betrieb in den Bergwerken aber zu Anfang des 16. Jahrhunderts bereits stand, das ersehen wir deutlich aus Agricolas "de re me- tallica". Die sachlichen Schilderungen Agricolas und die beigefügten anschaulichen Zeichnungen geben ein deutliches Bild des damaligen Bergwerksbetriebes und machen uns staunen über die Mannigfaltig- keit maschineller Vorrichtungen über die wir sonst so wenige Mit- teilungen aus jener Zeit haben.
Aber nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie arbeitete bereits in jener Zeit an der Vervollkommnung der Maschinen. Leonardo da Vinci, dessen mannigfaltiges, einflussreiches Wirken wir bereits geschildert haben (Bd. I, S. 986), behandelte die Konstruktion von Maschinen ebensowohl praktisch wie theoretisch und seiner An- regung ist es zu verdanken, dass die Mathematik im 16. Jahrhundert sich mit Vorliebe praktischen Problemen der Mechanik zuwandte und dass hochstehende und gelehrte Leute sich mit dem Maschinenwesen beschäftigten. Dies gründlich zu erörtern, gehört in die Geschichte der Mechanik und des Maschinenwesens. Uns interessieren diese Fort- schritte nur, insofern sie in Beziehung zum Eisenhüttenwesen stehen. Das meiste Hierhergehörige, z. B. von den Blasbälgen, Wasserhämmern, vom Drahtzug u. s. w., haben wir bereits in früheren Kapiteln vor- gebracht. Das Wichtigste über die Motoren ist ebenfalls schon kurz erwähnt worden. Wir können deshalb von dem einfachen Haspel, vom Tret- und Laufrad, sowie vom Göpel hier absehen und uns dem Wasserrad zuwenden, welches seit dem Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert die wichtigste Kraftmaschine der Eisenindustrie ge- wesen ist. In Italien, wo man die Wasserräder mit Vorliebe an Kanäle legte, wendete man mehr die unterschlächtigen Räder an, bei denen das Wasser auf radial gestellte Schaufeln durch den Stoss wirkte. Man gab diesen Rädern breite Schaufeln, machte sie aber weniger hoch als mittel- und oberschlächtige Räder. In Ramellis Zeichnung der grossen Schmiede, Fig. 48, finden wir ein solches unter- schlächtiges Rad dargestellt.
In Deutschland wendete man dagegen mit Vorliebe ober- schlächtige Räder an, namentlich in den Gebirgsgegenden, wo hohe Gefälle zur Verfügung standen. Agricola hat nur oberschläch- tige Räder abgebildet. Bei diesen stehen die Schaufeln, welche weniger breit sind, als die der unterschlächtigen Räder, nicht radial, sondern schief, so dass sie mit den beiden Radkränzen und dem Boden, welcher bei diesen Rädern vorhanden sein muss, Zellen bilden, welche von dem überfallenden Wasser gefüllt werden, so dass dieses
Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
betrieb in den Bergwerken aber zu Anfang des 16. Jahrhunderts bereits stand, das ersehen wir deutlich aus Agricolas „de re me- tallica“. Die sachlichen Schilderungen Agricolas und die beigefügten anschaulichen Zeichnungen geben ein deutliches Bild des damaligen Bergwerksbetriebes und machen uns staunen über die Mannigfaltig- keit maschineller Vorrichtungen über die wir sonst so wenige Mit- teilungen aus jener Zeit haben.
Aber nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie arbeitete bereits in jener Zeit an der Vervollkommnung der Maschinen. Leonardo da Vinci, dessen mannigfaltiges, einfluſsreiches Wirken wir bereits geschildert haben (Bd. I, S. 986), behandelte die Konstruktion von Maschinen ebensowohl praktisch wie theoretisch und seiner An- regung ist es zu verdanken, daſs die Mathematik im 16. Jahrhundert sich mit Vorliebe praktischen Problemen der Mechanik zuwandte und daſs hochstehende und gelehrte Leute sich mit dem Maschinenwesen beschäftigten. Dies gründlich zu erörtern, gehört in die Geschichte der Mechanik und des Maschinenwesens. Uns interessieren diese Fort- schritte nur, insofern sie in Beziehung zum Eisenhüttenwesen stehen. Das meiste Hierhergehörige, z. B. von den Blasbälgen, Wasserhämmern, vom Drahtzug u. s. w., haben wir bereits in früheren Kapiteln vor- gebracht. Das Wichtigste über die Motoren ist ebenfalls schon kurz erwähnt worden. Wir können deshalb von dem einfachen Haspel, vom Tret- und Laufrad, sowie vom Göpel hier absehen und uns dem Wasserrad zuwenden, welches seit dem Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert die wichtigste Kraftmaschine der Eisenindustrie ge- wesen ist. In Italien, wo man die Wasserräder mit Vorliebe an Kanäle legte, wendete man mehr die unterschlächtigen Räder an, bei denen das Wasser auf radial gestellte Schaufeln durch den Stoſs wirkte. Man gab diesen Rädern breite Schaufeln, machte sie aber weniger hoch als mittel- und oberschlächtige Räder. In Ramellis Zeichnung der groſsen Schmiede, Fig. 48, finden wir ein solches unter- schlächtiges Rad dargestellt.
