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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Eisengiesserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
de la Marine) ernannte, in welcher Stellung er auch die Qualität des
Gusseisens zu prüfen und darüber zu bestimmen hatte. Die Geschütze
wurden bekanntlich damals alle aus dem Hochofen gegossen. Man
hatte es bis dahin sorgfältig vermieden, aus dem in den ersten Tagen
nach dem Anblasen gewöhnlich fallenden, mit Graphit überladenen
Roheisen, dem fonte bourrue, Kanonen zu giessen, dieselben vielmehr
aus dem dichtgrauen, festen Eisen, wie es bei vollem Erzsatz fiel
("fonte qui a tous sa mine"), gegossen. Nun brauchte aber Maritz,
der unter Zustimmung des Ministers seine Drehbänke für Bronze-
geschütze in allen Kanonengiessereien des Landes einführte und die
Kanonen nicht nur ausbohrte, sondern auch von aussen abdrehte,
einen sehr weichen Guss, was ja nicht schwer zu erreichen war durch
Verminderung des Erzsatzes bei der Gicht. Dieser weiche Guss war
aber auch sehr porös, infolge dessen viele eiserne Geschütze nach
kurzem Gebrauch unbrauchbar wurden, zum grossen Nachteil der
Marine. Montalembert führt deshalb mit Recht aus, dass weiches
Eisen nicht immer gutes Eisen sei, ein Irrtum des Publikums, der
von Schmiedeeisen hergenommen sei, wo die Bezeichnungen weich
und gut fast identisch seien. Ganz anders verhalte sich dies aber
beim Gusseisen, das einen grossen Widerstand, namentlich wie bei
den Geschützen, den Widerstand gegen die Pulvergase auszuhalten
habe, da sei nicht das weichste das beste, sondern das festeste.
Das feste Eisen sei aber schwerer als das schwammige, dunkle (tres
poreuse, tres brune et tres tendre) und so könne das spezifische
Gewicht
den besten Massstab für die Brauchbarkeit des Eisens zum
Geschützguss abgeben. In diesem Sinne machte Montalembert
Versuche und fand, dass das spezifische Gewicht des weichsten,
porösesten Gusses 7,098, das von mittlerer Dichte 7,237 und des
dichtesten und härtesten 7,473 betrüge, demnach wog der Kubik-
fuss 497 bis 507 und 524 Pfund. Hiernach liessen sich leicht,
wenn man erst durch Versuche festgestellt hätte, welches Eisen am
haltbarsten und geeignetsten für die Geschütze sei, Gewichtsgrenzen
festsetzen, welche das massive Geschützrohr haben müsse, um von der
Regierung als tauglich angenommen zu werden.

Montalembert gebührt der Ruhm, das Bohren der gusseisernen
Kanonen aus dem Vollen zuerst eingeführt zu haben, und was er über
das Material gesagt hat, dass ein feinkörniges oder halbiertes Eisen
dem grossblätterigen grauen Eisen vorzuziehen sei, hat die Praxis des
folgenden Jahrhunderts bestätigt. Montalembert verwarf auch
das von Maritz eingeführte Abdrehen der Geschütze, da die Giess-

Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
de la Marine) ernannte, in welcher Stellung er auch die Qualität des
Guſseisens zu prüfen und darüber zu bestimmen hatte. Die Geschütze
wurden bekanntlich damals alle aus dem Hochofen gegossen. Man
hatte es bis dahin sorgfältig vermieden, aus dem in den ersten Tagen
nach dem Anblasen gewöhnlich fallenden, mit Graphit überladenen
Roheisen, dem fonte bourrue, Kanonen zu gieſsen, dieselben vielmehr
aus dem dichtgrauen, festen Eisen, wie es bei vollem Erzsatz fiel
(„fonte qui à tous sa mine“), gegossen. Nun brauchte aber Maritz,
der unter Zustimmung des Ministers seine Drehbänke für Bronze-
geschütze in allen Kanonengieſsereien des Landes einführte und die
Kanonen nicht nur ausbohrte, sondern auch von aussen abdrehte,
einen sehr weichen Guſs, was ja nicht schwer zu erreichen war durch
Verminderung des Erzsatzes bei der Gicht. Dieser weiche Guſs war
aber auch sehr porös, infolge dessen viele eiserne Geschütze nach
kurzem Gebrauch unbrauchbar wurden, zum groſsen Nachteil der
Marine. Montalembert führt deshalb mit Recht aus, daſs weiches
Eisen nicht immer gutes Eisen sei, ein Irrtum des Publikums, der
von Schmiedeeisen hergenommen sei, wo die Bezeichnungen weich
und gut fast identisch seien. Ganz anders verhalte sich dies aber
beim Guſseisen, das einen groſsen Widerstand, namentlich wie bei
den Geschützen, den Widerstand gegen die Pulvergase auszuhalten
habe, da sei nicht das weichste das beste, sondern das festeste.
Das feste Eisen sei aber schwerer als das schwammige, dunkle (très
poreuse, très brune et très tendre) und so könne das spezifische
Gewicht
den besten Maſsstab für die Brauchbarkeit des Eisens zum
Geschützguſs abgeben. In diesem Sinne machte Montalembert
Versuche und fand, daſs das spezifische Gewicht des weichsten,
porösesten Gusses 7,098, das von mittlerer Dichte 7,237 und des
dichtesten und härtesten 7,473 betrüge, demnach wog der Kubik-
fuſs 497 bis 507 und 524 Pfund. Hiernach lieſsen sich leicht,
wenn man erst durch Versuche festgestellt hätte, welches Eisen am
haltbarsten und geeignetsten für die Geschütze sei, Gewichtsgrenzen
festsetzen, welche das massive Geschützrohr haben müsse, um von der
Regierung als tauglich angenommen zu werden.

