geheuren russischen Ebene bis zum Ural hin. Um Nowgorod hatte sich, veranlasst durch den grossen Bedarf des riesigen Marktverkehrs, zu dem tausende und tausende von Fuhrwerken und Pferden von der Ostsee, von Asien und aus dem Lande zusammenströmten, eine ganz ausgedehnte Eisenindustrie entwickelt. In hunderten von kleinen Schachtöfchen wurde aus Raseneisenstein Eisen ausgeschmolzen, und es war das Verfahren dem schwedischen so ähnlich, dass der Gedanke nahe liegt, dass die Gotlander, die ja am ersten den Handel mit Nowgorod betrieben, ihre Bauernöfen dorthin verpflanzt hätten. Dass um Tula gegen Ende des 16. Jahrhunderts Eisen gewonnen wurde, ist bekannt, zweifellos war dies aber schon viel früher der Fall. Im Ural, wo im Permschen Gouvernement die Natur Eisenmassen, wie kaum sonstwo auf Erden, aufgetürmt hat, bestand auch gewiss schon in sehr alter Zeit Eisengewinnung, darauf deuten die ausgedehnten alten Pingen. Nachrichten haben wir darüber keine. --
Iwan Wassiljewitsch hatte die deutschen Kaufleute von Nowgorod aus Russland ausgewiesen, aber noch weniger als später in Schweden Gustav Wasa konnte er der fremden, insbesondere der deutschen Arbeiter entbehren. 1484 schickte Iwan seinen Staatsschreiber Fedor Kirizin an König Mathias Corvinus von Ungarn mit dem Ersuchen, seine Ge- schützgiesser, Ingenieure, Baumeister und Bergverständige zu schicken1). Ebenso sandte er später einen Griechen, Georg Trachaniotes, als Ge- sandten an die deutschen Kaiser Friedrich III. und Maximilian und liess um Erlaubnis bitten, in Deutschland gute Künstler, Baumeister und Bergleute für seinen Dienst anwerben zu dürfen. 1492 gelang es den Gesandten Trachaniotes und Jaropkin, in Deutschland ge- schickte Handwerker und Bergleute für den Zaren anzuwerben. Von der Thätigkeit der Letzteren versprach sich Iwan besonders viel und zwei derselben entsprachen auch seinen Erwartungen in vollem Masse. Johann und Victor -- nur ihre Vornamen haben die russischen An- nalen aufbewahrt -- waren in Begleitung zweier Russen an die Ufer der Petschora gezogen, um Silber zu suchen. Was sie hier nicht fanden, trafen sie 300 Werst südwestlich an der Gylma, einem Neben- fluss der Petschora. Auf einem Flächenraum von 10 Werst entdeckten sie eine Silber- und eine Kupfermine, deren Erträgnisse den Gross- fürsten bald in den Stand setzten, aus heimatlichem Silber Münzen schlagen zu können, während er bis dahin die Edelmetalle aus dem Auslande bezogen hatte.
1) Siehe A. Winckler, die deutsche Hansa in Russland, 1886, S. 54.
Ruſsland.
geheuren russischen Ebene bis zum Ural hin. Um Nowgorod hatte sich, veranlaſst durch den groſsen Bedarf des riesigen Marktverkehrs, zu dem tausende und tausende von Fuhrwerken und Pferden von der Ostsee, von Asien und aus dem Lande zusammenströmten, eine ganz ausgedehnte Eisenindustrie entwickelt. In hunderten von kleinen Schachtöfchen wurde aus Raseneisenstein Eisen ausgeschmolzen, und es war das Verfahren dem schwedischen so ähnlich, daſs der Gedanke nahe liegt, daſs die Gotlander, die ja am ersten den Handel mit Nowgorod betrieben, ihre Bauernöfen dorthin verpflanzt hätten. Daſs um Tula gegen Ende des 16. Jahrhunderts Eisen gewonnen wurde, ist bekannt, zweifellos war dies aber schon viel früher der Fall. Im Ural, wo im Permschen Gouvernement die Natur Eisenmassen, wie kaum sonstwo auf Erden, aufgetürmt hat, bestand auch gewiſs schon in sehr alter Zeit Eisengewinnung, darauf deuten die ausgedehnten alten Pingen. Nachrichten haben wir darüber keine. —
