erfundenen Holzbälge bei den Hochöfen hauptsächlich in Gebrauch. Auch behaupteten dieselben die Herrschaft während des ganzen 18. Jahrhunderts. Lederbälge waren nur noch in einigen Gegenden beim Hochofenbetrieb üblich; so hielt man z. B. im Siegerland an denselben fest, weil man sie angeblich rascher treiben konnte. Bei Frischfeuern waren sie mehr in Anwendung. Über die Konstruktion der Holzblasebälge haben wir bereits berichtet (Bd. II, S. 938). Nach der älteren, allgemein gebräuchlichen Konstruktion bewegte sich der Oberkasten um die feststehende Fläche (Unterkasten). Da er nur beim Niedergang Wind ausströmte, so mussten immer zwei Bälge abwechselnd blasen, um eine fortwährende Luftzufuhr zu bewirken. Der Niedergang des Balges wurde dadurch bewirkt, dass Wellfüsse oder Kämme an der Wasserradwelle direkt auf eine Verlängerung des Balgendeckels, den Streichspan, drückten. Der Aufgang geschah durch Aufziehen durch ein Gegengewicht an einem Balancier oder der Wippe durch eine elastische Schwung- oder Balgenrute, welche durch ihre Federkraft wirkte, oder durch einen zweiarmigen Hebel, die Balgwage, welche durch Nuten beide Oberkasten so miteinander verband, dass, wenn der eine niedergedrückt wurde, die Wage den anderen in die Höhe zog. Diese ältere, im vorigen Jahrhundert allgemein verbreitete Konstruktion hatte unter anderen den Nachteil, dass der Beginn des Aufgangs des einen Balges genau mit dem Beginn des Niederganges des anderen zusammenfiel, wodurch ein Stossen des Windes herbeigeführt wurde, oder wie der Kunstausdruck lautete, die Bälge "horchten", d. h. setzten aus. Die Hochofenbälge am Harz waren mit dem Balgkopf 13 Fuss 6 Zoll lang, vorn oben 1 Fuss 6 Zoll, unten 1 Fuss 4 Zoll breit, hinten 3 Fuss 4 Zoll oben und 3 Fuss 21/2 Zoll unten breit, und vorn 71/4 Zoll, hinten 1 Fuss tief. Die Balgrute war eine gesunde Tanne von 48 Fuss Länge, am dünnen Ende 6 Zoll dick. Die Balgwelle war gewöhnlich 36 bis 40 Fuss lang und hatte da, wo die Däumlinge sassen, 14 Zoll Durchmesser. Ein solcher Balg presste bei jedem Niedergang 38 Kubikfuss Luft aus, hatte aber einen schädlichen Raum von 10 Kubikfuss. Letzteren suchte man in der Folge dadurch zu vermindern, dass man in den Boden oder Unterkasten ein zulaufendes Brett, dessen dünnes Ende am Balgkopf lag, einlegte 1); dadurch wurde der schädliche Raum auf die Hälfte reduziert. Je mehr man danach trachtete, die Pro- duktion zu vergrössern, je mehr vergrösserte man die Blasebälge. Dies
1) Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, §. 253.
35*
Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
erfundenen Holzbälge bei den Hochöfen hauptsächlich in Gebrauch. Auch behaupteten dieselben die Herrschaft während des ganzen 18. Jahrhunderts. Lederbälge waren nur noch in einigen Gegenden beim Hochofenbetrieb üblich; so hielt man z. B. im Siegerland an denselben fest, weil man sie angeblich rascher treiben konnte. Bei Frischfeuern waren sie mehr in Anwendung. Über die Konstruktion der Holzblasebälge haben wir bereits berichtet (Bd. II, S. 938). Nach der älteren, allgemein gebräuchlichen Konstruktion bewegte sich der Oberkasten um die feststehende Fläche (Unterkasten). Da er nur beim Niedergang Wind ausströmte, so muſsten immer zwei Bälge abwechselnd blasen, um eine fortwährende Luftzufuhr zu bewirken. Der Niedergang des Balges wurde dadurch bewirkt, daſs Wellfüſse oder Kämme an der Wasserradwelle direkt auf eine Verlängerung des Balgendeckels, den Streichspan, drückten. Der Aufgang geschah durch Aufziehen durch ein Gegengewicht an einem Balancier oder der Wippe durch eine elastische Schwung- oder Balgenrute, welche durch ihre Federkraft wirkte, oder durch einen zweiarmigen Hebel, die Balgwage, welche durch Nuten beide Oberkasten so miteinander verband, daſs, wenn der eine niedergedrückt wurde, die Wage den anderen in die Höhe zog. Diese ältere, im vorigen Jahrhundert allgemein verbreitete Konstruktion hatte unter anderen den Nachteil, daſs der Beginn des Aufgangs des einen Balges genau mit dem Beginn des Niederganges des anderen zusammenfiel, wodurch ein Stoſsen des Windes herbeigeführt wurde, oder wie