Gehen wir noch auf die Herstellung und Konstruktion der Walzen etwas näher ein, so haben wir zunächst das Material ins Auge zu fassen. Die kleinen Walzen in den Münzen, die der Gold- schläger u. s. w., wurden früher geschmiedet und dann durch Einsatz- härtung verstählt. Im vorigen Jahrhundert ging man dazu über, sie aus raffiniertem Cementstahl oder aus Gussstahl zu machen. Berühmt waren gegen Ende des Jahrhunderts die aus Gärbstahl bereiteten Walzen von Souppes in Frankreich 1). Man nahm dazu Cementstahl aus schwedischem Eisen entweder für sich allein oder mit französi- schem Luppenstahl (acier du pays), legte die Stäbe in Lagen kreuz- weise übereinander und gärbte sie in einem Gärbherd mit Steinkohlen- feuer. Das Gärben wurde mehrere Male wiederholt. Alsdann schweisste man den Gärbstahl um eine vorgeschmiedete schmiedeeiserne Welle zu einer Walze aus. Diese wurde abgedreht und bekam zum Schluss noch eine Oberflächenhärtung.
Noch vorzüglicher waren schon damals die englischen Guss- stahlwalzen. Es gab nur eine Fabrik, welche diese anfertigte. Dieses geschah in der Weise, dass man Stahl um einen Kern von Eisen goss. Dazu bediente man sich einer gusseisernen Form, die unten eine Vertiefung hatte, in welche der Kern hineinpasste. Das Eisen wurde weisswarm in die Form eingesetzt und dann der Stahl darum gegossen. Nach dem Abkühlen war Stahl und Eisen auf das innigste verbunden. Das Hämmern der Walze geschah unter einem besonderen Reckhammer und das Abdrehen mittels eines eigenen Drehwerks. Zum Härten wurde die Walze in eine passende Büchse von Blech, welche mit Kohlenstaub gefüllt war, eingesetzt, um die Oberfläche zu schonen. Nach dem Herausnehmen wurde sie unter einem Wasserhahn langsam gehärtet und dann ganz in Wasser getaucht. Hierauf folgte noch das Polieren mit Schmirgel und Öl und dann mit Kolkothar auf einer Polierscheibe von Walnuss- oder Erlenholz. Diese Gussstahlwalzen dienten meist nur zum Glätten von Uhrfedern u. dergl. Sonst bediente man sich im Eisengewerbe geschmiedeter Walzen, denen man eine Einsatzhärtung gab oder, und das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits der herrschende Gebrauch geworden, gusseiserner Walzen.
Hierfür nahm man halbiertes Eisen und befolgte die Vorschriften Polhems (S. 248). Bei dem Einformen verfuhr man ganz ähnlich
1) Samlingar i Bergsvettenskapen, af Svedenstjerna och Lidbeck, I, H. 2, p. 93. Om Stalgarfningen vid Suppes i Frankrike etc. (v. Svedenstjerna).
Beck, Geschichte des Eisens. 38
Walzwerke. Scheren.
Gehen wir noch auf die Herstellung und Konstruktion der Walzen etwas näher ein, so haben wir zunächst das Material ins Auge zu fassen. Die kleinen Walzen in den Münzen, die der Gold- schläger u. s. w., wurden früher geschmiedet und dann durch Einsatz- härtung verstählt. Im vorigen Jahrhundert ging man dazu über, sie aus raffiniertem Cementstahl oder aus Guſsstahl zu machen. Berühmt waren gegen Ende des Jahrhunderts die aus Gärbstahl bereiteten Walzen von Souppes in Frankreich 1). Man nahm dazu Cementstahl aus schwedischem Eisen entweder für sich allein oder mit französi- schem Luppenstahl (acier du pays), legte die Stäbe in Lagen kreuz- weise übereinander und gärbte sie in einem Gärbherd mit Steinkohlen- feuer. Das Gärben wurde mehrere Male wiederholt. Alsdann schweiſste man den Gärbstahl um eine vorgeschmiedete schmiedeeiserne Welle zu einer Walze aus. Diese wurde abgedreht und bekam zum Schluſs noch eine Oberflächenhärtung.
