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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Dampfmaschine vor Watt.
Veckerhagen gegossen sein soll, zu einer projektierten Feuermaschine
aus späterer Zeit, welche nie ausgeführt wurde.

Grosses Verdienst um die Einführung der ersten Dampfmaschine
auf dem Kontinent hat der obengenannte Joseph Emanuel
Fischer von Erlach
, der als Sohn des berühmten Hofbaumeisters
in Wien 1680 geboren, in die Fussstapfen seines Vaters trat, sich
aber mit Vorliebe dem Maschinenwesen und namentlich der damals
neu aufgetauchten Dampfmaschine zuwendete, sich erworben. Seine
Kenntnisse darin, wegen deren er 1721/22 nach Kassel berufen wurde,
hatte er sich in England selbst angeeignet 1). Er bestellte um dieselbe
Zeit eine Newcomen-Maschine in England für ein Bergwerk bei
Königsberg in Ungarn, bei dem er beteiligt war. Isaac Potter,
aus dem Bistum Durham stammend 2), führte diese Maschine aus. Sie
wäre anfänglich für die Bergwerke in Schemnitz bestimmt gewesen,
aber ihre Aufstellung daselbst wäre an dem Widerstande der Leute,
welche 500 Pferde für die Gruben hielten und brotlos zu werden fürch-
teten, gescheitert (Calvör). Nach einer englischen Notiz 3) wäre
Potter schon im Jahre 1721 mit dieser Maschine nach Ungarn ge-
reist. In regelmässigen Betrieb kam dieselbe aber erst im März 1724.
Obiger erster Misserfolg würde diese Verzögerung zum Teil erklären.
Allerdings ging er bei der Aufstellung so gründlich zu Werke und
brauchte soviel Zeit dazu, dass die Gewerke ungeduldig wurden,
murrten und schon anfingen, ihn für einen Charlatan zu halten.

Leupold sagt, es habe eben damals schon gar viele gegeben,
die sich rühmten, solche Maschinen aufrichten zu können, ohne irgend
etwas davon zu verstehen. Potters Sorgfalt kam seinem Werke zu
gute, welches, nachdem es in Betrieb gesetzt war, allgemein ange-
staunt wurde. Viele schrieben Potter, andere Fischer von
Erlach
den Ruhm der Erfindung zu; mit Unrecht, denn es war eine
echte Newcomen-Maschine. Der berühmte Leupold hat sie in
seinem Theatrum Machinarum Hydraulicarum 1724 abgebildet und
sehr lobend besprochen. §. 202 handelt "Von der Feuermaschine
des Herrn Potters, welche er zu Königsberg in Ungarn gebaut und
allda mit gutem Success und Vergnügen der Kompagnie das ihrige
prästieren soll". Viele hätten Versuche gemacht, grosse Maschinen

1) Calvörs Angabe, dass er seine Kenntnis erst in Königsberg erworben,
stimmt nicht zu dem Faktum seiner Berufung nach Kassel.
2) Smiles hält diesen irrtümlich für identisch mit dem Knaben Hum-
phrey Potter
, welcher das scoggan erfand, siehe Smiles, James Watt, p. 60.
3) Siehe Abridgments a. a. O., S. 40.

Die Dampfmaschine vor Watt.
Veckerhagen gegossen sein soll, zu einer projektierten Feuermaschine
aus späterer Zeit, welche nie ausgeführt wurde.

Groſses Verdienst um die Einführung der ersten Dampfmaschine
auf dem Kontinent hat der obengenannte Joseph Emanuel
Fischer von Erlach
, der als Sohn des berühmten Hofbaumeisters
in Wien 1680 geboren, in die Fuſsstapfen seines Vaters trat, sich
aber mit Vorliebe dem Maschinenwesen und namentlich der damals
neu aufgetauchten Dampfmaschine zuwendete, sich erworben. Seine
Kenntnisse darin, wegen deren er 1721/22 nach Kassel berufen wurde,
hatte er sich in England selbst angeeignet 1). Er bestellte um dieselbe
Zeit eine Newcomen-Maschine in England für ein Bergwerk bei
Königsberg in Ungarn, bei dem er beteiligt war. Isaac Potter,
aus dem Bistum Durham stammend 2), führte diese Maschine aus. Sie
wäre anfänglich für die Bergwerke in Schemnitz bestimmt gewesen,
aber ihre Aufstellung daselbst wäre an dem Widerstande der Leute,
welche 500 Pferde für die Gruben hielten und brotlos zu werden fürch-
teten, gescheitert (Calvör). Nach einer englischen Notiz 3) wäre
Potter schon im Jahre 1721 mit dieser Maschine nach Ungarn ge-
reist. In regelmäſsigen Betrieb kam dieselbe aber erst im März 1724.
Obiger erster Miſserfolg würde diese Verzögerung zum Teil erklären.
Allerdings ging er bei der Aufstellung so gründlich zu Werke und
brauchte soviel Zeit dazu, daſs die Gewerke ungeduldig wurden,
murrten und schon anfingen, ihn für einen Charlatan zu halten.