der Kunstausdruck lautete, die Bälge „horchten“, d. h. setzten aus. Die Hochofenbälge am Harz waren mit dem Balgkopf 13 Fuſs 6 Zoll lang, vorn oben 1 Fuſs 6 Zoll, unten 1 Fuſs 4 Zoll breit, hinten 3 Fuſs 4 Zoll oben und 3 Fuſs 2½ Zoll unten breit, und vorn 7¼ Zoll, hinten 1 Fuſs tief. Die Balgrute war eine gesunde Tanne von 48 Fuſs Länge, am dünnen Ende 6 Zoll dick. Die Balgwelle war gewöhnlich 36 bis 40 Fuſs lang und hatte da, wo die Däumlinge saſsen, 14 Zoll Durchmesser. Ein solcher Balg preſste bei jedem Niedergang 38 Kubikfuſs Luft aus, hatte aber einen schädlichen Raum von 10 Kubikfuſs. Letzteren suchte man in der Folge dadurch zu vermindern, daſs man in den Boden oder Unterkasten ein zulaufendes Brett, dessen dünnes Ende am Balgkopf lag, einlegte 1); dadurch wurde der schädliche Raum auf die Hälfte reduziert. Je mehr man danach trachtete, die Pro- duktion zu vergröſsern, je mehr vergröſserte man die Blasebälge. Dies
1) Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, §. 253.
35*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0561"n="547"/><fwplace="top"type="header">Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.</fw><lb/>
erfundenen Holzbälge bei den Hochöfen hauptsächlich in Gebrauch.<lb/>
Auch behaupteten dieselben die Herrschaft während des ganzen<lb/>
18. Jahrhunderts. Lederbälge waren nur noch in einigen Gegenden<lb/>
beim Hochofenbetrieb üblich; so hielt man z. B. im Siegerland an<lb/>
denselben fest, weil man sie angeblich rascher treiben konnte. Bei<lb/>
Frischfeuern waren sie mehr in Anwendung. Über die Konstruktion<lb/>
der Holzblasebälge haben wir bereits berichtet (Bd. II, S. 938). Nach<lb/>
der älteren, allgemein gebräuchlichen Konstruktion bewegte sich der<lb/>
Oberkasten um die feststehende Fläche (Unterkasten). Da er nur<lb/>
beim Niedergang Wind ausströmte, so muſsten immer zwei Bälge<lb/>
abwechselnd blasen, um eine fortwährende Luftzufuhr zu bewirken.<lb/>
Der Niedergang des Balges wurde dadurch bewirkt, daſs Wellfüſse<lb/>
oder Kämme an der Wasserradwelle direkt auf eine Verlängerung<lb/>
des Balgendeckels, den Streichspan, drückten. Der Aufgang geschah<lb/>
durch Aufziehen durch ein Gegengewicht an einem Balancier oder<lb/>
der Wippe durch eine elastische Schwung- oder Balgenrute, welche<lb/>
durch ihre Federkraft wirkte, oder durch einen zweiarmigen Hebel,<lb/>
die Balgwage, welche durch Nuten beide Oberkasten so miteinander<lb/>
verband, daſs, wenn der eine niedergedrückt wurde, die Wage den<lb/>
anderen in die Höhe zog. Diese ältere, im vorigen Jahrhundert<lb/>
allgemein verbreitete Konstruktion hatte unter anderen den Nachteil,<lb/>
daſs der Beginn des Aufgangs des einen Balges genau mit dem Beginn<lb/>
des Niederganges des anderen zusammenfiel, wodurch ein Stoſsen des<lb/>
Windes herbeigeführt wurde, oder wie der Kunstausdruck lautete, die<lb/>
Bälge „horchten“, d. h. setzten aus. Die Hochofenbälge am Harz<lb/>
waren mit dem Balgkopf 13 Fuſs 6 Zoll lang, vorn oben 1 Fuſs<lb/>
6 Zoll, unten 1 Fuſs 4 Zoll breit, hinten 3 Fuſs 4 Zoll oben und<lb/>
3 Fuſs 2½ Zoll unten breit, und vorn 7¼ Zoll, hinten 1 Fuſs tief.<lb/>
Die Balgrute war eine gesunde Tanne von 48 Fuſs Länge, am dünnen<lb/>
Ende 6 Zoll dick. Die Balgwelle war gewöhnlich 36 bis 40 Fuſs lang<lb/>
und hatte da, wo die Däumlinge saſsen, 14 Zoll Durchmesser. Ein<lb/>
solcher Balg preſste bei jedem Niedergang 38 Kubikfuſs Luft aus,<lb/>
hatte aber einen schädlichen Raum von 10 Kubikfuſs. Letzteren<lb/>
suchte man in der Folge dadurch zu vermindern, daſs man in den<lb/>
Boden oder Unterkasten ein zulaufendes Brett, dessen dünnes Ende<lb/>
am Balgkopf lag, einlegte <noteplace="foot"n="1)">Siehe <hirendition="#g">Tiemann</hi>, Eisenhüttenkunde, §. 253.</note>; dadurch wurde der schädliche Raum<lb/>
auf die Hälfte reduziert. Je mehr man danach trachtete, die Pro-<lb/>
duktion zu vergröſsern, je mehr vergröſserte man die Blasebälge. Dies<lb/><fwplace="bottom"type="sig">35*</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[547/0561]
Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
erfundenen Holzbälge bei den Hochöfen hauptsächlich in Gebrauch.
