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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Cementstahlfabrikation.

Es ist ihm ohne Mühe in einer gewöhnlichen Schmiede gelungen,
durch Einrühren von altem Schmiedeeisen, Nägeln u. s. w.
in flüssiges Roheisen Stahl zu erzeugen. Dieses Ver-
fahren empfiehlt Reaumur zur Herstellung eines ge-
ringen, aber billigen Stahls
.

In der folgenden Abhandlung beschreibt Reaumur die Kenn-
zeichen von gutem und schlechtem Stahl und giebt neue Mittel an,
die Qualität des Stahls nach Bruchansehen, Härte u. s. w. zu er-
kennen. Er sagt mit Recht, die Unterscheidungsmerkmale der Stahl-
arbeiter seien so wenig zuverlässig, dass sie in den meisten Fällen
ihren Stahl auf ungefähr kauften und ihn erst nach dem Erfolg be-
urteilten. Er weist darauf hin, dass die farbig angelaufenen Rosen
auf der Bruchfläche, welche von den Händlern so gerühmt und von
den Schmieden gesucht würden, ein sehr unzuverlässiges Zeichen
der Güte, wie der Härte des Stahls seien. Manche geringe fran-
zösische Stahlsorten zeigten dieselben, während sehr feine deutsche
Stahlsorten dieselben nicht zeigten. Es würde uns hier zu weit
führen, auf Reaumurs Prüfungsmethoden näher einzugehen, einiges
darüber haben wir bereits mitgeteilt.

Dagegen können wir nicht umhin, hier noch kurz das anzuführen,
was Reaumur über die Einsatzhärtung (la trempe en paquet) in
seiner zwölften Abhandlung vorbringt. Obgleich die Einsatzhärtung
und die Cementation auf gleicher Grundlage beruhten und anschei-
nend ganz übereinstimmten, so bestehe doch ein wichtiger Unterschied
zwischen beiden darin, dass man bei der Einsatzhärtung nur eine Ober-
flächenhärtung erstrebe, den Eisenkörper aber möglichst zu erhalten
suche, während man bei der Cementation die ganze Masse bis ins
Innerste in Stahl umzuwandeln strebe. Bei letzterer wolle man erst
ein Material herstellen, das man alsdann verarbeite und je nach dem
Zwecke seiner Verwendung in bestimmte Formen ausschmiede, bei
ersterem dagegen habe man schon die gewünschte Form erzeugt und
wolle dieser nur so weit wie nötig eine äusserliche Härtung geben;
es soll dabei möglichst vermieden werden, den Gegenstand spröde zu
machen; seine Festigkeit soll ihm erhalten bleiben, was nur möglich
ist, wenn die Umwandlung in Stahl nur eine oberflächliche ist, der
Kern aber Schmiedeeisen oder weicher Stahl bleibt. Deshalb müsse
man bei der Einsatzhärtung für das Härtepulver schnellwirkende
Stoffe auswählen, welche schon bei geringer Hitze wirksam seien.
Aus diesem Grunde eignen sich Stoffe für die Einsatzhärtung oder
Oberflächenverstählung, welche für die Cementstahlbereitung zu ver-

Beck, Geschichte des Eisens. 15
Die Cementstahlfabrikation.

Es ist ihm ohne Mühe in einer gewöhnlichen Schmiede gelungen,
durch Einrühren von altem Schmiedeeisen, Nägeln u. s. w.
in flüssiges Roheisen Stahl zu erzeugen. Dieses Ver-
fahren empfiehlt Reaumur zur Herstellung eines ge-
ringen, aber billigen Stahls
.

In der folgenden Abhandlung beschreibt Reaumur die Kenn-
zeichen von gutem und schlechtem Stahl und giebt neue Mittel an,
die Qualität des Stahls nach Bruchansehen, Härte u. s. w. zu er-
kennen. Er sagt mit Recht, die Unterscheidungsmerkmale der Stahl-
arbeiter seien so wenig zuverlässig, daſs sie in den meisten Fällen
ihren Stahl auf ungefähr kauften und ihn erst nach dem Erfolg be-
urteilten. Er weist darauf hin, daſs die farbig angelaufenen Rosen
auf der Bruchfläche, welche von den Händlern so gerühmt und von
den Schmieden gesucht würden, ein sehr unzuverlässiges Zeichen
der Güte, wie der Härte des Stahls seien. Manche geringe fran-
zösische Stahlsorten zeigten dieselben, während sehr feine deutsche
Stahlsorten dieselben nicht zeigten. Es würde uns hier zu weit
führen, auf Reaumurs Prüfungsmethoden näher einzugehen, einiges
darüber haben wir bereits mitgeteilt.

