Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Hochöfen bis 1734.
aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken
so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf
darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen
Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schloss damit den Vor-
herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen,
so dass es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so muss
man es abstechen. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige
Stunden zuvor, bricht man den Vorherd mit dem Schlackenspiess
auf, fährt mit dem Spiess im ganzen Herd am Boden und Wänden
herum, um diese zu reinigen und anhängende Massen loszustossen,
zieht diese aus dem Vorherd heraus und schliesst denselben mit
Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach
dem Abstich, so dass also der Vorherd zwischen jedem Abstich
zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde
Flusssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen
gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache
Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der
Flusssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben musste. Die Form
wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man
den Wind ab, zog die Bälge zurück, schloss die Form mit einem
Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht
schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen-
stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige,
hellrote Eisen floss heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf.
Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen
zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen.
An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden,
warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu
können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser
oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so
warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so mussten die Anwesenden
bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum-
fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck-
licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen
Eisen umzugehen, und so unempfindlich, dass sie Fremden für ein
Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die
ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus-
zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die
hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst
unter die Achselhöhle, damit sie von Schweiss feucht werde, auch

Hochöfen bis 1734.
aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken
so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf
darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen
Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schloſs damit den Vor-
herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen,
so daſs es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so muſs
man es abstechen. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige
Stunden zuvor, bricht man den Vorherd mit dem Schlackenspieſs
auf, fährt mit dem Spieſs im ganzen Herd am Boden und Wänden
herum, um diese zu reinigen und anhängende Massen loszustoſsen,
zieht diese aus dem Vorherd heraus und schlieſst denselben mit
Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach
dem Abstich, so daſs also der Vorherd zwischen jedem Abstich
zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde
Fluſssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen
gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache
Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der
Fluſssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben muſste. Die Form
wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man
den Wind ab, zog die Bälge zurück, schloſs die Form mit einem
Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht
schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen-
stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige,
hellrote Eisen floſs heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf.
Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen
zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen.
An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden,
warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu
können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser
oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so
warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so muſsten die Anwesenden
bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum-
fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck-
licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen
Eisen umzugehen, und so unempfindlich, daſs sie Fremden für ein
Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die
ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus-
zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die
hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst
unter die Achselhöhle, damit sie von Schweiſs feucht werde, auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0164" n="150"/><fw place="top" type="header">Hochöfen bis 1734.</fw><lb/>
aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken<lb/>
so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf<lb/>
darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen<lb/>
Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schlo&#x017F;s damit den Vor-<lb/>
herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen,<lb/>
so da&#x017F;s es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so mu&#x017F;s<lb/>
man es <hi rendition="#g">abstechen</hi>. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige<lb/>
Stunden zuvor, bricht man den <hi rendition="#g">Vorherd</hi> mit dem Schlackenspie&#x017F;s<lb/>
auf, fährt mit dem Spie&#x017F;s im ganzen Herd am Boden und Wänden<lb/>
herum, um diese zu <hi rendition="#g">reinigen</hi> und anhängende Massen loszusto&#x017F;sen,<lb/>
zieht diese aus dem Vorherd heraus und schlie&#x017F;st denselben mit<lb/>
Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach<lb/>
dem Abstich, so da&#x017F;s also der Vorherd zwischen jedem Abstich<lb/>
zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde<lb/>
Flu&#x017F;ssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen<lb/>
gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache<lb/>
Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der<lb/>
Flu&#x017F;ssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben mu&#x017F;ste. Die Form<lb/>
wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man<lb/>
den Wind ab, zog die Bälge zurück, schlo&#x017F;s die Form mit einem<lb/>
Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht<lb/>
schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen-<lb/>
stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige,<lb/>
hellrote Eisen flo&#x017F;s heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf.<lb/>
Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen<lb/>
zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen.<lb/>
An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden,<lb/>
warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu<lb/>
können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser<lb/>
oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so<lb/>
warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so mu&#x017F;sten die Anwesenden<lb/>
bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum-<lb/>
fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck-<lb/>
licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen<lb/>
Eisen umzugehen, und so unempfindlich, da&#x017F;s sie Fremden für ein<lb/>
Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die<lb/>
ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus-<lb/>
zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die<lb/>
hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst<lb/>
unter die Achselhöhle, damit sie von Schwei&#x017F;s feucht werde, auch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0164] Hochöfen bis 1734. aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schloſs damit den Vor- herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen, so daſs es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so muſs man es abstechen. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige Stunden zuvor, bricht man den Vorherd mit dem Schlackenspieſs auf, fährt mit dem Spieſs im ganzen Herd am Boden und Wänden herum, um diese zu reinigen und anhängende Massen loszustoſsen, zieht diese aus dem Vorherd heraus und schlieſst denselben mit Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach dem Abstich, so daſs also der Vorherd zwischen jedem Abstich zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde Fluſssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der Fluſssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben muſste. Die Form wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man den Wind ab, zog die Bälge zurück, schloſs die Form mit einem Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen- stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige, hellrote Eisen floſs heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf. Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen. An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden, warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so muſsten die Anwesenden bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum- fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck- licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen Eisen umzugehen, und so unempfindlich, daſs sie Fremden für ein Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus- zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst unter die Achselhöhle, damit sie von Schweiſs feucht werde, auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/164
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/164>, abgerufen am 09.11.2024.