sehr frühen Anfang genommen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass hier, -- und vielleicht gleichzeitig in Lothringen und im Elsass, -- die ersten wichtigen Schritte zur Vervollkommnung der Eisenfabri- kation, durch Einführung der Hochöfen gemacht worden sind. Da- gegen geht Franquoy1) darin, dass er in patriotischem Übereifer alle Fortschritte der Eisenindustrie vom 10. bis zum 17. Jahr- hundert Lüttich zuschreibt, viel zu weit. Wir geben die von ihm mitgeteilten Thatsachen, für welche er keine Quellen anführt, nur unter Reserve, seine übertriebenen Schlussfolgerungen lassen wir un- berücksichtigt.
Nach Franquoy wäre der Eisenguss im Gebiete von Lüttich und Namür schon im Anfange des 13. Jahrhunderts erfunden worden (!) (S. 21). Er nennt verschiedene mittelalterliche Hütten, in denen flüssiges Roheisen teils zum Frischen, teils zum Guss erzeugt worden sei, und doch behauptet er an anderer Stelle wieder ebenso bestimmt, die ersten Hochöfen seien in Lüttich um das Jahr 1500 entstanden (S. 36). Letztere Angabe ist glaubhaft, und könnten wir annehmen, dass die zuvor erwähnten Schmelzöfen "Fourneaux" Stücköfen gewesen seien, wenn dies nicht in direktem Widerspruche mit anderen seiner Mitteilungen stände. S. 43 sagt er: Der älteste Schmelzofen (four- neau) ist wahrscheinlich der, welcher 1340 zu Marche-les-Dames von Wilhelm, Graf von Namür, errichtet wurde. Er war für die Dar- stellung von Frischereiroheisen (fonte d'affinage) bestimmt. Diese Hütte, welche gleichzeitig die Frischfeuer zur Behandlung der Mas- seln (gueuse) enthielt, war bis zum Ende des ersten Kaiserreiches in ununterbrochenem Betriebe. Um diese Zeit kam sie in die Hände des Meisters Jaumenne und wurde die Musterhütte des Kaiser- reiches.
Die Entstehung der Hütte von Grivegnee scheine vor das Jahr 1400 zu fallen und wäre gleichzeitig mit der des Ofens von Vennes. Die ersten Meister dieser Hochöfen sollen die Erfinder des Ofen- gusses gewesen sein. Gegen das Jahr 1500 erhielt das Werk, welches als fourneau bezeichnet wurde, einen Eisenhammer.
"Der bekannte Ofen von Ferrieres scheint vor dem Jahre 1468 errichtet worden zu sein." (S. 79 heisst es: "Diese Hütte ist sehr alt. Es ist gewiss, dass daselbst im Jahre 1340 schon ein Hochofen existierte!") "Wie die beiden vorerwähnten, diente er zu allen Zeiten
1) J. Franquoys Schrift: Des Progres de la Fabrication du fer dans le pays de Liege 1861, ist zwar von der Societe libre d'emulation de Liege preis- gekrönt worden, wimmelt aber von Fehlern und Widersprüchen.
54*
Belgien und Lothringen.
sehr frühen Anfang genommen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daſs hier, — und vielleicht gleichzeitig in Lothringen und im Elsaſs, — die ersten wichtigen Schritte zur Vervollkommnung der Eisenfabri- kation, durch Einführung der Hochöfen gemacht worden sind. Da- gegen geht Franquoy1) darin, daſs er in patriotischem Übereifer alle Fortschritte der Eisenindustrie vom 10. bis zum 17. Jahr- hundert Lüttich zuschreibt, viel zu weit. Wir geben die von ihm mitgeteilten Thatsachen, für welche er keine Quellen anführt, nur unter Reserve, seine übertriebenen Schluſsfolgerungen lassen wir un- berücksichtigt.