Dagegen können wir nicht umhin, hier noch kurz das anzuführen,
was Reaumur über die Einsatzhärtung (la trempe en paquet) in
seiner zwölften Abhandlung vorbringt. Obgleich die Einsatzhärtung
und die Cementation auf gleicher Grundlage beruhten und anschei-
nend ganz übereinstimmten, so bestehe doch ein wichtiger Unterschied
zwischen beiden darin, daſs man bei der Einsatzhärtung nur eine Ober-
flächenhärtung erstrebe, den Eisenkörper aber möglichst zu erhalten
suche, während man bei der Cementation die ganze Masse bis ins
Innerste in Stahl umzuwandeln strebe. Bei letzterer wolle man erst
ein Material herstellen, das man alsdann verarbeite und je nach dem
Zwecke seiner Verwendung in bestimmte Formen ausschmiede, bei
ersterem dagegen habe man schon die gewünschte Form erzeugt und
wolle dieser nur so weit wie nötig eine äuſserliche Härtung geben;
es soll dabei möglichst vermieden werden, den Gegenstand spröde zu
machen; seine Festigkeit soll ihm erhalten bleiben, was nur möglich
ist, wenn die Umwandlung in Stahl nur eine oberflächliche ist, der
Kern aber Schmiedeeisen oder weicher Stahl bleibt. Deshalb müsse
man bei der Einsatzhärtung für das Härtepulver schnellwirkende
Stoffe auswählen, welche schon bei geringer Hitze wirksam seien.
Aus diesem Grunde eignen sich Stoffe für die Einsatzhärtung oder
Oberflächenverstählung, welche für die Cementstahlbereitung zu ver-

Beck, Geschichte des Eisens. 15
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[225/0239] Die Cementstahlfabrikation. Es ist ihm ohne Mühe in einer gewöhnlichen Schmiede gelungen, durch Einrühren von altem Schmiedeeisen, Nägeln u. s. w. in flüssiges Roheisen Stahl zu erzeugen. Dieses Ver- fahren empfiehlt Reaumur zur Herstellung eines ge- ringen, aber billigen Stahls. In der folgenden Abhandlung beschreibt Reaumur die Kenn- zeichen von gutem und schlechtem Stahl und giebt neue Mittel an, die Qualität des Stahls nach Bruchansehen, Härte u. s. w. zu er- kennen. Er sagt mit Recht, die Unterscheidungsmerkmale der Stahl- arbeiter seien so wenig zuverlässig, daſs sie in den meisten Fällen ihren Stahl auf ungefähr kauften und ihn erst nach dem Erfolg be- urteilten. Er weist darauf hin, daſs die farbig angelaufenen Rosen auf der Bruchfläche, welche von den Händlern so gerühmt und von den Schmieden gesucht würden, ein sehr unzuverlässiges Zeichen der Güte, wie der Härte des Stahls seien. Manche geringe fran- zösische Stahlsorten zeigten dieselben, während sehr feine deutsche Stahlsorten dieselben nicht zeigten. Es würde uns hier zu weit führen, auf Reaumurs Prüfungsmethoden näher einzugehen, einiges darüber haben wir bereits mitgeteilt. Dagegen können wir nicht umhin, hier noch kurz das anzuführen, was Reaumur über die Einsatzhärtung (la trempe en paquet) in seiner zwölften Abhandlung vorbringt. Obgleich die Einsatzhärtung und die Cementation auf gleicher Grundlage beruhten und anschei- nend ganz übereinstimmten, so bestehe doch ein wichtiger Unterschied zwischen beiden darin, daſs man bei der Einsatzhärtung nur eine Ober- flächenhärtung erstrebe, den Eisenkörper aber möglichst zu erhalten suche, während man bei der Cementation die ganze Masse bis ins Innerste in Stahl umzuwandeln strebe. Bei letzterer wolle man erst ein Material herstellen, das man alsdann verarbeite und je nach dem Zwecke seiner Verwendung in bestimmte Formen ausschmiede, bei ersterem dagegen habe man schon die gewünschte Form erzeugt und wolle dieser nur so weit wie nötig eine äuſserliche Härtung geben; es soll dabei möglichst vermieden werden, den Gegenstand spröde zu machen; seine Festigkeit soll ihm erhalten bleiben, was nur möglich ist, wenn die Umwandlung in Stahl nur eine oberflächliche ist, der Kern aber Schmiedeeisen oder weicher Stahl bleibt. Deshalb müsse man bei der Einsatzhärtung für das Härtepulver schnellwirkende Stoffe auswählen, welche schon bei geringer Hitze wirksam seien. Aus diesem Grunde eignen sich Stoffe für die Einsatzhärtung oder Oberflächenverstählung, welche für die Cementstahlbereitung zu ver- Beck, Geschichte des Eisens. 15

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/239>, abgerufen am 24.11.2024.