Leupold sagt, es habe eben damals schon gar viele gegeben,
die sich rühmten, solche Maschinen aufrichten zu können, ohne irgend
etwas davon zu verstehen. Potters Sorgfalt kam seinem Werke zu
gute, welches, nachdem es in Betrieb gesetzt war, allgemein ange-
staunt wurde. Viele schrieben Potter, andere Fischer von
Erlach
den Ruhm der Erfindung zu; mit Unrecht, denn es war eine
echte Newcomen-Maschine. Der berühmte Leupold hat sie in
seinem Theatrum Machinarum Hydraulicarum 1724 abgebildet und
sehr lobend besprochen. §. 202 handelt „Von der Feuermaschine
des Herrn Potters, welche er zu Königsberg in Ungarn gebaut und
allda mit gutem Succeſs und Vergnügen der Kompagnie das ihrige
prästieren soll“. Viele hätten Versuche gemacht, groſse Maschinen

1) Calvörs Angabe, daſs er seine Kenntnis erst in Königsberg erworben,
stimmt nicht zu dem Faktum seiner Berufung nach Kassel.
2) Smiles hält diesen irrtümlich für identisch mit dem Knaben Hum-
phrey Potter
, welcher das scoggan erfand, siehe Smiles, James Watt, p. 60.
3) Siehe Abridgments a. a. O., S. 40.
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[107/0121] Die Dampfmaschine vor Watt. Veckerhagen gegossen sein soll, zu einer projektierten Feuermaschine aus späterer Zeit, welche nie ausgeführt wurde. Groſses Verdienst um die Einführung der ersten Dampfmaschine auf dem Kontinent hat der obengenannte Joseph Emanuel Fischer von Erlach, der als Sohn des berühmten Hofbaumeisters in Wien 1680 geboren, in die Fuſsstapfen seines Vaters trat, sich aber mit Vorliebe dem Maschinenwesen und namentlich der damals neu aufgetauchten Dampfmaschine zuwendete, sich erworben. Seine Kenntnisse darin, wegen deren er 1721/22 nach Kassel berufen wurde, hatte er sich in England selbst angeeignet 1). Er bestellte um dieselbe Zeit eine Newcomen-Maschine in England für ein Bergwerk bei Königsberg in Ungarn, bei dem er beteiligt war. Isaac Potter, aus dem Bistum Durham stammend 2), führte diese Maschine aus. Sie wäre anfänglich für die Bergwerke in Schemnitz bestimmt gewesen, aber ihre Aufstellung daselbst wäre an dem Widerstande der Leute, welche 500 Pferde für die Gruben hielten und brotlos zu werden fürch- teten, gescheitert (Calvör). Nach einer englischen Notiz 3) wäre Potter schon im Jahre 1721 mit dieser Maschine nach Ungarn ge- reist. In regelmäſsigen Betrieb kam dieselbe aber erst im März 1724. Obiger erster Miſserfolg würde diese Verzögerung zum Teil erklären. Allerdings ging er bei der Aufstellung so gründlich zu Werke und brauchte soviel Zeit dazu, daſs die Gewerke ungeduldig wurden, murrten und schon anfingen, ihn für einen Charlatan zu halten. Leupold sagt, es habe eben damals schon gar viele gegeben, die sich rühmten, solche Maschinen aufrichten zu können, ohne irgend etwas davon zu verstehen. Potters Sorgfalt kam seinem Werke zu gute, welches, nachdem es in Betrieb gesetzt war, allgemein ange- staunt wurde. Viele schrieben Potter, andere Fischer von Erlach den Ruhm der Erfindung zu; mit Unrecht, denn es war eine echte Newcomen-Maschine. Der berühmte Leupold hat sie in seinem Theatrum Machinarum Hydraulicarum 1724 abgebildet und sehr lobend besprochen. §. 202 handelt „Von der Feuermaschine des Herrn Potters, welche er zu Königsberg in Ungarn gebaut und allda mit gutem Succeſs und Vergnügen der Kompagnie das ihrige prästieren soll“. Viele hätten Versuche gemacht, groſse Maschinen 1) Calvörs Angabe, daſs er seine Kenntnis erst in Königsberg erworben, stimmt nicht zu dem Faktum seiner Berufung nach Kassel. 2) Smiles hält diesen irrtümlich für identisch mit dem Knaben Hum- phrey Potter, welcher das scoggan erfand, siehe Smiles, James Watt, p. 60. 3) Siehe Abridgments a. a. O., S. 40.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/121>, abgerufen am 26.11.2024.