Stoff sei aber keinesfalls Eisen. Die Reinigung des Eisens zu Stahl aber so aufzufassen, dass der Stahl einen vollkommenen Zustand des Eisens darstelle, sei ebenfalls widersinnig. Eisen und Stahl seien Körper von verschiedenen Eigenschaften, von denen die einen diesem, die anderen jenem Zwecke besser dienten, und man könne durchaus nicht sagen, dass der eine an und für sich schätzbarer sei als der andere. Fiele alles Eisen bei seiner Herstellung als Stahl, so wäre man ebenso gezwungen, auf Mittel zu sinnen, denselben in weiches, geschmei- diges Eisen umzuwandeln, wie man jetzt den umgekehrten Weg ver- folge. Eine Reinigung finde bei der Verwandlung des Schmiedeeisens in Stahl also nicht statt, sondern eine Stoffaufnahme. Diese Stoffe konnten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft keine anderen sein als Schwefel und Salz. Dies ist nun freilich ein grosser Irrtum, denn der bei der Cementation von dem Eisen aufgenommene Stoff ist weder Schwefel noch Salz, sondern Kohlenstoff. Reaumurs falsche Theorie beeinträchtigt aber in keiner Weise die Richtigkeit seiner Beobachtungen, dagegen verleitet sie ihn zu falschen Schlüssen. Er findet die Aufnahme von Schwefel und flüchtigem Salz darin bestätigt, dass bei öfterem Ausheizen der Stahl an seinen charakteristischen Eigenschaften Einbusse erleide. Dies erklärt Reaumur aus der Verflüchtigung der aufgenommenen Stoffe und er behauptet, dass man durch längeres Erhitzen Schwefel und Salz gänzlich wieder austreiben könne, wodurch der Stahl wieder zu Schmiedeeisen werde. Diese Be- hauptung ist in dieser unbedingten Fassung falsch und konnte von ihm nur aufgestellt werden, weil er die Rolle, welche der Sauerstoff der Luft bei der Entkohlung des Stahls spielt, nicht kannte. Diese falsche Theorie ist es auch, welche Reaumur die Bedeutung des Seesalzes als eines Bestandteils der Cementierpulver überschätzen lässt.
Reaumur fand selbst, dass das Erhitzen in einem Kohlenfeuer unsicher war und ganz verschiedene Resultate ergab. Bei seiner Untersuchung der Einwirkung verschiedener Stoffe auf das Eisen in der Hitze, welche er angestellt hatte, um das beste Cementierpulver zu finden, hatte er bereits die Beobachtung gemacht, dass manche Stoffe, statt das Eisen härter zu machen, es eher weicher machten. Dieser bediente er sich nun, um in derselben Weise wie bei der Cementation, den Brennstahl darin einzupacken und zu glühen. Als die geeignetsten Stoffe hierfür fand er Knochenkohle und Kreide, welche er mit 1/3 ihres Gewichtes mit Holzkohlenpulver vermengte. Dieses Glühen geschah in denselben Öfen, wie das Cementieren. Die Brennzeit erforderte aber nur 1/3 der Zeit, wie beim Cementieren.
Die Cementstahlfabrikation.
Stoff sei aber keinesfalls Eisen. Die Reinigung des Eisens zu Stahl aber so aufzufassen, daſs der Stahl einen vollkommenen Zustand des Eisens darstelle, sei ebenfalls widersinnig. Eisen und Stahl seien Körper von verschiedenen Eigenschaften, von denen die einen diesem, die anderen jenem Zwecke besser dienten, und man könne durchaus nicht sagen, daſs der eine an und für sich schätzbarer sei als der andere. Fiele alles Eisen bei seiner Herstellung als Stahl, so wäre man ebenso gezwungen, auf Mittel zu sinnen, denselben in weiches, geschmei- diges Eisen umzuwandeln, wie man jetzt den umgekehrten Weg ver- folge. Eine Reinigung finde bei der Verwandlung des Schmiedeeisens in Stahl also nicht statt, sondern eine Stoffaufnahme. Diese Stoffe konnten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft keine anderen sein als Schwefel und Salz. Dies ist nun freilich ein groſser Irrtum, denn der bei der Cementation von dem Eisen aufgenommene Stoff ist weder Schwefel noch Salz, sondern Kohlenstoff. Reaumurs falsche Theorie beeinträchtigt aber in keiner Weise die Richtigkeit seiner Beobachtungen, dagegen verleitet sie ihn zu falschen Schlüssen. Er findet die Aufnahme von Schwefel und flüchtigem Salz darin bestätigt, daſs bei öfterem Ausheizen der Stahl an seinen charakteristischen Eigenschaften Einbuſse erleide. Dies erklärt Reaumur aus der Verflüchtigung der aufgenommenen Stoffe und er behauptet, daſs man durch längeres Erhitzen Schwefel und Salz gänzlich wieder austreiben könne, wodurch der Stahl wieder zu Schmiedeeisen werde. Diese Be- hauptung ist in dieser unbedingten Fassung falsch und konnte von ihm nur aufgestellt werden, weil er die Rolle, welche der Sauerstoff der Luft bei der Entkohlung des Stahls spielt, nicht kannte. Diese falsche Theorie ist es auch, welche Reaumur die Bedeutung des Seesalzes als eines Bestandteils der Cementierpulver überschätzen läſst.
