heuchelten Übermüdung des Fremden entdeckt haben, denn mit gierigen Blicken bewachte er jede Bewegung der Arbeiter, als diese jetzt die einzelnen Operationen des neuerfundenen Prozesses vor- nahmen. Er bemerkte zuerst, dass Stangen von Brennstahl in kleine Stücke von 2 bis 3 Zoll zerbrochen und in einen Thontiegel ein- getragen wurden. Als dieser nahezu gefüllt war, wurden zerkleinerte Scherben von grünem Glas darüber ausgebreitet und dann wurde das ganze mit einem dicht schliessenden Deckel geschlossen. Die Tiegel wurden hierauf in einen dafür hergerichteten Ofen eingesetzt und nach Verlauf von 3 bis 4 Stunden, währenddem von Zeit zu Zeit untersucht wurde, ob der Stahl in den Tiegeln völlig zu einer Masse geschmolzen sei, machten sich die Arbeiter daran, die Tiegel mit Hilfe von Zangen aus dem Ofen herauszuheben und den ge- schmolzenen Inhalt, der hellglänzend funkelte und sprühte, in eine zugerichtete Form aus Gusseisen auszugiessen. Hier liess man sie erkalten, während die Tiegel von neuem gefüllt und die Operation wiederholt wurde. War die Form kühl, so wurde sie aufgeschraubt, und es zeigte sich ein Stahlbarren, der nur noch der Hilfe des Hammerschmieds bedurfte, um eine vollkommene Stahlstange zu sein. Wie es dem verräterischen Gast, nachdem er dies alles beobachtet hatte, gelang zu entkommen, darüber verlautet nichts, aber Thatsache ist es, dass nur wenige Monate danach Huntsmans Fabrik nicht mehr die einzige war, in der Gussstahl bereitet wurde.
In einem schwedischen Reisebericht 1797 bis 1799 von Proling ist dieser Vorgang gerade umgekehrt erzählt 1). Danach sollte ein armer Metallarbeiter namens Walter, welcher Walzen aus Cement- stahl anfertigte, der Erfinder des Gussstahls gewesen sein. Da seine Walzen immer Fehler und Flecken hatten, so habe er sich bemüht, Walzen aus Metalllegierungen zu giessen. Hierbei habe er nach viel- jährigen Versuchen die Entdeckung gemacht, dass er einen ohne allen Zusatz umgeschmolzenen Stahl vollständig dicht erhalten könne. Er habe dann auf diese Weise vortreffliche Walzen und Schmiede- werkzeuge von vorzüglicher Gleichmässigkeit und Dichtigkeit erzeugt. Ein reicher Fabrikant Huntsman habe davon erfahren, und nach- dem er durch chemische Untersuchung habe feststellen lassen, dass dem Stahl keine fremden Stoffe beigemischt waren, die Sache als- bald nachgemacht. Der reiche Fabrikant habe dem Stahl seinen
1) S. Karstens Archiv, Bd. VIII, S. 342; Wedding, Handbuch der Eisen- hüttenkunde, Bd. III, S. 607.
Die Erfindung des Guſsstahls.
heuchelten Übermüdung des Fremden entdeckt haben, denn mit gierigen Blicken bewachte er jede Bewegung der Arbeiter, als diese jetzt die einzelnen Operationen des neuerfundenen Prozesses vor- nahmen. Er bemerkte zuerst, daſs Stangen von Brennstahl in kleine Stücke von 2 bis 3 Zoll zerbrochen und in einen Thontiegel ein- getragen wurden. Als dieser nahezu gefüllt war, wurden zerkleinerte Scherben von grünem Glas darüber ausgebreitet und dann wurde das ganze mit einem dicht schlieſsenden Deckel geschlossen. Die Tiegel wurden hierauf in einen dafür hergerichteten Ofen eingesetzt und nach Verlauf von 3 bis 4 Stunden, währenddem von Zeit zu Zeit untersucht wurde, ob der Stahl in den Tiegeln völlig zu einer Masse geschmolzen sei, machten sich die Arbeiter daran, die Tiegel mit Hilfe von Zangen aus dem Ofen herauszuheben und den ge- schmolzenen Inhalt, der hellglänzend funkelte und sprühte, in eine zugerichtete Form aus Guſseisen auszugieſsen. Hier lieſs man sie erkalten, während die Tiegel von neuem gefüllt und die Operation wiederholt wurde. War die Form kühl, so wurde sie aufgeschraubt, und es zeigte sich ein Stahlbarren, der nur noch der Hilfe des Hammerschmieds bedurfte, um eine vollkommene Stahlstange zu sein. Wie es dem verräterischen Gast, nachdem er dies alles beobachtet hatte, gelang zu entkommen, darüber verlautet nichts, aber Thatsache ist es, daſs nur wenige Monate danach Huntsmans Fabrik nicht mehr die einzige war, in der Guſsstahl bereitet wurde.
