden muſs, in welchem
das Roh- oder Guſseisen eingesetzt und ohne Hülfe von irgend etwas
anderem als roher Steinkohle in gutes, schmiedbares Eisen verwandelt
wird, welches man rotglühend aus dem Flammofen zum Hammer
bringt, wo es in Stäbe von verschiedener Gestalt und Stärke, nach
dem Belieben des Arbeiters, ausgeschmiedet wird.“

Das bald darauf den Brüdern Cranage erteilte Patent hat fast
genau den Wortlaut des Briefes, dessen unmittelbarer Zusammenhang
mit jenem dadurch erwiesen ist. Es wurde nach diesem Verfahren,
welches dem Puddelprozeſs schon sehr ähnlich war, zu Coalbrookdale
gearbeitet, und nach mündlicher Überlieferung soll das durch dieses
Verfahren hergestellte Eisen sehr gut, zäh und langsehnig gewesen
sein, viel mehr als das später nach Corts Prozeſs erzeugte 1). Es
gelang aber den Gebrüdern Cranage nicht, ihrer Erfindung Verbreitung
und Anerkennung und sich selbst daraus Nutzen zu schaffen.

So lagen die Dinge, als Henry Cort dieser wichtigen Frage
näher trat.

Henry Cort war 1740 zu Lancaster geboren. Über seine Jugend
ist nichts bekannt. 1765 betrieb er ein Geschäft als Schiffsagent
(navy agent) in Surrey Street, Strand, in London, wobei er groſsen
Gewinn erzielt haben soll. In seinem Geschäft hatte er Gelegenheit,
die geringe Qualität des englischen Eisens im Vergleich mit dem
ausländischen kennen zu lernen. Das englische Stabeisen war damals
so schlecht, daſs es von allen Staatslieferungen ausgeschlossen war
und auch der Guſs war so spröde, daſs er für viele Zwecke unbrauch-
bar war. Ruſsland setzte damals (1770) seinen Eisenpreis ganz will-
kürlich um mehr als 10 Prozent in die Höhe, in der Überzeugung,
daſs England ganz auſser stande sei, gutes Eisen selbst zu fabrizieren.

1) Smiles, a. a. O., p. 88.
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[685/0699] Puddelprozeſs. Dies geschah und in dieser Woche wurde ein Versuch gemacht, der die gröſsten Hoffnungen übertraf. Das Eisen, was wir einsetzten, waren alte Zapfenlager, die, wie Du weiſst, immer aus hartem Eisen gemacht werden und das daraus erhaltene Eisen ist das zäheste, was ich je gesehen habe. Ein Stab von 1¼ Zoll Quadrat zeigte beim Bruch kaum eine Spur Kaltbruch. Ich betrachte es als eine der wichtigsten Erfindungen, die je gemacht worden sind und bin so frei, Dich zu ersuchen und dringend zu bitten, sofort ein Patent darauf zu nehmen.... Die Beschreibung des Patentes läſst sich in wenige Worte fassen, indem nur ausgedrückt werden muſs, daſs ein Flamm- ofen von entsprechender Konstruktion erbaut werden muſs, in welchem das Roh- oder Guſseisen eingesetzt und ohne Hülfe von irgend etwas anderem als roher Steinkohle in gutes, schmiedbares Eisen verwandelt wird, welches man rotglühend aus dem Flammofen zum Hammer bringt, wo es in Stäbe von verschiedener Gestalt und Stärke, nach dem Belieben des Arbeiters, ausgeschmiedet wird.“ Das bald darauf den Brüdern Cranage erteilte Patent hat fast genau den Wortlaut des Briefes, dessen unmittelbarer Zusammenhang mit jenem dadurch erwiesen ist. Es wurde nach diesem Verfahren, welches dem Puddelprozeſs schon sehr ähnlich war, zu Coalbrookdale gearbeitet, und nach mündlicher Überlieferung soll das durch dieses Verfahren hergestellte Eisen sehr gut, zäh und langsehnig gewesen sein, viel mehr als das später nach Corts Prozeſs erzeugte 1). Es gelang aber den Gebrüdern Cranage nicht, ihrer Erfindung Verbreitung und Anerkennung und sich selbst daraus Nutzen zu schaffen. So lagen die Dinge, als Henry Cort dieser wichtigen Frage näher trat. Henry Cort war 1740 zu Lancaster geboren. Über seine Jugend ist nichts bekannt. 1765 betrieb er ein Geschäft als Schiffsagent (navy agent) in Surrey Street, Strand, in London, wobei er groſsen Gewinn erzielt haben soll. In seinem Geschäft hatte er Gelegenheit, die geringe Qualität des englischen Eisens im Vergleich mit dem ausländischen kennen zu lernen. Das englische Stabeisen war damals so schlecht, daſs es von allen Staatslieferungen ausgeschlossen war und auch der Guſs war so spröde, daſs er für viele Zwecke unbrauch- bar war. Ruſsland setzte damals (1770) seinen Eisenpreis ganz will- kürlich um mehr als 10 Prozent in die Höhe, in der Überzeugung, daſs England ganz auſser stande sei, gutes Eisen selbst zu fabrizieren. 1) Smiles, a. a. O., p. 88.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/699>, abgerufen am 25.11.2024.