Montalembert gebührt der Ruhm, das Bohren der guſseisernen
Kanonen aus dem Vollen zuerst eingeführt zu haben, und was er über
das Material gesagt hat, daſs ein feinkörniges oder halbiertes Eisen
dem groſsblätterigen grauen Eisen vorzuziehen sei, hat die Praxis des
folgenden Jahrhunderts bestätigt. Montalembert verwarf auch
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[378/0392] Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts. de la Marine) ernannte, in welcher Stellung er auch die Qualität des Guſseisens zu prüfen und darüber zu bestimmen hatte. Die Geschütze wurden bekanntlich damals alle aus dem Hochofen gegossen. Man hatte es bis dahin sorgfältig vermieden, aus dem in den ersten Tagen nach dem Anblasen gewöhnlich fallenden, mit Graphit überladenen Roheisen, dem fonte bourrue, Kanonen zu gieſsen, dieselben vielmehr aus dem dichtgrauen, festen Eisen, wie es bei vollem Erzsatz fiel („fonte qui à tous sa mine“), gegossen. Nun brauchte aber Maritz, der unter Zustimmung des Ministers seine Drehbänke für Bronze- geschütze in allen Kanonengieſsereien des Landes einführte und die Kanonen nicht nur ausbohrte, sondern auch von aussen abdrehte, einen sehr weichen Guſs, was ja nicht schwer zu erreichen war durch Verminderung des Erzsatzes bei der Gicht. Dieser weiche Guſs war aber auch sehr porös, infolge dessen viele eiserne Geschütze nach kurzem Gebrauch unbrauchbar wurden, zum groſsen Nachteil der Marine. Montalembert führt deshalb mit Recht aus, daſs weiches Eisen nicht immer gutes Eisen sei, ein Irrtum des Publikums, der von Schmiedeeisen hergenommen sei, wo die Bezeichnungen weich und gut fast identisch seien. Ganz anders verhalte sich dies aber beim Guſseisen, das einen groſsen Widerstand, namentlich wie bei den Geschützen, den Widerstand gegen die Pulvergase auszuhalten habe, da sei nicht das weichste das beste, sondern das festeste. Das feste Eisen sei aber schwerer als das schwammige, dunkle (très poreuse, très brune et très tendre) und so könne das spezifische Gewicht den besten Maſsstab für die Brauchbarkeit des Eisens zum Geschützguſs abgeben. In diesem Sinne machte Montalembert Versuche und fand, daſs das spezifische Gewicht des weichsten, porösesten Gusses 7,098, das von mittlerer Dichte 7,237 und des dichtesten und härtesten 7,473 betrüge, demnach wog der Kubik- fuſs 497 bis 507 und 524 Pfund. Hiernach lieſsen sich leicht, wenn man erst durch Versuche festgestellt hätte, welches Eisen am haltbarsten und geeignetsten für die Geschütze sei, Gewichtsgrenzen festsetzen, welche das massive Geschützrohr haben müsse, um von der Regierung als tauglich angenommen zu werden. Montalembert gebührt der Ruhm, das Bohren der guſseisernen Kanonen aus dem Vollen zuerst eingeführt zu haben, und was er über das Material gesagt hat, daſs ein feinkörniges oder halbiertes Eisen dem groſsblätterigen grauen Eisen vorzuziehen sei, hat die Praxis des folgenden Jahrhunderts bestätigt. Montalembert verwarf auch das von Maritz eingeführte Abdrehen der Geschütze, da die Gieſs-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/392>, abgerufen am 23.11.2024.