In einem schwedischen Reisebericht 1797 bis 1799 von Proling ist dieser Vorgang gerade umgekehrt erzählt 1). Danach sollte ein armer Metallarbeiter namens Walter, welcher Walzen aus Cement- stahl anfertigte, der Erfinder des Guſsstahls gewesen sein. Da seine Walzen immer Fehler und Flecken hatten, so habe er sich bemüht, Walzen aus Metalllegierungen zu gieſsen. Hierbei habe er nach viel- jährigen Versuchen die Entdeckung gemacht, daſs er einen ohne allen Zusatz umgeschmolzenen Stahl vollständig dicht erhalten könne. Er habe dann auf diese Weise vortreffliche Walzen und Schmiede- werkzeuge von vorzüglicher Gleichmäſsigkeit und Dichtigkeit erzeugt. Ein reicher Fabrikant Huntsman habe davon erfahren, und nach- dem er durch chemische Untersuchung habe feststellen lassen, daſs dem Stahl keine fremden Stoffe beigemischt waren, die Sache als- bald nachgemacht. Der reiche Fabrikant habe dem Stahl seinen
1) S. Karstens Archiv, Bd. VIII, S. 342; Wedding, Handbuch der Eisen- hüttenkunde, Bd. III, S. 607.
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Die Erfindung des Guſsstahls.
heuchelten Übermüdung des Fremden entdeckt haben, denn mit
gierigen Blicken bewachte er jede Bewegung der Arbeiter, als diese
jetzt die einzelnen Operationen des neuerfundenen Prozesses vor-
nahmen. Er bemerkte zuerst, daſs Stangen von Brennstahl in kleine
Stücke von 2 bis 3 Zoll zerbrochen und in einen Thontiegel ein-
getragen wurden. Als dieser nahezu gefüllt war, wurden zerkleinerte
Scherben von grünem Glas darüber ausgebreitet und dann wurde
das ganze mit einem dicht schlieſsenden Deckel geschlossen. Die
Tiegel wurden hierauf in einen dafür hergerichteten Ofen eingesetzt
und nach Verlauf von 3 bis 4 Stunden, währenddem von Zeit zu
Zeit untersucht wurde, ob der Stahl in den Tiegeln völlig zu einer
Masse geschmolzen sei, machten sich die Arbeiter daran, die Tiegel
mit Hilfe von Zangen aus dem Ofen herauszuheben und den ge-
schmolzenen Inhalt, der hellglänzend funkelte und sprühte, in eine
zugerichtete Form aus Guſseisen auszugieſsen. Hier lieſs man sie
erkalten, während die Tiegel von neuem gefüllt und die Operation
wiederholt wurde. War die Form kühl, so wurde sie aufgeschraubt,
und es zeigte sich ein Stahlbarren, der nur noch der Hilfe des
Hammerschmieds bedurfte, um eine vollkommene Stahlstange zu sein.
Wie es dem verräterischen Gast, nachdem er dies alles beobachtet
hatte, gelang zu entkommen, darüber verlautet nichts, aber Thatsache
ist es, daſs nur wenige Monate danach Huntsmans Fabrik nicht
mehr die einzige war, in der Guſsstahl bereitet wurde.
In einem schwedischen Reisebericht 1797 bis 1799 von Proling
ist dieser Vorgang gerade umgekehrt erzählt 1). Danach sollte ein
armer Metallarbeiter namens Walter, welcher Walzen aus Cement-
stahl anfertigte, der Erfinder des Guſsstahls gewesen sein. Da seine
Walzen immer Fehler und Flecken hatten, so habe er sich bemüht,
Walzen aus Metalllegierungen zu gieſsen. Hierbei habe er nach viel-
jährigen Versuchen die Entdeckung gemacht, daſs er einen ohne
allen Zusatz umgeschmolzenen Stahl vollständig dicht erhalten könne.
Er habe dann auf diese Weise vortreffliche Walzen und Schmiede-
werkzeuge von vorzüglicher Gleichmäſsigkeit und Dichtigkeit erzeugt.
Ein reicher Fabrikant Huntsman habe davon erfahren, und nach-
dem er durch chemische Untersuchung habe feststellen lassen, daſs
dem Stahl keine fremden Stoffe beigemischt waren, die Sache als-
bald nachgemacht. Der reiche Fabrikant habe dem Stahl seinen
1) S. Karstens Archiv, Bd. VIII, S. 342; Wedding, Handbuch der Eisen-
hüttenkunde, Bd. III, S. 607.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/291>, abgerufen am 23.11.2024.
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