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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Frischfeuer 1775 bis 1800.
schlagen und ausgeleert und man findet das Schmelzstück dann, wenn
alles gut gegangen ist, als einen Klumpen, der einer gewöhnlichen
Luppe gleicht, mit einer dünnflüssigen, schwarzen, obsidianähnlichen
Schlacke umgeben. Das Schmelz- oder Frischstück pflegte gewöhn-
lich 80 Pfund zu wiegen; es wurde sogleich zusammengeschlagen und
an den Reckhammer geliefert. Missglückte, roh gebliebene Güsse
kamen in den Ball-furnace. Das Eisen war von geringer Güte, kurz-
sehnig und brüchig.

An dieses Tiegelfrischen schliesst sich ein anderer, ebenfalls im
vorigen Jahrhundert in England angewendeter Prozess, das sogenannte
Brockenschmelzen in Tiegeln. Es ist dies das Zusammenschmelzen
oder richtiger Zusammenschweissen von altem Schmiedeeisen (Schrott)
in Tiegeln. Auch dieser Prozess war nur denkbar bei den ausser-
ordentlich hohen Holzkohlenpreisen auf der einen und den billigen
Steinkohlenpreisen auf der anderen Seite.

Die Öfen, in denen dieser Prozess vorgenommen wurde, hiessen
Scrap-furnaces, Schrottöfen; man hatte dergleichen zu Duffield bei
Derby, zu Sheffield und anderen Plätzen. Die Eisenbrocken wurden
von armen Leuten gesammelt und bestanden aus allen möglichen
Abfällen. Mit diesen wurden etwa sechs Tiegel von 2 Fuss Höhe
und 10 Zoll Weite ohne Zusatz angefüllt und die Masse möglichst
zusammengedrückt. Die offenen Tiegel wurden in den Schrottöfen
einem starken Steinkohlenfeuer ausgesetzt, so dass der Inhalt zusammen-
schweisste. Die Tiegel wurden alsdann aus dem Ofen genommen,
umgestürzt und die ausgestürzte, zusammengeschweisste Masse zusammen-
geschlagen, unter einem Wasserhammer geschmiedet und nach oft
wiederholtem Glühen zu Stäben, wie sie für Kleinschmiede passen,
ausgereckt. Karsten giebt an, dass die Tiegel mit Inhalt nach dem
Schweissen unter den Hammer gebracht wurden. Rinman sagt:
"man soll" manchmal die Erhitzung bis zum Schmelzen der Masse,
die dann unter einer Decke von Glaspulver oder Hochofenschlacke
flüssig würde, fortsetzen und erhielte so das reinste Eisen, welches
die Engländer tincture of iron nannten. Hier ist wohl eine Guss-
stahlerzeugung aus Stahlbrocken gemeint.

Statt dieses Verfahrens hatte man nach Quists Bericht um 1780
bereits ein anderes Verfahren, Schrott im Feuer zu verarbeiten, indem
man denselben in Flammöfen mit Steinkohlenfeuer zusammenschweisste.
Man verarbeitete auf diese Weise namentlich alte Nägel und Abfälle
der Nagelschmiede, aus denen man auf runden Stücken von Sand-
stein kleine Kegel aufrichtete und diese im Reverberierofen (air fur-

Frischfeuer 1775 bis 1800.
schlagen und ausgeleert und man findet das Schmelzstück dann, wenn
alles gut gegangen ist, als einen Klumpen, der einer gewöhnlichen
Luppe gleicht, mit einer dünnflüssigen, schwarzen, obsidianähnlichen
Schlacke umgeben. Das Schmelz- oder Frischstück pflegte gewöhn-
lich 80 Pfund zu wiegen; es wurde sogleich zusammengeschlagen und
an den Reckhammer geliefert. Miſsglückte, roh gebliebene Güsse
kamen in den Ball-furnace. Das Eisen war von geringer Güte, kurz-
sehnig und brüchig.

An dieses Tiegelfrischen schlieſst sich ein anderer, ebenfalls im
vorigen Jahrhundert in England angewendeter Prozeſs, das sogenannte
Brockenschmelzen in Tiegeln. Es ist dies das Zusammenschmelzen
oder richtiger Zusammenschweiſsen von altem Schmiedeeisen (Schrott)
in Tiegeln. Auch dieser Prozeſs war nur denkbar bei den auſser-
ordentlich hohen Holzkohlenpreisen auf der einen und den billigen
Steinkohlenpreisen auf der anderen Seite.

