hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.
Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen, wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug auf das Eisen behauptete er, dass es auf diese Weise entstehen könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als- dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall- erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei- mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er- scheinung sehr geheimnisvoll.
Ebenso verfocht er die Ansicht, dass man Eisen nicht nur so weich wie Blei machen könne, sondern dass es sich thatsächlich in Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334): Es scheint, dass das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an- geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten. Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, dass es sich in Eisen um- wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile; hinc un um facile in aliud mutatur).
Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi- sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der Metalle und ihrer Oxyde.
Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, dass Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge- treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war
1)Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.
Die Chemie im 17. Jahrhundert.
hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.
Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen, wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als- dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall- erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei- mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er- scheinung sehr geheimnisvoll.
Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334): Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an- geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten. Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um- wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile; hinc un um facile in aliud mutatur).
Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi- sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der Metalle und ihrer Oxyde.
Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, daſs Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge- treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war
1)Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0984"n="962"/><fwplace="top"type="header">Die Chemie im 17. Jahrhundert.</fw><lb/>
hin, welche durch <hirendition="#g">Stahl</hi> zu einem System ausgebildet wurde, das die<lb/>
Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.</p><lb/><p>Während <hirendition="#g">Becher</hi> in seiner Verbrennungstheorie sich von den<lb/>
alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen,<lb/>
wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch<lb/>
ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug<lb/>
auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen<lb/>
könnte <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#g">Becher</hi>, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea<lb/>
metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. <hirendition="#g">Becher</hi><lb/>
hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die<lb/>
Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.</note>. Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als-<lb/>
dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall-<lb/>
erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage<lb/>
diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei-<lb/>
mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er-<lb/>
scheinung sehr geheimnisvoll.</p><lb/><p>Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so<lb/>
weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in<lb/>
Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334):<lb/>
Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei<lb/>
verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an-<lb/>
geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich<lb/>
zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs<lb/>
zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten.<lb/>
Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um-<lb/>
wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile;<lb/><hirendition="#g">hinc un um facile in aliud mutatur</hi>).</p><lb/><p>Die Verkalkung beruht nach <hirendition="#g">Becher</hi> auf dem Austreiben der<lb/>
terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi-<lb/>
sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der<lb/>
Metalle und ihrer Oxyde.</p><lb/><p>Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen<lb/>
reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien <hirendition="#g">Gebers</hi>, daſs<lb/>
Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle<lb/>
seien, wozu seit <hirendition="#g">Basilius Valentinus</hi> als dritter noch das Salz ge-<lb/>
treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen<lb/>
Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten<lb/>
aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit<lb/>
von <hirendition="#g">Christof Glaser</hi> hervor. <hirendition="#g">Glaser</hi>, ein geborener Baseler, war<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[962/0984]
Die Chemie im 17. Jahrhundert.
hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die
Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.
Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den
alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen,
wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch
ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug
auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen
könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als-
dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall-
erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage
diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei-
mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er-
scheinung sehr geheimnisvoll.
Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so
weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in
Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334):
Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei
verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an-
geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich
zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs
zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten.
Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um-
wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile;
hinc un um facile in aliud mutatur).
Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der
terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi-
sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der
Metalle und ihrer Oxyde.
Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen
reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, daſs
Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle
seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge-
treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen
Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten
aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit
von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war
1) Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea
metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher
hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die
Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 962. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/984>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.