Iwan Wassiljewitsch hatte die deutschen Kaufleute von Nowgorod aus Ruſsland ausgewiesen, aber noch weniger als später in Schweden Gustav Wasa konnte er der fremden, insbesondere der deutschen Arbeiter entbehren. 1484 schickte Iwan seinen Staatsschreiber Fedor Kirizin an König Mathias Corvinus von Ungarn mit dem Ersuchen, seine Ge- schützgieſser, Ingenieure, Baumeister und Bergverständige zu schicken1). Ebenso sandte er später einen Griechen, Georg Trachaniotes, als Ge- sandten an die deutschen Kaiser Friedrich III. und Maximilian und lieſs um Erlaubnis bitten, in Deutschland gute Künstler, Baumeister und Bergleute für seinen Dienst anwerben zu dürfen. 1492 gelang es den Gesandten Trachaniotes und Jaropkin, in Deutschland ge- schickte Handwerker und Bergleute für den Zaren anzuwerben. Von der Thätigkeit der Letzteren versprach sich Iwan besonders viel und zwei derselben entsprachen auch seinen Erwartungen in vollem Maſse. Johann und Victor — nur ihre Vornamen haben die russischen An- nalen aufbewahrt — waren in Begleitung zweier Russen an die Ufer der Petschora gezogen, um Silber zu suchen. Was sie hier nicht fanden, trafen sie 300 Werst südwestlich an der Gylma, einem Neben- fluſs der Petschora. Auf einem Flächenraum von 10 Werst entdeckten sie eine Silber- und eine Kupfermine, deren Erträgnisse den Groſs- fürsten bald in den Stand setzten, aus heimatlichem Silber Münzen schlagen zu können, während er bis dahin die Edelmetalle aus dem Auslande bezogen hatte.
1) Siehe A. Winckler, die deutsche Hansa in Ruſsland, 1886, S. 54.
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geheuren russischen Ebene bis zum Ural hin. Um Nowgorod hatte
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zu dem tausende und tausende von Fuhrwerken und Pferden von der
Ostsee, von Asien und aus dem Lande zusammenströmten, eine ganz
ausgedehnte Eisenindustrie entwickelt. In hunderten von kleinen
Schachtöfchen wurde aus Raseneisenstein Eisen ausgeschmolzen, und
es war das Verfahren dem schwedischen so ähnlich, daſs der Gedanke
nahe liegt, daſs die Gotlander, die ja am ersten den Handel mit
Nowgorod betrieben, ihre Bauernöfen dorthin verpflanzt hätten. Daſs
um Tula gegen Ende des 16. Jahrhunderts Eisen gewonnen wurde,
ist bekannt, zweifellos war dies aber schon viel früher der Fall. Im
Ural, wo im Permschen Gouvernement die Natur Eisenmassen, wie
kaum sonstwo auf Erden, aufgetürmt hat, bestand auch gewiſs schon
in sehr alter Zeit Eisengewinnung, darauf deuten die ausgedehnten
alten Pingen. Nachrichten haben wir darüber keine. —
Iwan Wassiljewitsch hatte die deutschen Kaufleute von Nowgorod
aus Ruſsland ausgewiesen, aber noch weniger als später in Schweden
Gustav Wasa konnte er der fremden, insbesondere der deutschen Arbeiter
entbehren. 1484 schickte Iwan seinen Staatsschreiber Fedor Kirizin an
König Mathias Corvinus von Ungarn mit dem Ersuchen, seine Ge-
schützgieſser, Ingenieure, Baumeister und Bergverständige zu schicken 1).
Ebenso sandte er später einen Griechen, Georg Trachaniotes, als Ge-
sandten an die deutschen Kaiser Friedrich III. und Maximilian und
lieſs um Erlaubnis bitten, in Deutschland gute Künstler, Baumeister
und Bergleute für seinen Dienst anwerben zu dürfen. 1492 gelang
es den Gesandten Trachaniotes und Jaropkin, in Deutschland ge-
schickte Handwerker und Bergleute für den Zaren anzuwerben. Von
der Thätigkeit der Letzteren versprach sich Iwan besonders viel und
zwei derselben entsprachen auch seinen Erwartungen in vollem Maſse.
Johann und Victor — nur ihre Vornamen haben die russischen An-
nalen aufbewahrt — waren in Begleitung zweier Russen an die Ufer
der Petschora gezogen, um Silber zu suchen. Was sie hier nicht
fanden, trafen sie 300 Werst südwestlich an der Gylma, einem Neben-
fluſs der Petschora. Auf einem Flächenraum von 10 Werst entdeckten
sie eine Silber- und eine Kupfermine, deren Erträgnisse den Groſs-
fürsten bald in den Stand setzten, aus heimatlichem Silber Münzen
schlagen zu können, während er bis dahin die Edelmetalle aus dem
Auslande bezogen hatte.
1) Siehe A. Winckler, die deutsche Hansa in Ruſsland, 1886, S. 54.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/926>, abgerufen am 22.11.2024.
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