Die Öfen, in denen dieser Prozeſs vorgenommen wurde, hieſsen
Scrap-furnaces, Schrottöfen; man hatte dergleichen zu Duffield bei
Derby, zu Sheffield und anderen Plätzen. Die Eisenbrocken wurden
von armen Leuten gesammelt und bestanden aus allen möglichen
Abfällen. Mit diesen wurden etwa sechs Tiegel von 2 Fuſs Höhe
und 10 Zoll Weite ohne Zusatz angefüllt und die Masse möglichst
zusammengedrückt. Die offenen Tiegel wurden in den Schrottöfen
einem starken Steinkohlenfeuer ausgesetzt, so daſs der Inhalt zusammen-
schweiſste. Die Tiegel wurden alsdann aus dem Ofen genommen,
umgestürzt und die ausgestürzte, zusammengeschweiſste Masse zusammen-
geschlagen, unter einem Wasserhammer geschmiedet und nach oft
wiederholtem Glühen zu Stäben, wie sie für Kleinschmiede passen,
ausgereckt. Karsten giebt an, daſs die Tiegel mit Inhalt nach dem
Schweiſsen unter den Hammer gebracht wurden. Rinman sagt:
„man soll“ manchmal die Erhitzung bis zum Schmelzen der Masse,
die dann unter einer Decke von Glaspulver oder Hochofenschlacke
flüssig würde, fortsetzen und erhielte so das reinste Eisen, welches
die Engländer tincture of iron nannten. Hier ist wohl eine Guſs-
stahlerzeugung aus Stahlbrocken gemeint.

Statt dieses Verfahrens hatte man nach Quists Bericht um 1780
bereits ein anderes Verfahren, Schrott im Feuer zu verarbeiten, indem
man denselben in Flammöfen mit Steinkohlenfeuer zusammenschweiſste.
Man verarbeitete auf diese Weise namentlich alte Nägel und Abfälle
der Nagelschmiede, aus denen man auf runden Stücken von Sand-
stein kleine Kegel aufrichtete und diese im Reverberierofen (air fur-

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[670/0684] Frischfeuer 1775 bis 1800. schlagen und ausgeleert und man findet das Schmelzstück dann, wenn alles gut gegangen ist, als einen Klumpen, der einer gewöhnlichen Luppe gleicht, mit einer dünnflüssigen, schwarzen, obsidianähnlichen Schlacke umgeben. Das Schmelz- oder Frischstück pflegte gewöhn- lich 80 Pfund zu wiegen; es wurde sogleich zusammengeschlagen und an den Reckhammer geliefert. Miſsglückte, roh gebliebene Güsse kamen in den Ball-furnace. Das Eisen war von geringer Güte, kurz- sehnig und brüchig. An dieses Tiegelfrischen schlieſst sich ein anderer, ebenfalls im vorigen Jahrhundert in England angewendeter Prozeſs, das sogenannte Brockenschmelzen in Tiegeln. Es ist dies das Zusammenschmelzen oder richtiger Zusammenschweiſsen von altem Schmiedeeisen (Schrott) in Tiegeln. Auch dieser Prozeſs war nur denkbar bei den auſser- ordentlich hohen Holzkohlenpreisen auf der einen und den billigen Steinkohlenpreisen auf der anderen Seite. Die Öfen, in denen dieser Prozeſs vorgenommen wurde, hieſsen Scrap-furnaces, Schrottöfen; man hatte dergleichen zu Duffield bei Derby, zu Sheffield und anderen Plätzen. Die Eisenbrocken wurden von armen Leuten gesammelt und bestanden aus allen möglichen Abfällen. Mit diesen wurden etwa sechs Tiegel von 2 Fuſs Höhe und 10 Zoll Weite ohne Zusatz angefüllt und die Masse möglichst zusammengedrückt. Die offenen Tiegel wurden in den Schrottöfen einem starken Steinkohlenfeuer ausgesetzt, so daſs der Inhalt zusammen- schweiſste. Die Tiegel wurden alsdann aus dem Ofen genommen, umgestürzt und die ausgestürzte, zusammengeschweiſste Masse zusammen- geschlagen, unter einem Wasserhammer geschmiedet und nach oft wiederholtem Glühen zu Stäben, wie sie für Kleinschmiede passen, ausgereckt. Karsten giebt an, daſs die Tiegel mit Inhalt nach dem Schweiſsen unter den Hammer gebracht wurden. Rinman sagt: „man soll“ manchmal die Erhitzung bis zum Schmelzen der Masse, die dann unter einer Decke von Glaspulver oder Hochofenschlacke flüssig würde, fortsetzen und erhielte so das reinste Eisen, welches die Engländer tincture of iron nannten. Hier ist wohl eine Guſs- stahlerzeugung aus Stahlbrocken gemeint. Statt dieses Verfahrens hatte man nach Quists Bericht um 1780 bereits ein anderes Verfahren, Schrott im Feuer zu verarbeiten, indem man denselben in Flammöfen mit Steinkohlenfeuer zusammenschweiſste. Man verarbeitete auf diese Weise namentlich alte Nägel und Abfälle der Nagelschmiede, aus denen man auf runden Stücken von Sand- stein kleine Kegel aufrichtete und diese im Reverberierofen (air fur-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/684>, abgerufen am 25.11.2024.