erforschen, so ist es uns fast unverständlich, wie der klar blickende Mann doch noch an der Phlogistontheorie festhalten konnte, auch noch zu einer Zeit, wo die neue Lehre vom Sauerstoff schon laut verkündigt wurde. -- Dabei ging er in seinem analytischen Bestreben so weit, sich zu bemühen, das Phlogiston selbst quantitativ zu bestimmen. Er ging dabei von der Erscheinung der Metallfällung aus 1) und nahm an, dass das fällende Metall sein Phlogiston abgiebt an den Metallkalk, der in einer Säure aufgelöst ist, so dass die Menge des fällenden Metalles, welches sich auflöst, gerade soviel Phlogiston abgiebt, als die Menge des gefällt werdenden zur Existenz im reguli- nischen Zustande nötig hat. Er suchte nun zu bestimmen, wie viel von einem Metall eine gewisse Menge eines andern aus seiner Auf- lösung in regulinischem Zustande ausfällt; er erhielt so diejenigen relativen Mengen zweier Metalle, in welchen seiner Ansicht nach gleich viel Phlogiston enthalten war und durch fortgesetztes Ver- gleichen suchte er die meisten Metalle nach der Grösse ihres Gehalts an Phlogiston zu ordnen.
Es ist dies ein glänzendes Beispiel, wie die irrige Lehre vom Phlogiston der richtigen Naturbeobachtung selbst nicht im Wege stand, denn ganz denselben Weg schlugen später die Chemiker ein, um das Umgekehrte nachzuweisen, nämlich das Verhältnis, in welchem sich die einzelnen Metalle mit dem Sauerstoff zu Metallkalken ver- binden.
Ein treuer, hochbegabter Arbeitsgenosse Bergmans auf dem Felde der Chemie war Carl Wilhelm Scheele, der 1742 als Sohn eines Kaufmanns in Stralsund geboren war. Seine Begabung zeigte sich erst, nachdem er 1757 als Lehrling in eine Apotheke zu Gothen- burg eingetreten war. Von da ab wendete er allen Fleiss und alle Mühe auf, um sich in der Scheidekunst zu vervollkommnen. Er kam 1773 als Apothekergehülfe nach Upsala und hier wurde Berg- man zuerst auf ihn aufmerksam. Der einfache Apothekergehülfe war aber gar nicht versessen auf die Bekanntschaft des weltberühmten Professors und lehnte dessen Einladung schroff ab. Er hegte nämlich einen leicht erklärlichen Groll gegen Bergman. Ende der 60 er Jahre hatte er eine Arbeit über Weinsäure und ihre Verbindungen an Bergman geschickt, von welcher dieser aber gar keine Notiz genommen hatte. Scheele musste die ganze Arbeit umschreiben und schickte sie an den Adjunkten der Akademie, Retzius, welcher dieselbe aller-
1) Siehe Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 253.
Chemie des Eisens.
erforschen, so ist es uns fast unverständlich, wie der klar blickende Mann doch noch an der Phlogistontheorie festhalten konnte, auch noch zu einer Zeit, wo die neue Lehre vom Sauerstoff schon laut verkündigt wurde. — Dabei ging er in seinem analytischen Bestreben so weit, sich zu bemühen, das Phlogiston selbst quantitativ zu bestimmen. Er ging dabei von der Erscheinung der Metallfällung aus 1) und nahm an, daſs das fällende Metall sein Phlogiston abgiebt an den Metallkalk, der in einer Säure aufgelöst ist, so daſs die Menge des fällenden Metalles, welches sich auflöst, gerade soviel Phlogiston abgiebt, als die Menge des gefällt werdenden zur Existenz im reguli- nischen Zustande nötig hat. Er suchte nun zu bestimmen, wie viel von einem Metall eine gewisse Menge eines andern aus seiner Auf- lösung in regulinischem Zustande ausfällt; er erhielt so diejenigen relativen Mengen zweier Metalle, in welchen seiner Ansicht nach gleich viel Phlogiston enthalten war und durch fortgesetztes Ver- gleichen suchte er die meisten Metalle nach der Gröſse ihres Gehalts an Phlogiston zu ordnen.
