folgenden Gicht ein ganzer Kübel Erz mehr und ein Fass Kohlen weniger aufgegeben. Wurde die Lehmform während der Arbeit durch die niedergehenden Gichten abgedrückt, oder vom Feuer verzehrt oder auch nur kürzer, so stiess man den alten Lehm heraus und bohrte eine neue Form an. Nur dann liess man dieselbe mit Vorsatz kürzer werden, wenn sich bei dem Krenn Ansätze von Eisen (sogenannter "Brand") angesetzt hatten, um diese wegzuschmelzen. Half dies noch nichts und fuhr das Eisen fort zur Form heraufzuwachsen, so musste man den "Sinter", d. h. die Schlacke, die sonst erst mit dem Eisen zugleich abgelassen wurde, abstechen, um durch die nachrückenden Kohlen dem Eisen wieder Wärme zuzuführen. -- War das Untergestell bis zur Form mit flüssiger Masse angefüllt, so wurde abgestochen. Es geschah dies in der Regel alle drei Stunden. Ebenso war das Auf- geben oder der Gichtenwechsel von dem Schmelzgang abhängig. Beides waren Arbeiten des "Pleyers" oder "Plaarers", wie er in Kärnten hiess. Beim Ablassen oder Stechen, das weder zu spät noch zu früh ge- schehen durfte, verfuhr er folgendermassen. Nachdem der flache "Tiegel" (das Flossenbett) gut und eben zubereitet worden, um die Flosse allenthalben gleich dick zu erhalten, wurde von dem "Müllner" der Gestübbebatzen oder -Klumpen und von dem "Grodler" (Gradler) die Sinterkrücke in Bereitschaft gehalten. Hierauf stiess der Plaarer mit der eisernen Stange unten am Schopp durch den Lehm und liess durch diese Öffnung, die weit genug geöffnet werden musste, um alles heraus zu lassen, Eisen und Schlacken in den Tiegel fliessen. Die Öffnung wurde sogleich mit dem Gestübbebatzen wieder zugemacht oder "verschoppt". Wenn sich nach einer Weile das Eisen und der Sinter geschieden hatten, wurde letzterer mit Wasser übergossen und hierauf mit der eisernen Krücke von der Flosse abgezogen. Die Flosse liess man 11/2 Stunden im Tiegel langsam auskühlen und hub sie mit Hilfe einer grossen eisernen Zange und eines besonders hierzu be- stimmten Ziehhaspels des "Flossenzugs" auf die Seite.
Beim Aufgeben war das Folgende besonders zu beachten: Man nahm nicht Kohlen von einer Sorte, sondern ein Gemisch von harten und weichen, von Buchen- und Fichtenkohlen. Buchene allein gaben "trockene" Flossen, weiche allein erzeugten keine genügende Hitze und grösseren Kohlenaufwand. Das Massverhältnis zwischen Erz und Kohle richtete sich nach der Eisensorte. Man unterschied haupt- sächlich "Weichfloss" und "Hartfloss". Die Bezeichnungen "weich" und "hart" rühren hierbei keineswegs davon her, dass das Roh- eisen weicher oder härter war, sondern dass dasselbe im Frischherd
Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
folgenden Gicht ein ganzer Kübel Erz mehr und ein Faſs Kohlen weniger aufgegeben. Wurde die Lehmform während der Arbeit durch die niedergehenden Gichten abgedrückt, oder vom Feuer verzehrt oder auch nur kürzer, so stieſs man den alten Lehm heraus und bohrte eine neue Form an. Nur dann lieſs man dieselbe mit Vorsatz kürzer werden, wenn sich bei dem Krenn Ansätze von Eisen (sogenannter „Brand“) angesetzt hatten, um diese wegzuschmelzen. Half dies noch nichts und fuhr das Eisen fort zur Form heraufzuwachsen, so muſste man den „Sinter“, d. h. die Schlacke, die sonst erst mit dem Eisen zugleich abgelassen wurde, abstechen, um durch die nachrückenden Kohlen dem Eisen wieder Wärme zuzuführen. — War das Untergestell bis zur Form mit flüssiger Masse angefüllt, so wurde abgestochen. Es geschah dies in der Regel alle drei Stunden. Ebenso war das Auf- geben oder der Gichtenwechsel von dem Schmelzgang abhängig. Beides waren Arbeiten des „Pleyers“ oder „Plaarers“, wie er in Kärnten hieſs. Beim Ablassen oder Stechen, das weder zu spät noch zu früh ge- schehen durfte, verfuhr er folgendermaſsen. Nachdem der flache „Tiegel“ (das Flossenbett) gut und eben zubereitet worden, um die Flosse allenthalben gleich dick zu erhalten, wurde von dem „Müllner“ der Gestübbebatzen oder -Klumpen und von dem „Grodler“ (Gradler) die Sinterkrücke in Bereitschaft gehalten. Hierauf stieſs der Plaarer mit der eisernen Stange unten am Schopp durch den Lehm und lieſs durch diese Öffnung, die weit genug geöffnet werden muſste, um alles heraus zu lassen, Eisen und Schlacken in den Tiegel flieſsen. Die Öffnung wurde sogleich mit dem Gestübbebatzen wieder zugemacht oder „verschoppt“. Wenn sich nach einer Weile das Eisen und der Sinter geschieden hatten, wurde letzterer mit Wasser übergossen und hierauf mit der eisernen Krücke von der Flosse abgezogen. Die Flosse lieſs man 1½ Stunden im Tiegel langsam auskühlen und hub sie mit Hilfe einer groſsen eisernen Zange und eines besonders hierzu be- stimmten Ziehhaspels des „Flossenzugs“ auf die Seite.