Noch vorzüglicher waren schon damals die englischen Guſs- stahlwalzen. Es gab nur eine Fabrik, welche diese anfertigte. Dieses geschah in der Weise, daſs man Stahl um einen Kern von Eisen goſs. Dazu bediente man sich einer guſseisernen Form, die unten eine Vertiefung hatte, in welche der Kern hineinpaſste. Das Eisen wurde weiſswarm in die Form eingesetzt und dann der Stahl darum gegossen. Nach dem Abkühlen war Stahl und Eisen auf das innigste verbunden. Das Hämmern der Walze geschah unter einem besonderen Reckhammer und das Abdrehen mittels eines eigenen Drehwerks. Zum Härten wurde die Walze in eine passende Büchse von Blech, welche mit Kohlenstaub gefüllt war, eingesetzt, um die Oberfläche zu schonen. Nach dem Herausnehmen wurde sie unter einem Wasserhahn langsam gehärtet und dann ganz in Wasser getaucht. Hierauf folgte noch das Polieren mit Schmirgel und Öl und dann mit Kolkothar auf einer Polierscheibe von Walnuſs- oder Erlenholz. Diese Guſsstahlwalzen dienten meist nur zum Glätten von Uhrfedern u. dergl. Sonst bediente man sich im Eisengewerbe geschmiedeter Walzen, denen man eine Einsatzhärtung gab oder, und das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits der herrschende Gebrauch geworden, guſseiserner Walzen.
Hierfür nahm man halbiertes Eisen und befolgte die Vorschriften Polhems (S. 248). Bei dem Einformen verfuhr man ganz ähnlich
1) Samlingar i Bergsvettenskapen, af Svedenstjerna och Lidbeck, I, H. 2, p. 93. Om Stålgarfningen vid Suppes i Frankrike etc. (v. Svedenstjerna).
Beck, Geschichte des Eisens. 38
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Walzwerke. Scheren.
Gehen wir noch auf die Herstellung und Konstruktion der
Walzen etwas näher ein, so haben wir zunächst das Material ins
Auge zu fassen. Die kleinen Walzen in den Münzen, die der Gold-
schläger u. s. w., wurden früher geschmiedet und dann durch Einsatz-
härtung verstählt. Im vorigen Jahrhundert ging man dazu über, sie
aus raffiniertem Cementstahl oder aus Guſsstahl zu machen. Berühmt
waren gegen Ende des Jahrhunderts die aus Gärbstahl bereiteten
Walzen von Souppes in Frankreich 1). Man nahm dazu Cementstahl
aus schwedischem Eisen entweder für sich allein oder mit französi-
schem Luppenstahl (acier du pays), legte die Stäbe in Lagen kreuz-
weise übereinander und gärbte sie in einem Gärbherd mit Steinkohlen-
feuer. Das Gärben wurde mehrere Male wiederholt. Alsdann schweiſste
man den Gärbstahl um eine vorgeschmiedete schmiedeeiserne Welle
zu einer Walze aus. Diese wurde abgedreht und bekam zum Schluſs
noch eine Oberflächenhärtung.
Noch vorzüglicher waren schon damals die englischen Guſs-
stahlwalzen. Es gab nur eine Fabrik, welche diese anfertigte.
Dieses geschah in der Weise, daſs man Stahl um einen Kern von
Eisen goſs. Dazu bediente man sich einer guſseisernen Form, die
unten eine Vertiefung hatte, in welche der Kern hineinpaſste. Das
Eisen wurde weiſswarm in die Form eingesetzt und dann der Stahl
darum gegossen. Nach dem Abkühlen war Stahl und Eisen auf das
innigste verbunden. Das Hämmern der Walze geschah unter einem
besonderen Reckhammer und das Abdrehen mittels eines eigenen
Drehwerks. Zum Härten wurde die Walze in eine passende Büchse
von Blech, welche mit Kohlenstaub gefüllt war, eingesetzt, um die
Oberfläche zu schonen. Nach dem Herausnehmen wurde sie unter
einem Wasserhahn langsam gehärtet und dann ganz in Wasser
getaucht. Hierauf folgte noch das Polieren mit Schmirgel und Öl
und dann mit Kolkothar auf einer Polierscheibe von Walnuſs- oder
Erlenholz. Diese Guſsstahlwalzen dienten meist nur zum Glätten
von Uhrfedern u. dergl. Sonst bediente man sich im Eisengewerbe
geschmiedeter Walzen, denen man eine Einsatzhärtung gab oder, und
das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits der
herrschende Gebrauch geworden, guſseiserner Walzen.
Hierfür nahm man halbiertes Eisen und befolgte die Vorschriften
Polhems (S. 248). Bei dem Einformen verfuhr man ganz ähnlich
1) Samlingar i Bergsvettenskapen, af Svedenstjerna och Lidbeck, I, H. 2,
p. 93. Om Stålgarfningen vid Suppes i Frankrike etc. (v. Svedenstjerna).
Beck, Geschichte des Eisens. 38
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/607>, abgerufen am 22.11.2024.
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