Auch behaupteten dieselben die Herrschaft während des ganzen
18. Jahrhunderts. Lederbälge waren nur noch in einigen Gegenden
beim Hochofenbetrieb üblich; so hielt man z. B. im Siegerland an
denselben fest, weil man sie angeblich rascher treiben konnte. Bei
Frischfeuern waren sie mehr in Anwendung. Über die Konstruktion
der Holzblasebälge haben wir bereits berichtet (Bd. II, S. 938). Nach
der älteren, allgemein gebräuchlichen Konstruktion bewegte sich der
Oberkasten um die feststehende Fläche (Unterkasten). Da er nur
beim Niedergang Wind ausströmte, so muſsten immer zwei Bälge
abwechselnd blasen, um eine fortwährende Luftzufuhr zu bewirken.
Der Niedergang des Balges wurde dadurch bewirkt, daſs Wellfüſse
oder Kämme an der Wasserradwelle direkt auf eine Verlängerung
des Balgendeckels, den Streichspan, drückten. Der Aufgang geschah
durch Aufziehen durch ein Gegengewicht an einem Balancier oder
der Wippe durch eine elastische Schwung- oder Balgenrute, welche
durch ihre Federkraft wirkte, oder durch einen zweiarmigen Hebel,
die Balgwage, welche durch Nuten beide Oberkasten so miteinander
verband, daſs, wenn der eine niedergedrückt wurde, die Wage den
anderen in die Höhe zog. Diese ältere, im vorigen Jahrhundert
allgemein verbreitete Konstruktion hatte unter anderen den Nachteil,
daſs der Beginn des Aufgangs des einen Balges genau mit dem Beginn
des Niederganges des anderen zusammenfiel, wodurch ein Stoſsen des
Windes herbeigeführt wurde, oder wie der Kunstausdruck lautete, die
Bälge „horchten“, d. h. setzten aus. Die Hochofenbälge am Harz
waren mit dem Balgkopf 13 Fuſs 6 Zoll lang, vorn oben 1 Fuſs
6 Zoll, unten 1 Fuſs 4 Zoll breit, hinten 3 Fuſs 4 Zoll oben und
3 Fuſs 2½ Zoll unten breit, und vorn 7¼ Zoll, hinten 1 Fuſs tief.
Die Balgrute war eine gesunde Tanne von 48 Fuſs Länge, am dünnen
Ende 6 Zoll dick. Die Balgwelle war gewöhnlich 36 bis 40 Fuſs lang
und hatte da, wo die Däumlinge saſsen, 14 Zoll Durchmesser. Ein
solcher Balg preſste bei jedem Niedergang 38 Kubikfuſs Luft aus,
hatte aber einen schädlichen Raum von 10 Kubikfuſs. Letzteren
suchte man in der Folge dadurch zu vermindern, daſs man in den
Boden oder Unterkasten ein zulaufendes Brett, dessen dünnes Ende
am Balgkopf lag, einlegte 1); dadurch wurde der schädliche Raum
auf die Hälfte reduziert. Je mehr man danach trachtete, die Pro-
duktion zu vergröſsern, je mehr vergröſserte man die Blasebälge. Dies
1) Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, §. 253.
35*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/561>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.