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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Schmiedbarer Guss.
Bedürfnis Abhilfe schafft, hat sie unmittelbaren Erfolg. Schafft eine
Erfindung zugleich ein neues Produkt, so muss dies erst in den Handel
eingeführt, der Bedarf erst den Menschen angewöhnt werden und
dazu ist in den meisten Fällen lange Zeit erforderlich, ganz abgesehen
von dem Widerstande, welchen die bestehenden Gewerbe, die sich
durch dasselbe beeinträchtigt glauben, der Einführung entgegensetzen.
Jene Zeit war aber für Reaumurs Erfindung noch nicht reif.

Reaumur selbst aber hielt an seiner Erfindung unentwegt fest
und suchte dieselbe in späteren Jahren noch zu erweitern.

In Frankreich wurde zu Cone eine neue Fabrik nach Reaumurs
Vorschlägen eingerichtet und daselbst die Fabrikation von schmied-
barem Guss in der beschriebenen Weise mehrere Jahre hindurch be-
trieben, aber die Unternehmer machten schlechte Geschäfte. Da kam
um das Jahr 1740 ein Herr von Haudinart zu Reaumur und
erzählte, sein Vater habe schon, ehe die Fabrik in Cone betrieben
worden sei, ebenfalls aduzierten Guss gemacht, einfach in der Weise,
dass er die Gegenstände mit etwas bestrichen und dann geglüht habe.
Die Sache sei auch ganz gut gegangen, bis sein Vater mit seinen
Teilhabern in einen Prozess verwickelt worden und bald darauf ge-
storben sei. Damit habe auch die Fabrik aufgehört. Er selbst sei
noch zu jung gewesen, als dass ihm sein Vater das Geheimnis hätte
mitteilen können. Dennoch wusste er einige Angaben über die Stoffe
zu machen, welche sein Vater verwendet habe. Mehr sagte er nicht,
wie Reaumur scherzend bemerkt, wohl aus übertriebener Höflichkeit
um mir die Freude zu lassen, auch diese Sache von neuem zu finden.
Jedenfalls gab aber diese Mitteilung die Veranlassung, dass Reaumur
Versuche, die er früher gemacht, seit langem aber liegen gelassen hatte,
wieder aufnahm. Konnte man einen Stoff finden, der feuerfest wäre,
keinen Schwefel abgebe und beim Trocknen sich nicht zusammen-
ziehe, die Gussstücke also vollständig umhülle, so liesse sich hoffen,
den ganzen Prozess zu vereinfachen, denn dann brauchte man keine
geschlossenen Glühtöpfe oder Kisten und auch keine teuren Brennöfen,
man konnte dann das Glühen in irgend einem Ofen bewerkstelligen.

Als einen solchen Stoff bezeichnete Reaumur das Reissblei
(mine de plomb) oder den Graphit, auf welchen seine Aufmerksam-
keit dadurch gelenkt wurde, dass man aus demselben in Deutschland
feuerfeste Schmelztiegel anfertigte, welche wiederholte Schmelzungen
aushielten, ohne zu reissen. Er fand weiter, dass der Prozess um so
besser verlaufe, je rascher man die Gegenstände erhitze und bei
scharfer Hitze glühe.


Schmiedbarer Guſs.
Bedürfnis Abhilfe schafft, hat sie unmittelbaren Erfolg. Schafft eine
Erfindung zugleich ein neues Produkt, so muſs dies erst in den Handel
eingeführt, der Bedarf erst den Menschen angewöhnt werden und
dazu ist in den meisten Fällen lange Zeit erforderlich, ganz abgesehen
von dem Widerstande, welchen die bestehenden Gewerbe, die sich
durch dasselbe beeinträchtigt glauben, der Einführung entgegensetzen.
Jene Zeit war aber für Reaumurs Erfindung noch nicht reif.

Reaumur selbst aber hielt an seiner Erfindung unentwegt fest
und suchte dieselbe in späteren Jahren noch zu erweitern.