Reaumur fand selbst, daſs das Erhitzen in einem Kohlenfeuer unsicher war und ganz verschiedene Resultate ergab. Bei seiner Untersuchung der Einwirkung verschiedener Stoffe auf das Eisen in der Hitze, welche er angestellt hatte, um das beste Cementierpulver zu finden, hatte er bereits die Beobachtung gemacht, daſs manche Stoffe, statt das Eisen härter zu machen, es eher weicher machten. Dieser bediente er sich nun, um in derselben Weise wie bei der Cementation, den Brennstahl darin einzupacken und zu glühen. Als die geeignetsten Stoffe hierfür fand er Knochenkohle und Kreide, welche er mit ⅓ ihres Gewichtes mit Holzkohlenpulver vermengte. Dieses Glühen geschah in denselben Öfen, wie das Cementieren. Die Brennzeit erforderte aber nur ⅓ der Zeit, wie beim Cementieren.
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Die Cementstahlfabrikation.
Stoff sei aber keinesfalls Eisen. Die Reinigung des Eisens zu Stahl
aber so aufzufassen, daſs der Stahl einen vollkommenen Zustand des
Eisens darstelle, sei ebenfalls widersinnig. Eisen und Stahl seien
Körper von verschiedenen Eigenschaften, von denen die einen diesem,
die anderen jenem Zwecke besser dienten, und man könne durchaus
nicht sagen, daſs der eine an und für sich schätzbarer sei als der
andere. Fiele alles Eisen bei seiner Herstellung als Stahl, so wäre man
ebenso gezwungen, auf Mittel zu sinnen, denselben in weiches, geschmei-
diges Eisen umzuwandeln, wie man jetzt den umgekehrten Weg ver-
folge. Eine Reinigung finde bei der Verwandlung des Schmiedeeisens
in Stahl also nicht statt, sondern eine Stoffaufnahme. Diese Stoffe
konnten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft keine anderen
sein als Schwefel und Salz. Dies ist nun freilich ein groſser Irrtum,
denn der bei der Cementation von dem Eisen aufgenommene Stoff ist
weder Schwefel noch Salz, sondern Kohlenstoff. Reaumurs falsche
Theorie beeinträchtigt aber in keiner Weise die Richtigkeit seiner
Beobachtungen, dagegen verleitet sie ihn zu falschen Schlüssen. Er
findet die Aufnahme von Schwefel und flüchtigem Salz darin bestätigt,
daſs bei öfterem Ausheizen der Stahl an seinen charakteristischen
Eigenschaften Einbuſse erleide. Dies erklärt Reaumur aus der
Verflüchtigung der aufgenommenen Stoffe und er behauptet, daſs man
durch längeres Erhitzen Schwefel und Salz gänzlich wieder austreiben
könne, wodurch der Stahl wieder zu Schmiedeeisen werde. Diese Be-
hauptung ist in dieser unbedingten Fassung falsch und konnte von
ihm nur aufgestellt werden, weil er die Rolle, welche der Sauerstoff
der Luft bei der Entkohlung des Stahls spielt, nicht kannte. Diese
falsche Theorie ist es auch, welche Reaumur die Bedeutung des
Seesalzes als eines Bestandteils der Cementierpulver überschätzen läſst.
Reaumur fand selbst, daſs das Erhitzen in einem Kohlenfeuer
unsicher war und ganz verschiedene Resultate ergab. Bei seiner
Untersuchung der Einwirkung verschiedener Stoffe auf das Eisen in
der Hitze, welche er angestellt hatte, um das beste Cementierpulver
zu finden, hatte er bereits die Beobachtung gemacht, daſs manche
Stoffe, statt das Eisen härter zu machen, es eher weicher machten.
Dieser bediente er sich nun, um in derselben Weise wie bei der
Cementation, den Brennstahl darin einzupacken und zu glühen. Als
die geeignetsten Stoffe hierfür fand er Knochenkohle und Kreide,
welche er mit ⅓ ihres Gewichtes mit Holzkohlenpulver vermengte.
Dieses Glühen geschah in denselben Öfen, wie das Cementieren. Die
Brennzeit erforderte aber nur ⅓ der Zeit, wie beim Cementieren.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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