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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Erfindung des Gussstahls.

Waren Huntsmans Versuche zunächst von dem eigenen Bedürfnis
ausgegangen, so war doch schon die Verlegung seiner Werkstätte nach
Handsworth in der Hoffnung auf den Absatz seines Stahls an die
Sheffielder Fabrikanten veranlasst worden, indem er die zukünftige
Bedeutung seines Stahls für die Stahlwarenfabrikation voraussah.
Aber seine Bemühungen, seinen Stahl bei den Sheffielder Messer-
schmieden anzubringen, hatten anfänglich wenig oder gar keinen
Erfolg. Der harte Gusstahl war viel beschwerlicher zu schmieden
als der Schweissstahl und das genügte, ihn zu verwerfen und Hunts-
man
, der die Sache nicht als Kaufmann betrieb und nicht auf Ge-
winn ausging, verzagte und liess die Hoffnung sinken, den am Alten
hängenden Zunftgeist der Sheffielder Schmiede zu bekehren. Aber
galt der Prophet nichts in seinem Vaterlande, so fand er um so
grössere Anerkennung ausserhalb desselben. In Frankreich besonders
wurde guter Stahl für feine Stahlwaren gesucht, und da die fran-
zösischen Stahlarbeiter ihren besseren Stahl doch alle aus dem Aus-
land beziehen mussten, waren sie unparteiischer in ihrem Urteil als
die Sheffielder, welche wahrscheinlich auch für die von ihnen be-
triebene Brennstahlfabrikation fürchteten. Huntsmans Stahl fand
willige Abnehmer in Frankreich, die daraus Stahlmesser und Stahl-
werkzeuge machten, welche die englischen an Güte weit übertrafen.
Jetzt wurden die klugen Herren in Sheffield unruhig, namentlich da
selbst in England die französischen Messer aus Huntsmanstahl
den Sheffieldern vorgezogen wurden. Sie fingen an, für die Zukunft
ihres Gewerbes besorgt zu werden und verfielen auf einen echt eng-
lischen Ausweg: sie schickten eine Deputation an Sir George Savile,
Parlamentsmitglied für die Grafschaft York, mit der Bitte, bei dem
Ministerium ein Verbot der Ausfuhr von Gussstahl zu erwirken.
Aber als Savile auf sein Befragen erfuhr, dass sie selbst den Guss-
stahl gar nicht verwendeten, lehnte er ihr Gesuch rundweg ab. Es
war ein Glück für die Stadt Sheffield, dass ihrem unsinnigen Bitt-
gesuche keine Folge gegeben wurde, denn um jene Zeit hatten unter-
nehmende und vernünftigere Fabrikanten in Birmingham Huntsman
bereits dringende und günstige Anerbietungen gemacht, seine Guss-
stahlfabrik nach Birmingham zu verlegen. Wäre dies geschehen, so
wäre wahrscheinlich der Stahlwarenhandel Birminghams der erste
Englands geworden und Sheffield, dessen Geschäft damals auf sehr
schlechten Füssen stand, zu Grunde gegangen; so wurde es durch die
Erfindung von Benjamin Huntsman zu einer blühenden Stadt.
Jetzt endlich sahen sich die Sheffielder Fabrikanten, wenn sie ihren

18*
Die Erfindung des Guſsstahls.

