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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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England.
Arbeiter aus allen Gegenden nach Sussex, um dort ihr Glück zu
suchen. So war auch der Gründer der Familie Gale ein armer
Schmied, der aus Not nach Sussex gewandert war. Hier erwarb er
grosses Vermögen. Sein Sohn, einer der grössten Industriellen Eng-
lands, wurde geadelt und Parlamentsmitglied. Die Eisenindustrie von
Sussex erreichte ihren Höhepunkt zu Ende der Regierung der Elisa-
beth, zu welcher Zeit das Gewerbe so blühend wurde, dass England,
statt Eisen einzuführen, solches in Form von eisernen Geschützen
auszuführen begann. Sir Thomas Leighton und Sir Henry Ne-
ville
hatten für die Geschützausfuhr Patente der Königin; so kam
es, dass die Spanier mit englischen Kanonen gegen England kämpften.
Sir Walter Raleigh rief die Aufmerksamkeit des Parlamentes auf
diesen Gegenstand, indem er ausrief: Gewiss! früher war eins unserer
Schiffe zehn spanischen überlegen, jetzt aber sind sie durch unsere
Kanonen im Einzelkampf kaum zu besiegen. Daraufhin wurde ein
Gesetz gegen die Ausfuhr von Geschützen erlassen, aber der Handel
war für die hohen Herren so einträglich, dass doch immer noch viele
Kanonen auf dem Wege des Schmuggels in das Ausland gingen.
Camden sagt: Es ist erstaunlich, wie viele eiserne Kanonen in
dieser Grafschaft gemacht werden! Derselbe schildert die Eisenwerke
von Sussex und beschreibt den Lärm der Eisenhämmer. Die Helme
der Hämmer waren von Eschenholz, 9 Fuss lang, mit Eisenbändern
gebunden. Die Hämmer wurden durch Hebedaumen gehoben. Die
Hütten hatten Spannteiche. Als Gebläse dienten Lederbälge, welche
von Wasserrädern oder durch Pferdegöpel bewegt wurden. Ein Hoch-
ofen gab drei bis vier Tonnen Eisen in der Woche.

Der Krieg mit Spanien, welcher die Einfuhr spanischen Eisens
verhinderte, gab Veranlassung, dass England grosse Mengen von Eisen
aus Schweden bezog, und seit der Zeit hat diese Verbindung und die
Einfuhr schwedischen Eisens nie mehr aufgehört.

Während in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Eisen-
industrie in Sussex sich zu hoher Blüte entwickelte, ging dieselbe in
Lancashire wegen Mangel an Holz zu Grunde. Furness, der insel-
artige Strich in Lancashire, hat nach Camden seinen Namen von
den vielen Eisenschmelzen, die dort in alter Zeit bestanden. Aber
im 7. Jahre der Königin Elisabeth (1565) wurden die Rennwerke
(bloomaries) in High-Furness auf eine Vorstellung der Grundbesitzer
von Hawshead und Colton, wegen der Verwüstung der Waldungen
durch dieselben, und dass das Unterholz für die Ernährung des Viehes
erhalten bleiben müsste, unterdrückt. Diese Schmelzhütten waren

England.
Arbeiter aus allen Gegenden nach Sussex, um dort ihr Glück zu
suchen. So war auch der Gründer der Familie Gale ein armer
Schmied, der aus Not nach Sussex gewandert war. Hier erwarb er
groſses Vermögen. Sein Sohn, einer der gröſsten Industriellen Eng-
lands, wurde geadelt und Parlamentsmitglied. Die Eisenindustrie von
Sussex erreichte ihren Höhepunkt zu Ende der Regierung der Elisa-
beth, zu welcher Zeit das Gewerbe so blühend wurde, daſs England,
statt Eisen einzuführen, solches in Form von eisernen Geschützen
auszuführen begann. Sir Thomas Leighton und Sir Henry Ne-
ville
hatten für die Geschützausfuhr Patente der Königin; so kam
es, daſs die Spanier mit englischen Kanonen gegen England kämpften.
Sir Walter Raleigh rief die Aufmerksamkeit des Parlamentes auf
diesen Gegenstand, indem er ausrief: Gewiſs! früher war eins unserer
Schiffe zehn spanischen überlegen, jetzt aber sind sie durch unsere
Kanonen im Einzelkampf kaum zu besiegen. Daraufhin wurde ein
Gesetz gegen die Ausfuhr von Geschützen erlassen, aber der Handel
war für die hohen Herren so einträglich, daſs doch immer noch viele
Kanonen auf dem Wege des Schmuggels in das Ausland gingen.
Camden sagt: Es ist erstaunlich, wie viele eiserne Kanonen in
dieser Grafschaft gemacht werden! Derselbe schildert die Eisenwerke
von Sussex und beschreibt den Lärm der Eisenhämmer. Die Helme
der Hämmer waren von Eschenholz, 9 Fuſs lang, mit Eisenbändern
gebunden. Die Hämmer wurden durch Hebedaumen gehoben. Die
Hütten hatten Spannteiche. Als Gebläse dienten Lederbälge, welche
von Wasserrädern oder durch Pferdegöpel bewegt wurden. Ein Hoch-
ofen gab drei bis vier Tonnen Eisen in der Woche.