Es ist dies ein glänzendes Beispiel, wie die irrige Lehre vom Phlogiston der richtigen Naturbeobachtung selbst nicht im Wege stand, denn ganz denselben Weg schlugen später die Chemiker ein, um das Umgekehrte nachzuweisen, nämlich das Verhältnis, in welchem sich die einzelnen Metalle mit dem Sauerstoff zu Metallkalken ver- binden.
Ein treuer, hochbegabter Arbeitsgenosse Bergmans auf dem Felde der Chemie war Carl Wilhelm Scheele, der 1742 als Sohn eines Kaufmanns in Stralsund geboren war. Seine Begabung zeigte sich erst, nachdem er 1757 als Lehrling in eine Apotheke zu Gothen- burg eingetreten war. Von da ab wendete er allen Fleiſs und alle Mühe auf, um sich in der Scheidekunst zu vervollkommnen. Er kam 1773 als Apothekergehülfe nach Upsala und hier wurde Berg- man zuerst auf ihn aufmerksam. Der einfache Apothekergehülfe war aber gar nicht versessen auf die Bekanntschaft des weltberühmten Professors und lehnte dessen Einladung schroff ab. Er hegte nämlich einen leicht erklärlichen Groll gegen Bergman. Ende der 60 er Jahre hatte er eine Arbeit über Weinsäure und ihre Verbindungen an Bergman geschickt, von welcher dieser aber gar keine Notiz genommen hatte. Scheele muſste die ganze Arbeit umschreiben und schickte sie an den Adjunkten der Akademie, Retzius, welcher dieselbe aller-
1) Siehe Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 253.
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Chemie des Eisens.
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noch zu einer Zeit, wo die neue Lehre vom Sauerstoff schon
laut verkündigt wurde. — Dabei ging er in seinem analytischen
Bestreben so weit, sich zu bemühen, das Phlogiston selbst quantitativ
zu bestimmen. Er ging dabei von der Erscheinung der Metallfällung
aus 1) und nahm an, daſs das fällende Metall sein Phlogiston abgiebt
an den Metallkalk, der in einer Säure aufgelöst ist, so daſs die Menge
des fällenden Metalles, welches sich auflöst, gerade soviel Phlogiston
abgiebt, als die Menge des gefällt werdenden zur Existenz im reguli-
nischen Zustande nötig hat. Er suchte nun zu bestimmen, wie viel
von einem Metall eine gewisse Menge eines andern aus seiner Auf-
lösung in regulinischem Zustande ausfällt; er erhielt so diejenigen
relativen Mengen zweier Metalle, in welchen seiner Ansicht nach
gleich viel Phlogiston enthalten war und durch fortgesetztes Ver-
gleichen suchte er die meisten Metalle nach der Gröſse ihres Gehalts
an Phlogiston zu ordnen.
Es ist dies ein glänzendes Beispiel, wie die irrige Lehre vom
Phlogiston der richtigen Naturbeobachtung selbst nicht im Wege
stand, denn ganz denselben Weg schlugen später die Chemiker ein,
um das Umgekehrte nachzuweisen, nämlich das Verhältnis, in welchem
sich die einzelnen Metalle mit dem Sauerstoff zu Metallkalken ver-
binden.
Ein treuer, hochbegabter Arbeitsgenosse Bergmans auf dem
Felde der Chemie war Carl Wilhelm Scheele, der 1742 als Sohn
eines Kaufmanns in Stralsund geboren war. Seine Begabung zeigte
sich erst, nachdem er 1757 als Lehrling in eine Apotheke zu Gothen-
burg eingetreten war. Von da ab wendete er allen Fleiſs und
alle Mühe auf, um sich in der Scheidekunst zu vervollkommnen. Er
kam 1773 als Apothekergehülfe nach Upsala und hier wurde Berg-
man zuerst auf ihn aufmerksam. Der einfache Apothekergehülfe war
aber gar nicht versessen auf die Bekanntschaft des weltberühmten
Professors und lehnte dessen Einladung schroff ab. Er hegte nämlich
einen leicht erklärlichen Groll gegen Bergman. Ende der 60 er Jahre
hatte er eine Arbeit über Weinsäure und ihre Verbindungen an
Bergman geschickt, von welcher dieser aber gar keine Notiz genommen
hatte. Scheele muſste die ganze Arbeit umschreiben und schickte
sie an den Adjunkten der Akademie, Retzius, welcher dieselbe aller-
1) Siehe Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 253.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/506>, abgerufen am 22.11.2024.
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