Nach Franquoy wäre der Eisenguſs im Gebiete von Lüttich und Namür schon im Anfange des 13. Jahrhunderts erfunden worden (!) (S. 21). Er nennt verschiedene mittelalterliche Hütten, in denen flüssiges Roheisen teils zum Frischen, teils zum Guſs erzeugt worden sei, und doch behauptet er an anderer Stelle wieder ebenso bestimmt, die ersten Hochöfen seien in Lüttich um das Jahr 1500 entstanden (S. 36). Letztere Angabe ist glaubhaft, und könnten wir annehmen, daſs die zuvor erwähnten Schmelzöfen „Fourneaux“ Stücköfen gewesen seien, wenn dies nicht in direktem Widerspruche mit anderen seiner Mitteilungen stände. S. 43 sagt er: Der älteste Schmelzofen (four- neau) ist wahrscheinlich der, welcher 1340 zu Marche-les-Dames von Wilhelm, Graf von Namür, errichtet wurde. Er war für die Dar- stellung von Frischereiroheisen (fonte d’affinage) bestimmt. Diese Hütte, welche gleichzeitig die Frischfeuer zur Behandlung der Mas- seln (gueuse) enthielt, war bis zum Ende des ersten Kaiserreiches in ununterbrochenem Betriebe. Um diese Zeit kam sie in die Hände des Meisters Jaumenne und wurde die Musterhütte des Kaiser- reiches.
Die Entstehung der Hütte von Grivegnée scheine vor das Jahr 1400 zu fallen und wäre gleichzeitig mit der des Ofens von Vennes. Die ersten Meister dieser Hochöfen sollen die Erfinder des Ofen- gusses gewesen sein. Gegen das Jahr 1500 erhielt das Werk, welches als fourneau bezeichnet wurde, einen Eisenhammer.
„Der bekannte Ofen von Ferrières scheint vor dem Jahre 1468 errichtet worden zu sein.“ (S. 79 heiſst es: „Diese Hütte ist sehr alt. Es ist gewiſs, daſs daselbst im Jahre 1340 schon ein Hochofen existierte!“) „Wie die beiden vorerwähnten, diente er zu allen Zeiten
1) J. Franquoys Schrift: Des Progrès de la Fabrication du fer dans le pays de Liège 1861, ist zwar von der Société libre d’émulation de Liège preis- gekrönt worden, wimmelt aber von Fehlern und Widersprüchen.
54*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0871"n="851"/><fwplace="top"type="header">Belgien und Lothringen.</fw><lb/>
sehr frühen Anfang genommen, und es ist nicht unwahrscheinlich,<lb/>
daſs hier, — und vielleicht gleichzeitig in Lothringen und im Elsaſs, —<lb/>
die ersten wichtigen Schritte zur Vervollkommnung der Eisenfabri-<lb/>
kation, durch Einführung der Hochöfen gemacht worden sind. Da-<lb/>
gegen geht <hirendition="#g">Franquoy</hi><noteplace="foot"n="1)">J. <hirendition="#g">Franquoys</hi> Schrift: Des Progrès de la Fabrication du fer dans le<lb/>
pays de Liège 1861, ist zwar von der Société libre d’émulation de Liège preis-<lb/>
gekrönt worden, wimmelt aber von Fehlern und Widersprüchen.</note> darin, daſs er in patriotischem Übereifer<lb/>
alle Fortschritte der Eisenindustrie vom 10. bis zum 17. Jahr-<lb/>
hundert Lüttich zuschreibt, viel zu weit. Wir geben die von ihm<lb/>
mitgeteilten Thatsachen, für welche er keine Quellen anführt, nur<lb/>
unter Reserve, seine übertriebenen Schluſsfolgerungen lassen wir un-<lb/>
berücksichtigt.</p><lb/><p>Nach <hirendition="#g">Franquoy</hi> wäre der Eisenguſs im Gebiete von Lüttich<lb/>
und Namür schon im Anfange des 13. Jahrhunderts erfunden worden (!)<lb/>
(S. 21). Er nennt verschiedene mittelalterliche Hütten, in denen<lb/>
flüssiges Roheisen teils zum Frischen, teils zum Guſs erzeugt worden<lb/>
sei, und doch behauptet er an anderer Stelle wieder ebenso bestimmt,<lb/>
die ersten Hochöfen seien in Lüttich um das Jahr 1500 entstanden<lb/>
(S. 36). Letztere Angabe ist glaubhaft, und könnten wir annehmen,<lb/>
daſs die zuvor erwähnten Schmelzöfen „Fourneaux“ Stücköfen gewesen<lb/>
seien, wenn dies nicht in direktem Widerspruche mit anderen seiner<lb/>
Mitteilungen stände. S. 43 sagt er: Der älteste Schmelzofen (four-<lb/>
neau) ist wahrscheinlich der, welcher 1340 zu Marche-les-Dames von<lb/>
Wilhelm, Graf von Namür, errichtet wurde. Er war für die Dar-<lb/>
stellung von Frischereiroheisen (fonte d’affinage) bestimmt. Diese<lb/>
Hütte, welche gleichzeitig die Frischfeuer zur Behandlung der Mas-<lb/>
seln (gueuse) enthielt, war bis zum Ende des ersten Kaiserreiches in<lb/>
ununterbrochenem Betriebe. Um diese Zeit kam sie in die Hände<lb/>
des Meisters <hirendition="#g">Jaumenne</hi> und wurde die Musterhütte des Kaiser-<lb/>
reiches.</p><lb/><p>Die Entstehung der Hütte von Grivegnée scheine vor das Jahr<lb/>
1400 zu fallen und wäre gleichzeitig mit der des Ofens von Vennes.<lb/>
Die ersten Meister dieser Hochöfen sollen die Erfinder des Ofen-<lb/>
gusses gewesen sein. Gegen das Jahr 1500 erhielt das Werk, welches<lb/>
als fourneau bezeichnet wurde, einen Eisenhammer.</p><lb/><p>„Der bekannte Ofen von Ferrières scheint vor dem Jahre 1468<lb/>
errichtet worden zu sein.“ (S. 79 heiſst es: „Diese Hütte ist sehr<lb/>
alt. Es ist gewiſs, daſs daselbst im Jahre 1340 schon ein Hochofen<lb/>
existierte!“) „Wie die beiden vorerwähnten, diente er zu allen Zeiten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">54*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[851/0871]
Belgien und Lothringen.