Waren Huntsmans Versuche zunächst von dem eigenen Bedürfnis
ausgegangen, so war doch schon die Verlegung seiner Werkstätte nach
Handsworth in der Hoffnung auf den Absatz seines Stahls an die
Sheffielder Fabrikanten veranlaſst worden, indem er die zukünftige
Bedeutung seines Stahls für die Stahlwarenfabrikation voraussah.
Aber seine Bemühungen, seinen Stahl bei den Sheffielder Messer-
schmieden anzubringen, hatten anfänglich wenig oder gar keinen
Erfolg. Der harte Guſstahl war viel beschwerlicher zu schmieden
als der Schweiſsstahl und das genügte, ihn zu verwerfen und Hunts-
man
, der die Sache nicht als Kaufmann betrieb und nicht auf Ge-
winn ausging, verzagte und lieſs die Hoffnung sinken, den am Alten
hängenden Zunftgeist der Sheffielder Schmiede zu bekehren. Aber
galt der Prophet nichts in seinem Vaterlande, so fand er um so
gröſsere Anerkennung auſserhalb desselben. In Frankreich besonders
wurde guter Stahl für feine Stahlwaren gesucht, und da die fran-
zösischen Stahlarbeiter ihren besseren Stahl doch alle aus dem Aus-
land beziehen muſsten, waren sie unparteiischer in ihrem Urteil als
die Sheffielder, welche wahrscheinlich auch für die von ihnen be-
triebene Brennstahlfabrikation fürchteten. Huntsmans Stahl fand
willige Abnehmer in Frankreich, die daraus Stahlmesser und Stahl-
werkzeuge machten, welche die englischen an Güte weit übertrafen.
Jetzt wurden die klugen Herren in Sheffield unruhig, namentlich da
selbst in England die französischen Messer aus Huntsmanstahl
den Sheffieldern vorgezogen wurden. Sie fingen an, für die Zukunft
ihres Gewerbes besorgt zu werden und verfielen auf einen echt eng-
lischen Ausweg: sie schickten eine Deputation an Sir George Savile,
Parlamentsmitglied für die Grafschaft York, mit der Bitte, bei dem
Ministerium ein Verbot der Ausfuhr von Guſsstahl zu erwirken.
Aber als Savile auf sein Befragen erfuhr, daſs sie selbst den Guſs-
stahl gar nicht verwendeten, lehnte er ihr Gesuch rundweg ab. Es
war ein Glück für die Stadt Sheffield, daſs ihrem unsinnigen Bitt-
gesuche keine Folge gegeben wurde, denn um jene Zeit hatten unter-
nehmende und vernünftigere Fabrikanten in Birmingham Huntsman
bereits dringende und günstige Anerbietungen gemacht, seine Guſs-
stahlfabrik nach Birmingham zu verlegen. Wäre dies geschehen, so
wäre wahrscheinlich der Stahlwarenhandel Birminghams der erste
Englands geworden und Sheffield, dessen Geschäft damals auf sehr
schlechten Füſsen stand, zu Grunde gegangen; so wurde es durch die
Erfindung von Benjamin Huntsman zu einer blühenden Stadt.
Jetzt endlich sahen sich die Sheffielder Fabrikanten, wenn sie ihren

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[275/0289] Die Erfindung des Guſsstahls. Waren Huntsmans Versuche zunächst von dem eigenen Bedürfnis ausgegangen, so war doch schon die Verlegung seiner Werkstätte nach Handsworth in der Hoffnung auf den Absatz seines Stahls an die Sheffielder Fabrikanten veranlaſst worden, indem er die zukünftige Bedeutung seines Stahls für die Stahlwarenfabrikation voraussah. Aber seine Bemühungen, seinen Stahl bei den Sheffielder Messer- schmieden anzubringen, hatten anfänglich wenig oder gar keinen Erfolg. Der harte Guſstahl war viel beschwerlicher zu schmieden als der Schweiſsstahl und das genügte, ihn zu verwerfen und Hunts- man, der die Sache nicht als Kaufmann betrieb und nicht auf Ge- winn ausging, verzagte und lieſs die Hoffnung sinken, den am Alten hängenden Zunftgeist der Sheffielder Schmiede zu bekehren. Aber galt der Prophet nichts in seinem Vaterlande, so fand er um so gröſsere Anerkennung auſserhalb desselben. In Frankreich besonders wurde guter Stahl für feine Stahlwaren gesucht, und da die fran- zösischen Stahlarbeiter ihren besseren Stahl doch alle aus dem Aus- land beziehen muſsten, waren sie unparteiischer in ihrem Urteil als die Sheffielder, welche wahrscheinlich auch für die von ihnen be- triebene Brennstahlfabrikation fürchteten. Huntsmans Stahl fand willige Abnehmer in Frankreich, die daraus Stahlmesser und Stahl- werkzeuge machten, welche die englischen an Güte weit übertrafen. Jetzt wurden die klugen Herren in Sheffield unruhig, namentlich da selbst in England die französischen Messer aus Huntsmanstahl den Sheffieldern vorgezogen wurden. Sie fingen an, für die Zukunft ihres Gewerbes besorgt zu werden und verfielen auf einen echt eng- lischen Ausweg: sie schickten eine Deputation an Sir George Savile, Parlamentsmitglied für die Grafschaft York, mit der Bitte, bei dem Ministerium ein Verbot der Ausfuhr von Guſsstahl zu erwirken. Aber als Savile auf sein Befragen erfuhr, daſs sie selbst den Guſs- stahl gar nicht verwendeten, lehnte er ihr Gesuch rundweg ab. Es war ein Glück für die Stadt Sheffield, daſs ihrem unsinnigen Bitt- gesuche keine Folge gegeben wurde, denn um jene Zeit hatten unter- nehmende und vernünftigere Fabrikanten in Birmingham Huntsman bereits dringende und günstige Anerbietungen gemacht, seine Guſs- stahlfabrik nach Birmingham zu verlegen. Wäre dies geschehen, so wäre wahrscheinlich der Stahlwarenhandel Birminghams der erste Englands geworden und Sheffield, dessen Geschäft damals auf sehr schlechten Füſsen stand, zu Grunde gegangen; so wurde es durch die Erfindung von Benjamin Huntsman zu einer blühenden Stadt. Jetzt endlich sahen sich die Sheffielder Fabrikanten, wenn sie ihren 18*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/289>, abgerufen am 23.11.2024.