Der Krieg mit Spanien, welcher die Einfuhr spanischen Eisens
verhinderte, gab Veranlassung, daſs England groſse Mengen von Eisen
aus Schweden bezog, und seit der Zeit hat diese Verbindung und die
Einfuhr schwedischen Eisens nie mehr aufgehört.

Während in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Eisen-
industrie in Sussex sich zu hoher Blüte entwickelte, ging dieselbe in
Lancashire wegen Mangel an Holz zu Grunde. Furness, der insel-
artige Strich in Lancashire, hat nach Camden seinen Namen von
den vielen Eisenschmelzen, die dort in alter Zeit bestanden. Aber
im 7. Jahre der Königin Elisabeth (1565) wurden die Rennwerke
(bloomaries) in High-Furness auf eine Vorstellung der Grundbesitzer
von Hawshead und Colton, wegen der Verwüstung der Waldungen
durch dieselben, und daſs das Unterholz für die Ernährung des Viehes
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[896/0916] England. Arbeiter aus allen Gegenden nach Sussex, um dort ihr Glück zu suchen. So war auch der Gründer der Familie Gale ein armer Schmied, der aus Not nach Sussex gewandert war. Hier erwarb er groſses Vermögen. Sein Sohn, einer der gröſsten Industriellen Eng- lands, wurde geadelt und Parlamentsmitglied. Die Eisenindustrie von Sussex erreichte ihren Höhepunkt zu Ende der Regierung der Elisa- beth, zu welcher Zeit das Gewerbe so blühend wurde, daſs England, statt Eisen einzuführen, solches in Form von eisernen Geschützen auszuführen begann. Sir Thomas Leighton und Sir Henry Ne- ville hatten für die Geschützausfuhr Patente der Königin; so kam es, daſs die Spanier mit englischen Kanonen gegen England kämpften. Sir Walter Raleigh rief die Aufmerksamkeit des Parlamentes auf diesen Gegenstand, indem er ausrief: Gewiſs! früher war eins unserer Schiffe zehn spanischen überlegen, jetzt aber sind sie durch unsere Kanonen im Einzelkampf kaum zu besiegen. Daraufhin wurde ein Gesetz gegen die Ausfuhr von Geschützen erlassen, aber der Handel war für die hohen Herren so einträglich, daſs doch immer noch viele Kanonen auf dem Wege des Schmuggels in das Ausland gingen. Camden sagt: Es ist erstaunlich, wie viele eiserne Kanonen in dieser Grafschaft gemacht werden! Derselbe schildert die Eisenwerke von Sussex und beschreibt den Lärm der Eisenhämmer. Die Helme der Hämmer waren von Eschenholz, 9 Fuſs lang, mit Eisenbändern gebunden. Die Hämmer wurden durch Hebedaumen gehoben. Die Hütten hatten Spannteiche. Als Gebläse dienten Lederbälge, welche von Wasserrädern oder durch Pferdegöpel bewegt wurden. Ein Hoch- ofen gab drei bis vier Tonnen Eisen in der Woche. Der Krieg mit Spanien, welcher die Einfuhr spanischen Eisens verhinderte, gab Veranlassung, daſs England groſse Mengen von Eisen aus Schweden bezog, und seit der Zeit hat diese Verbindung und die Einfuhr schwedischen Eisens nie mehr aufgehört. Während in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Eisen- industrie in Sussex sich zu hoher Blüte entwickelte, ging dieselbe in Lancashire wegen Mangel an Holz zu Grunde. Furness, der insel- artige Strich in Lancashire, hat nach Camden seinen Namen von den vielen Eisenschmelzen, die dort in alter Zeit bestanden. Aber im 7. Jahre der Königin Elisabeth (1565) wurden die Rennwerke (bloomaries) in High-Furness auf eine Vorstellung der Grundbesitzer von Hawshead und Colton, wegen der Verwüstung der Waldungen durch dieselben, und daſs das Unterholz für die Ernährung des Viehes erhalten bleiben müſste, unterdrückt. Diese Schmelzhütten waren

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 896. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/916>, abgerufen am 26.11.2024.