In Deutschland wendete man dagegen mit Vorliebe ober- schlächtige Räder an, namentlich in den Gebirgsgegenden, wo hohe Gefälle zur Verfügung standen. Agricola hat nur oberschläch- tige Räder abgebildet. Bei diesen stehen die Schaufeln, welche weniger breit sind, als die der unterschlächtigen Räder, nicht radial, sondern schief, so daſs sie mit den beiden Radkränzen und dem Boden, welcher bei diesen Rädern vorhanden sein muſs, Zellen bilden, welche von dem überfallenden Wasser gefüllt werden, so daſs dieses
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Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
betrieb in den Bergwerken aber zu Anfang des 16. Jahrhunderts
bereits stand, das ersehen wir deutlich aus Agricolas „de re me-
tallica“. Die sachlichen Schilderungen Agricolas und die beigefügten
anschaulichen Zeichnungen geben ein deutliches Bild des damaligen
Bergwerksbetriebes und machen uns staunen über die Mannigfaltig-
keit maschineller Vorrichtungen über die wir sonst so wenige Mit-
teilungen aus jener Zeit haben.
Aber nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie arbeitete
bereits in jener Zeit an der Vervollkommnung der Maschinen.
Leonardo da Vinci, dessen mannigfaltiges, einfluſsreiches Wirken
wir bereits geschildert haben (Bd. I, S. 986), behandelte die Konstruktion
von Maschinen ebensowohl praktisch wie theoretisch und seiner An-
regung ist es zu verdanken, daſs die Mathematik im 16. Jahrhundert
sich mit Vorliebe praktischen Problemen der Mechanik zuwandte und
daſs hochstehende und gelehrte Leute sich mit dem Maschinenwesen
beschäftigten. Dies gründlich zu erörtern, gehört in die Geschichte
der Mechanik und des Maschinenwesens. Uns interessieren diese Fort-
schritte nur, insofern sie in Beziehung zum Eisenhüttenwesen stehen.
Das meiste Hierhergehörige, z. B. von den Blasbälgen, Wasserhämmern,
vom Drahtzug u. s. w., haben wir bereits in früheren Kapiteln vor-
gebracht. Das Wichtigste über die Motoren ist ebenfalls schon kurz
erwähnt worden. Wir können deshalb von dem einfachen Haspel,
vom Tret- und Laufrad, sowie vom Göpel hier absehen und uns dem
Wasserrad zuwenden, welches seit dem Mittelalter bis in das
19. Jahrhundert die wichtigste Kraftmaschine der Eisenindustrie ge-
wesen ist. In Italien, wo man die Wasserräder mit Vorliebe an
Kanäle legte, wendete man mehr die unterschlächtigen Räder an,
bei denen das Wasser auf radial gestellte Schaufeln durch den Stoſs
wirkte. Man gab diesen Rädern breite Schaufeln, machte sie aber
weniger hoch als mittel- und oberschlächtige Räder. In Ramellis
Zeichnung der groſsen Schmiede, Fig. 48, finden wir ein solches unter-
schlächtiges Rad dargestellt.
In Deutschland wendete man dagegen mit Vorliebe ober-
schlächtige Räder an, namentlich in den Gebirgsgegenden, wo
hohe Gefälle zur Verfügung standen. Agricola hat nur oberschläch-
tige Räder abgebildet. Bei diesen stehen die Schaufeln, welche
weniger breit sind, als die der unterschlächtigen Räder, nicht radial,
sondern schief, so daſs sie mit den beiden Radkränzen und dem
Boden, welcher bei diesen Rädern vorhanden sein muſs, Zellen bilden,
welche von dem überfallenden Wasser gefüllt werden, so daſs dieses
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/540>, abgerufen am 22.11.2024.
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