kohlen geheizt wird. Diese verkehrte Ansicht, als welche sie Jars ganz richtig bezeichnet, macht, da der Preis der englischen Stein- kohlen ein sehr hoher ist, den Prozess kostspielig und überhaupt bis jetzt zweifelhaft. Dies Vorurteil, welches vordem allgemein in Schwe- den herrschte, deutet darauf hin, dass der Prozess dem englischen nachgemacht, von dort also nach Schweden gelangt war. Dass Reaumurs Abhandlung über die Cementstahlbereitung aber grossen Einfluss auf die schwedischen Fabrikanten gehabt hat, gestanden diese Jars gegenüber selbst ein und sie richteten sich auch in Bezug auf das Cementierpulver nach dessen Vorschlägen, obgleich sie gerade in diesem Punkte, wie Jars mit Recht bemerkt, besser den Eng- ländern gefolgt wären und wie diese nur Holzkohlenpulver genommen hätten. In diesen wie in anderen Dingen, z. B. in dem Baumaterial, waren sie noch wenig erfahren; die ganze Fabrikation war, wie Jars meint, noch im Versuchsstadium. Um das obengenannte Quantum von 30 Schiffspfund Eisen in Stahl umzuwandeln, waren sechs bis sieben Tage Brennzeit und 100 schwed. Tonnen Steinkohlen erforderlich. Der eingelegte Probestab hatte am Ende ein Öhr, so dass man ihn leicht mit einem Haken herausziehen konnte. Der Stahl wurde in einer besonderen Hütte raffiniert unter einem Hammer von etwa 100 kg Gewicht, der aber nicht so rasch ging wie die englischen Raffinierhämmer. Der Stahl wurde mit Steinkohlen erhitzt, weil man auch hierbei von dem Vorurteil befangen war, dass er beim Gebrauch von Holzkohlen schlechter werde. Er erhielt dabei eine stärkere Hitze als in England, und dass er trotzdem unter dem Hammer nicht rissig und unganz wurde, war ein Beweis für seine Güte. Er wurde in kleine Stäbe wie der kärntnische Stahl ausgeschmiedet und auch unter der falschen Bezeichnung "venetianischer Stahl", worunter der Stahl aus Kärnten und Krain im südlichen Europa gehandelt wurde, auf den Markt gebracht. Man verkaufte ihn auch nicht anders als ge- härtet, weshalb man ihn vorher auf einem etwa drei Fuss langen Feuer glühte und ganz heiss in das Wasser warf. Obgleich Jars die Cementstahlfabrikation in Schweden unbedeutend vorkam, indem er sie jedenfalls mit der englischen, die er vorher kennen ge- lernt hatte, verglich, so geht doch aus seinen eigenen Angaben her- vor, dass der Export von schwedischem Cementstahl gar nicht so gering war.
Osterby, welches allein den "venetianischen Stahl" machte, hatte seinen Hauptabsatz nach Spanien und verkaufte den Centner zu 150 schwedischen Pfund (51 kg) für 41/2 bis 5 Thaler. Jars sagt:
Die Cementstahlfabrikation in England.
kohlen geheizt wird. Diese verkehrte Ansicht, als welche sie Jars ganz richtig bezeichnet, macht, da der Preis der englischen Stein- kohlen ein sehr hoher ist, den Prozeſs kostspielig und überhaupt bis jetzt zweifelhaft. Dies Vorurteil, welches vordem allgemein in Schwe- den herrschte, deutet darauf hin, daſs der Prozeſs dem englischen nachgemacht, von dort also nach Schweden gelangt war. Daſs Reaumurs Abhandlung über die Cementstahlbereitung aber groſsen Einfluſs auf die schwedischen Fabrikanten gehabt hat, gestanden diese Jars gegenüber selbst ein und sie richteten sich auch in Bezug auf das Cementierpulver nach dessen Vorschlägen, obgleich sie gerade in diesem Punkte, wie Jars mit Recht bemerkt, besser den Eng- ländern gefolgt wären und wie diese nur Holzkohlenpulver genommen hätten. In diesen wie in anderen Dingen, z. B. in dem Baumaterial, waren sie noch wenig erfahren; die ganze Fabrikation war, wie Jars meint, noch im Versuchsstadium. Um das obengenannte Quantum von 30 Schiffspfund Eisen in Stahl umzuwandeln, waren sechs bis sieben Tage Brennzeit und 100 schwed. Tonnen Steinkohlen erforderlich. Der eingelegte Probestab hatte am Ende ein Öhr, so daſs man ihn leicht mit einem Haken herausziehen konnte. Der Stahl wurde in einer besonderen Hütte raffiniert unter einem Hammer von etwa 100 kg Gewicht, der aber nicht so rasch ging wie die englischen Raffinierhämmer. Der Stahl wurde mit Steinkohlen erhitzt, weil man auch hierbei von dem Vorurteil befangen war, daſs er beim Gebrauch von Holzkohlen schlechter werde. Er erhielt dabei eine stärkere Hitze als in England, und daſs er trotzdem unter dem Hammer nicht rissig und unganz wurde, war ein Beweis für seine Güte. Er wurde in kleine Stäbe wie der kärntnische Stahl ausgeschmiedet und auch unter der falschen Bezeichnung „venetianischer Stahl“, worunter der Stahl aus Kärnten und Krain im südlichen Europa gehandelt wurde, auf den Markt gebracht. Man verkaufte ihn auch nicht anders als ge- härtet, weshalb man ihn vorher auf einem etwa drei Fuſs langen Feuer glühte und ganz heiſs in das Wasser warf. Obgleich Jars die Cementstahlfabrikation in Schweden unbedeutend vorkam, indem er sie jedenfalls mit der englischen, die er vorher kennen ge- lernt hatte, verglich, so geht doch aus seinen eigenen Angaben her- vor, daſs der Export von schwedischem Cementstahl gar nicht so gering war.
