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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Luppenfeuer.
traf. Das Formmaul war oval, 24 auf 18 Linien. Das obere Loch
der Schlackenseite lag 8 Zoll unter der Essbank. Der Herd wurde
aus Gestübbe geschlagen, so dass er den Boden 13 Zoll bedeckte.
Man machte in 24 Stunden fünf Luppen, durchschnittlich zu 215 Pfund,
wozu jedesmal 5 Ctr. Erz aufgegeben wurden. Bei gutem Gang erhielt
man 35 Luppen oder 84 Ctr. Eisen in der Woche. Auf eine Luppe
verbrannte man 61/2 Last (charge) Kohlen. Eine Last wog 140 Pfund
und kostete bis zu 40 Sols. 100 Pfund Eisen erforderten 27 Kubik-
fuss Kohlen zur Schmelzung, während man in der Grafschaft Foix nur
20 Kubikfuss brauchte. Bei einem Luppenfeuer waren fünf Arbeiter
beschäftigt, von denen die vier ersten 25 Sols für den Centner Eisen
bekamen, der Meister 7, jeder der drei anderen 6 Sols. Der Erzfahrer
(piquemine oder Miala) erhielt 30 Livres den Monat. Ausserdem gab
es zwei Erzröster, welche 6 Pfennige für den Centner rohes Erz
erhielten. Im ganzen stellten sich die Fabrikationskosten auf 30 Sols
für den Centner. Die Erze kosteten 15 bis 16 Sols pro Centner.
Das Eisen war sehr gut und fand willige Abnehmer zu 18 Livres der
Centner.

In Russland waren vordem die niedrigen Bauernöfen oder Blase-
öfen, in welchen aus Sumpferzen unmittelbar geschmeidiges Eisen
erblasen wurde, allgemein im Gebrauch. Vor der Teilung Polens (1772)
gab es noch über 300 solcher Öfen in Russland. Am längsten erhielten
sie sich in dem Nowgorodschen Bauernbergrevier. Dort waren alle
Männer geborene Schmiede, welche jede freie Zeit, die der Landbau
übrig liess, in der Schmiede zubrachten. Dabei bestand eine her-
gebrachte Arbeitsteilung: Schmelzer, Stahlmacher, Zeugschmiede und
Nagelschmiede waren getrennte Gewerbe. Ja, ein Nagelschmied, der
grobe Nagelsorten schmiedete, machte keine feine und umgekehrt.
Ein- oder zweimal im Monat trafen sich die Arbeiter mit ihren Pro-
dukten auf gewissen Märkten, wo sie voneinander kauften und tauschten
und wobei die Zwischenhändler von der benachbarten Stadt Ustjuschna
Rhelesopolski die notwendigen Bedürfnisse herbeiführten und die
Eisenfabrikate, welche meistens in Nägeln bestanden, aufkauften. Diese
wurden alsdann auf der Wolga nach einem grossen Teil des russischen
Reiches verfahren.

Norberg1) giebt von einem solchen russischen Blaseofen, den
er gesehen hatte, folgende Beschreibung. Er war von der Form
9 Fuss hoch, vor der Form 21 bis 22 Zoll im Gevierte weit; der

1) Norberg, a. a. O., S. 28.

Luppenfeuer.
traf. Das Formmaul war oval, 24 auf 18 Linien. Das obere Loch
der Schlackenseite lag 8 Zoll unter der Eſsbank. Der Herd wurde
aus Gestübbe geschlagen, so daſs er den Boden 13 Zoll bedeckte.
Man machte in 24 Stunden fünf Luppen, durchschnittlich zu 215 Pfund,
wozu jedesmal 5 Ctr. Erz aufgegeben wurden. Bei gutem Gang erhielt
man 35 Luppen oder 84 Ctr. Eisen in der Woche. Auf eine Luppe
verbrannte man 6½ Last (charge) Kohlen. Eine Last wog 140 Pfund
und kostete bis zu 40 Sols. 100 Pfund Eisen erforderten 27 Kubik-
fuſs Kohlen zur Schmelzung, während man in der Grafschaft Foix nur
20 Kubikfuſs brauchte. Bei einem Luppenfeuer waren fünf Arbeiter
beschäftigt, von denen die vier ersten 25 Sols für den Centner Eisen
bekamen, der Meister 7, jeder der drei anderen 6 Sols. Der Erzfahrer
(piquemine oder Miala) erhielt 30 Livres den Monat. Auſserdem gab
es zwei Erzröster, welche 6 Pfennige für den Centner rohes Erz
erhielten. Im ganzen stellten sich die Fabrikationskosten auf 30 Sols
für den Centner. Die Erze kosteten 15 bis 16 Sols pro Centner.
Das Eisen war sehr gut und fand willige Abnehmer zu 18 Livres der
Centner.