sehr frühen Anfang genommen, und es ist nicht unwahrscheinlich,
daſs hier, — und vielleicht gleichzeitig in Lothringen und im Elsaſs, —
die ersten wichtigen Schritte zur Vervollkommnung der Eisenfabri-
kation, durch Einführung der Hochöfen gemacht worden sind. Da-
gegen geht Franquoy 1) darin, daſs er in patriotischem Übereifer
alle Fortschritte der Eisenindustrie vom 10. bis zum 17. Jahr-
hundert Lüttich zuschreibt, viel zu weit. Wir geben die von ihm
mitgeteilten Thatsachen, für welche er keine Quellen anführt, nur
unter Reserve, seine übertriebenen Schluſsfolgerungen lassen wir un-
berücksichtigt.
Nach Franquoy wäre der Eisenguſs im Gebiete von Lüttich
und Namür schon im Anfange des 13. Jahrhunderts erfunden worden (!)
(S. 21). Er nennt verschiedene mittelalterliche Hütten, in denen
flüssiges Roheisen teils zum Frischen, teils zum Guſs erzeugt worden
sei, und doch behauptet er an anderer Stelle wieder ebenso bestimmt,
die ersten Hochöfen seien in Lüttich um das Jahr 1500 entstanden
(S. 36). Letztere Angabe ist glaubhaft, und könnten wir annehmen,
daſs die zuvor erwähnten Schmelzöfen „Fourneaux“ Stücköfen gewesen
seien, wenn dies nicht in direktem Widerspruche mit anderen seiner
Mitteilungen stände. S. 43 sagt er: Der älteste Schmelzofen (four-
neau) ist wahrscheinlich der, welcher 1340 zu Marche-les-Dames von
Wilhelm, Graf von Namür, errichtet wurde. Er war für die Dar-
stellung von Frischereiroheisen (fonte d’affinage) bestimmt. Diese
Hütte, welche gleichzeitig die Frischfeuer zur Behandlung der Mas-
seln (gueuse) enthielt, war bis zum Ende des ersten Kaiserreiches in
ununterbrochenem Betriebe. Um diese Zeit kam sie in die Hände
des Meisters Jaumenne und wurde die Musterhütte des Kaiser-
reiches.
Die Entstehung der Hütte von Grivegnée scheine vor das Jahr
1400 zu fallen und wäre gleichzeitig mit der des Ofens von Vennes.
Die ersten Meister dieser Hochöfen sollen die Erfinder des Ofen-
gusses gewesen sein. Gegen das Jahr 1500 erhielt das Werk, welches
als fourneau bezeichnet wurde, einen Eisenhammer.
„Der bekannte Ofen von Ferrières scheint vor dem Jahre 1468
errichtet worden zu sein.“ (S. 79 heiſst es: „Diese Hütte ist sehr
alt. Es ist gewiſs, daſs daselbst im Jahre 1340 schon ein Hochofen
existierte!“) „Wie die beiden vorerwähnten, diente er zu allen Zeiten
1) J. Franquoys Schrift: Des Progrès de la Fabrication du fer dans le
pays de Liège 1861, ist zwar von der Société libre d’émulation de Liège preis-
gekrönt worden, wimmelt aber von Fehlern und Widersprüchen.
54*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 851. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/871>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.