Osterby, welches allein den „venetianischen Stahl“ machte, hatte seinen Hauptabsatz nach Spanien und verkaufte den Centner zu 150 schwedischen Pfund (51 kg) für 4½ bis 5 Thaler. Jars sagt:
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Die Cementstahlfabrikation in England.
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ganz richtig bezeichnet, macht, da der Preis der englischen Stein-
kohlen ein sehr hoher ist, den Prozeſs kostspielig und überhaupt bis
jetzt zweifelhaft. Dies Vorurteil, welches vordem allgemein in Schwe-
den herrschte, deutet darauf hin, daſs der Prozeſs dem englischen
nachgemacht, von dort also nach Schweden gelangt war. Daſs
Reaumurs Abhandlung über die Cementstahlbereitung aber groſsen
Einfluſs auf die schwedischen Fabrikanten gehabt hat, gestanden
diese Jars gegenüber selbst ein und sie richteten sich auch in Bezug
auf das Cementierpulver nach dessen Vorschlägen, obgleich sie gerade
in diesem Punkte, wie Jars mit Recht bemerkt, besser den Eng-
ländern gefolgt wären und wie diese nur Holzkohlenpulver genommen
hätten. In diesen wie in anderen Dingen, z. B. in dem Baumaterial,
waren sie noch wenig erfahren; die ganze Fabrikation war, wie Jars
meint, noch im Versuchsstadium. Um das obengenannte Quantum
von 30 Schiffspfund Eisen in Stahl umzuwandeln, waren sechs bis sieben
Tage Brennzeit und 100 schwed. Tonnen Steinkohlen erforderlich.
Der eingelegte Probestab hatte am Ende ein Öhr, so daſs man ihn
leicht mit einem Haken herausziehen konnte. Der Stahl wurde in
einer besonderen Hütte raffiniert unter einem Hammer von etwa
100 kg Gewicht, der aber nicht so rasch ging wie die englischen
Raffinierhämmer. Der Stahl wurde mit Steinkohlen erhitzt, weil man
auch hierbei von dem Vorurteil befangen war, daſs er beim Gebrauch
von Holzkohlen schlechter werde. Er erhielt dabei eine stärkere Hitze
als in England, und daſs er trotzdem unter dem Hammer nicht rissig
und unganz wurde, war ein Beweis für seine Güte. Er wurde in
kleine Stäbe wie der kärntnische Stahl ausgeschmiedet und auch unter
der falschen Bezeichnung „venetianischer Stahl“, worunter der Stahl
aus Kärnten und Krain im südlichen Europa gehandelt wurde, auf
den Markt gebracht. Man verkaufte ihn auch nicht anders als ge-
härtet, weshalb man ihn vorher auf einem etwa drei Fuſs langen
Feuer glühte und ganz heiſs in das Wasser warf. Obgleich Jars
die Cementstahlfabrikation in Schweden unbedeutend vorkam, indem
er sie jedenfalls mit der englischen, die er vorher kennen ge-
lernt hatte, verglich, so geht doch aus seinen eigenen Angaben her-
vor, daſs der Export von schwedischem Cementstahl gar nicht so
gering war.
Osterby, welches allein den „venetianischen Stahl“ machte, hatte
seinen Hauptabsatz nach Spanien und verkaufte den Centner zu
150 schwedischen Pfund (51 kg) für 4½ bis 5 Thaler. Jars sagt:
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/304>, abgerufen am 23.11.2024.
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