Beim Aufgeben war das Folgende besonders zu beachten: Man nahm nicht Kohlen von einer Sorte, sondern ein Gemisch von harten und weichen, von Buchen- und Fichtenkohlen. Buchene allein gaben „trockene“ Flossen, weiche allein erzeugten keine genügende Hitze und gröſseren Kohlenaufwand. Das Maſsverhältnis zwischen Erz und Kohle richtete sich nach der Eisensorte. Man unterschied haupt- sächlich „Weichfloſs“ und „Hartfloſs“. Die Bezeichnungen „weich“ und „hart“ rühren hierbei keineswegs davon her, daſs das Roh- eisen weicher oder härter war, sondern daſs dasſelbe im Frischherd
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Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
folgenden Gicht ein ganzer Kübel Erz mehr und ein Faſs Kohlen
weniger aufgegeben. Wurde die Lehmform während der Arbeit durch
die niedergehenden Gichten abgedrückt, oder vom Feuer verzehrt oder
auch nur kürzer, so stieſs man den alten Lehm heraus und bohrte
eine neue Form an. Nur dann lieſs man dieselbe mit Vorsatz kürzer
werden, wenn sich bei dem Krenn Ansätze von Eisen (sogenannter
„Brand“) angesetzt hatten, um diese wegzuschmelzen. Half dies noch
nichts und fuhr das Eisen fort zur Form heraufzuwachsen, so muſste
man den „Sinter“, d. h. die Schlacke, die sonst erst mit dem Eisen
zugleich abgelassen wurde, abstechen, um durch die nachrückenden
Kohlen dem Eisen wieder Wärme zuzuführen. — War das Untergestell
bis zur Form mit flüssiger Masse angefüllt, so wurde abgestochen.
Es geschah dies in der Regel alle drei Stunden. Ebenso war das Auf-
geben oder der Gichtenwechsel von dem Schmelzgang abhängig. Beides
waren Arbeiten des „Pleyers“ oder „Plaarers“, wie er in Kärnten hieſs.
Beim Ablassen oder Stechen, das weder zu spät noch zu früh ge-
schehen durfte, verfuhr er folgendermaſsen. Nachdem der flache „Tiegel“
(das Flossenbett) gut und eben zubereitet worden, um die Flosse
allenthalben gleich dick zu erhalten, wurde von dem „Müllner“ der
Gestübbebatzen oder -Klumpen und von dem „Grodler“ (Gradler) die
Sinterkrücke in Bereitschaft gehalten. Hierauf stieſs der Plaarer mit
der eisernen Stange unten am Schopp durch den Lehm und lieſs
durch diese Öffnung, die weit genug geöffnet werden muſste, um alles
heraus zu lassen, Eisen und Schlacken in den Tiegel flieſsen. Die
Öffnung wurde sogleich mit dem Gestübbebatzen wieder zugemacht
oder „verschoppt“. Wenn sich nach einer Weile das Eisen und der
Sinter geschieden hatten, wurde letzterer mit Wasser übergossen und
hierauf mit der eisernen Krücke von der Flosse abgezogen. Die Flosse
lieſs man 1½ Stunden im Tiegel langsam auskühlen und hub sie mit
Hilfe einer groſsen eisernen Zange und eines besonders hierzu be-
stimmten Ziehhaspels des „Flossenzugs“ auf die Seite.
Beim Aufgeben war das Folgende besonders zu beachten: Man
nahm nicht Kohlen von einer Sorte, sondern ein Gemisch von harten
und weichen, von Buchen- und Fichtenkohlen. Buchene allein gaben
„trockene“ Flossen, weiche allein erzeugten keine genügende Hitze
und gröſseren Kohlenaufwand. Das Maſsverhältnis zwischen Erz und
Kohle richtete sich nach der Eisensorte. Man unterschied haupt-
sächlich „Weichfloſs“ und „Hartfloſs“. Die Bezeichnungen „weich“
und „hart“ rühren hierbei keineswegs davon her, daſs das Roh-
eisen weicher oder härter war, sondern daſs dasſelbe im Frischherd
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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