In Frankreich wurde zu Cône eine neue Fabrik nach Reaumurs
Vorschlägen eingerichtet und daselbst die Fabrikation von schmied-
barem Guſs in der beschriebenen Weise mehrere Jahre hindurch be-
trieben, aber die Unternehmer machten schlechte Geschäfte. Da kam
um das Jahr 1740 ein Herr von Haudinart zu Reaumur und
erzählte, sein Vater habe schon, ehe die Fabrik in Cône betrieben
worden sei, ebenfalls aduzierten Guſs gemacht, einfach in der Weise,
daſs er die Gegenstände mit etwas bestrichen und dann geglüht habe.
Die Sache sei auch ganz gut gegangen, bis sein Vater mit seinen
Teilhabern in einen Prozeſs verwickelt worden und bald darauf ge-
storben sei. Damit habe auch die Fabrik aufgehört. Er selbst sei
noch zu jung gewesen, als daſs ihm sein Vater das Geheimnis hätte
mitteilen können. Dennoch wuſste er einige Angaben über die Stoffe
zu machen, welche sein Vater verwendet habe. Mehr sagte er nicht,
wie Reaumur scherzend bemerkt, wohl aus übertriebener Höflichkeit
um mir die Freude zu lassen, auch diese Sache von neuem zu finden.
Jedenfalls gab aber diese Mitteilung die Veranlassung, daſs Reaumur
Versuche, die er früher gemacht, seit langem aber liegen gelassen hatte,
wieder aufnahm. Konnte man einen Stoff finden, der feuerfest wäre,
keinen Schwefel abgebe und beim Trocknen sich nicht zusammen-
ziehe, die Guſsstücke also vollständig umhülle, so lieſse sich hoffen,
den ganzen Prozeſs zu vereinfachen, denn dann brauchte man keine
geschlossenen Glühtöpfe oder Kisten und auch keine teuren Brennöfen,
man konnte dann das Glühen in irgend einem Ofen bewerkstelligen.

Als einen solchen Stoff bezeichnete Reaumur das Reiſsblei
(mine de plomb) oder den Graphit, auf welchen seine Aufmerksam-
keit dadurch gelenkt wurde, daſs man aus demselben in Deutschland
feuerfeste Schmelztiegel anfertigte, welche wiederholte Schmelzungen
aushielten, ohne zu reiſsen. Er fand weiter, daſs der Prozeſs um so
besser verlaufe, je rascher man die Gegenstände erhitze und bei
scharfer Hitze glühe.


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[237/0251] Schmiedbarer Guſs. Bedürfnis Abhilfe schafft, hat sie unmittelbaren Erfolg. Schafft eine Erfindung zugleich ein neues Produkt, so muſs dies erst in den Handel eingeführt, der Bedarf erst den Menschen angewöhnt werden und dazu ist in den meisten Fällen lange Zeit erforderlich, ganz abgesehen von dem Widerstande, welchen die bestehenden Gewerbe, die sich durch dasselbe beeinträchtigt glauben, der Einführung entgegensetzen. Jene Zeit war aber für Reaumurs Erfindung noch nicht reif. Reaumur selbst aber hielt an seiner Erfindung unentwegt fest und suchte dieselbe in späteren Jahren noch zu erweitern. In Frankreich wurde zu Cône eine neue Fabrik nach Reaumurs Vorschlägen eingerichtet und daselbst die Fabrikation von schmied- barem Guſs in der beschriebenen Weise mehrere Jahre hindurch be- trieben, aber die Unternehmer machten schlechte Geschäfte. Da kam um das Jahr 1740 ein Herr von Haudinart zu Reaumur und erzählte, sein Vater habe schon, ehe die Fabrik in Cône betrieben worden sei, ebenfalls aduzierten Guſs gemacht, einfach in der Weise, daſs er die Gegenstände mit etwas bestrichen und dann geglüht habe. Die Sache sei auch ganz gut gegangen, bis sein Vater mit seinen Teilhabern in einen Prozeſs verwickelt worden und bald darauf ge- storben sei. Damit habe auch die Fabrik aufgehört. Er selbst sei noch zu jung gewesen, als daſs ihm sein Vater das Geheimnis hätte mitteilen können. Dennoch wuſste er einige Angaben über die Stoffe zu machen, welche sein Vater verwendet habe. Mehr sagte er nicht, wie Reaumur scherzend bemerkt, wohl aus übertriebener Höflichkeit um mir die Freude zu lassen, auch diese Sache von neuem zu finden. Jedenfalls gab aber diese Mitteilung die Veranlassung, daſs Reaumur Versuche, die er früher gemacht, seit langem aber liegen gelassen hatte, wieder aufnahm. Konnte man einen Stoff finden, der feuerfest wäre, keinen Schwefel abgebe und beim Trocknen sich nicht zusammen- ziehe, die Guſsstücke also vollständig umhülle, so lieſse sich hoffen, den ganzen Prozeſs zu vereinfachen, denn dann brauchte man keine geschlossenen Glühtöpfe oder Kisten und auch keine teuren Brennöfen, man konnte dann das Glühen in irgend einem Ofen bewerkstelligen. Als einen solchen Stoff bezeichnete Reaumur das Reiſsblei (mine de plomb) oder den Graphit, auf welchen seine Aufmerksam- keit dadurch gelenkt wurde, daſs man aus demselben in Deutschland feuerfeste Schmelztiegel anfertigte, welche wiederholte Schmelzungen aushielten, ohne zu reiſsen. Er fand weiter, daſs der Prozeſs um so besser verlaufe, je rascher man die Gegenstände erhitze und bei scharfer Hitze glühe.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/251>, abgerufen am 23.11.2024.