In Ruſsland waren vordem die niedrigen Bauernöfen oder Blase-
öfen, in welchen aus Sumpferzen unmittelbar geschmeidiges Eisen
erblasen wurde, allgemein im Gebrauch. Vor der Teilung Polens (1772)
gab es noch über 300 solcher Öfen in Ruſsland. Am längsten erhielten
sie sich in dem Nowgorodschen Bauernbergrevier. Dort waren alle
Männer geborene Schmiede, welche jede freie Zeit, die der Landbau
übrig lieſs, in der Schmiede zubrachten. Dabei bestand eine her-
gebrachte Arbeitsteilung: Schmelzer, Stahlmacher, Zeugschmiede und
Nagelschmiede waren getrennte Gewerbe. Ja, ein Nagelschmied, der
grobe Nagelsorten schmiedete, machte keine feine und umgekehrt.
Ein- oder zweimal im Monat trafen sich die Arbeiter mit ihren Pro-
dukten auf gewissen Märkten, wo sie voneinander kauften und tauschten
und wobei die Zwischenhändler von der benachbarten Stadt Ustjuschna
Rhelesopolski die notwendigen Bedürfnisse herbeiführten und die
Eisenfabrikate, welche meistens in Nägeln bestanden, aufkauften. Diese
wurden alsdann auf der Wolga nach einem groſsen Teil des russischen
Reiches verfahren.

Norberg1) giebt von einem solchen russischen Blaseofen, den
er gesehen hatte, folgende Beschreibung. Er war von der Form
9 Fuſs hoch, vor der Form 21 bis 22 Zoll im Gevierte weit; der

1) Norberg, a. a. O., S. 28.
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[660/0674] Luppenfeuer. traf. Das Formmaul war oval, 24 auf 18 Linien. Das obere Loch der Schlackenseite lag 8 Zoll unter der Eſsbank. Der Herd wurde aus Gestübbe geschlagen, so daſs er den Boden 13 Zoll bedeckte. Man machte in 24 Stunden fünf Luppen, durchschnittlich zu 215 Pfund, wozu jedesmal 5 Ctr. Erz aufgegeben wurden. Bei gutem Gang erhielt man 35 Luppen oder 84 Ctr. Eisen in der Woche. Auf eine Luppe verbrannte man 6½ Last (charge) Kohlen. Eine Last wog 140 Pfund und kostete bis zu 40 Sols. 100 Pfund Eisen erforderten 27 Kubik- fuſs Kohlen zur Schmelzung, während man in der Grafschaft Foix nur 20 Kubikfuſs brauchte. Bei einem Luppenfeuer waren fünf Arbeiter beschäftigt, von denen die vier ersten 25 Sols für den Centner Eisen bekamen, der Meister 7, jeder der drei anderen 6 Sols. Der Erzfahrer (piquemine oder Miala) erhielt 30 Livres den Monat. Auſserdem gab es zwei Erzröster, welche 6 Pfennige für den Centner rohes Erz erhielten. Im ganzen stellten sich die Fabrikationskosten auf 30 Sols für den Centner. Die Erze kosteten 15 bis 16 Sols pro Centner. Das Eisen war sehr gut und fand willige Abnehmer zu 18 Livres der Centner. In Ruſsland waren vordem die niedrigen Bauernöfen oder Blase- öfen, in welchen aus Sumpferzen unmittelbar geschmeidiges Eisen erblasen wurde, allgemein im Gebrauch. Vor der Teilung Polens (1772) gab es noch über 300 solcher Öfen in Ruſsland. Am längsten erhielten sie sich in dem Nowgorodschen Bauernbergrevier. Dort waren alle Männer geborene Schmiede, welche jede freie Zeit, die der Landbau übrig lieſs, in der Schmiede zubrachten. Dabei bestand eine her- gebrachte Arbeitsteilung: Schmelzer, Stahlmacher, Zeugschmiede und Nagelschmiede waren getrennte Gewerbe. Ja, ein Nagelschmied, der grobe Nagelsorten schmiedete, machte keine feine und umgekehrt. Ein- oder zweimal im Monat trafen sich die Arbeiter mit ihren Pro- dukten auf gewissen Märkten, wo sie voneinander kauften und tauschten und wobei die Zwischenhändler von der benachbarten Stadt Ustjuschna Rhelesopolski die notwendigen Bedürfnisse herbeiführten und die Eisenfabrikate, welche meistens in Nägeln bestanden, aufkauften. Diese wurden alsdann auf der Wolga nach einem groſsen Teil des russischen Reiches verfahren. Norberg 1) giebt von einem solchen russischen Blaseofen, den er gesehen hatte, folgende Beschreibung. Er war von der Form 9 Fuſs hoch, vor der Form 21 bis 22 Zoll im Gevierte weit; der 1) Norberg, a. a. O., S. 28.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/674>, abgerufen am 25.11.2024.