sorten auf Scheibenzügen oder Rollen, wie es scheint, schon im 16. Jahr- hundert gezogen. Nähere Nachrichten darüber liegen aber nicht vor. -- Dass aber die Drahtfabrikation zu Lüdenscheid, Altena und Iser- lohn im 16. Jahrhundert in grosser Blüte stand, dass sie in zahl- reichen Drahtmühlen auf Zögerbänken mit Wasserrädern betrieben wurde, geht aus verschiedenen Verordnungen und sonstigen Nach- richten hervor. Sie stand in unmittelbarer Verbindung mit den Osmundschmieden, und werden wir die betreffenden geschichtlichen Nachrichten bei Schilderung der märkischen Eisenindustrie im 16. Jahrhundert mitteilen.
Wie bekannt, wird die Erfindung der mechanischen Ziehbank dem Künstler Rudolph aus Nürnberg zugeschrieben. Doppel- mayer1) schreibt darüber: "Rudolph, ein Mechanikus, war bei seiner Ausübung in mechanischen Sachen so glücklich, dass er eine sehr nützliche Erfindung, wie man den Draht in einer accuraten Rundung und gleichen Dicken an einem sehr langen Trumm schicklich ziehen könne, ungefähr in anno 1400 zu Nürnberg an das Licht gebracht. Solches Inventum hielt dieser Künstler, als er sah, dass vieles dabei zu gewinnen war, sehr geheim." Aber sein Sohn verriet das Geheimnis (siehe Bd. I, S. 889), "worauf denn dergleichen Werke von verschiedenen nachgeahmt wurden".
Der berühmte Dichter der Reformationszeit, Eobanus Hessus, besingt in seinem Gedichte Vrbs Norimberga 1532 (4. Cap., 27) eine Nürnberger Drahtmühle mit folgenden Worten: "Wer erblickt, wie das Werk sich durch das Gewicht der Räder dreht und mit welcher Kraft es das Eisen streckt, wie wenn es mit Verstand begabt, das eine wie das andere vollbringt, was tausend Menschen nicht ver- mochten, ehe diese Kunst erfunden war: Wer erstaunt nicht, wenn er es sieht und verdammt alle vergangenen Jahrhunderte, welche solch herrliche Erfindung unseres Menschengeschlechtes niemals kannten? -- Ein grosses Rad, durch die Kraft des Wassers getrieben, bewegt einen mächtigen Cylinder mit sich, dessen äusserstes Ende mit zahlreichen Zähnen bewaffnet ist, welche durch die Kraft bewegt, die widerstehenden Maschinenteile mit sich reissen und bewegen, und ohne dass sie selbst aufgehalten werden, treiben sie durch das Rad und die Wassermengen mit ungeheurer Gewalt den schweren Cylinder. Daher wo mit solcher Gewalt die untenhängende Maschine ergriffen
1)Doppelmayer, Nachricht von den Nürnberger Künstlern und Hand- werkern, 1730, S. 281.
Beck, Geschichte des Eisens. 33
Draht- und Nadelfabrikation.
sorten auf Scheibenzügen oder Rollen, wie es scheint, schon im 16. Jahr- hundert gezogen. Nähere Nachrichten darüber liegen aber nicht vor. — Daſs aber die Drahtfabrikation zu Lüdenscheid, Altena und Iser- lohn im 16. Jahrhundert in groſser Blüte stand, daſs sie in zahl- reichen Drahtmühlen auf Zögerbänken mit Wasserrädern betrieben wurde, geht aus verschiedenen Verordnungen und sonstigen Nach- richten hervor. Sie stand in unmittelbarer Verbindung mit den Osmundschmieden, und werden wir die betreffenden geschichtlichen Nachrichten bei Schilderung der märkischen Eisenindustrie im 16. Jahrhundert mitteilen.
Wie bekannt, wird die Erfindung der mechanischen Ziehbank dem Künstler Rudolph aus Nürnberg zugeschrieben. Doppel- mayer1) schreibt darüber: „Rudolph, ein Mechanikus, war bei seiner Ausübung in mechanischen Sachen so glücklich, daſs er eine sehr nützliche Erfindung, wie man den Draht in einer accuraten Rundung und gleichen Dicken an einem sehr langen Trumm schicklich ziehen könne, ungefähr in anno 1400 zu Nürnberg an das Licht gebracht. Solches Inventum hielt dieser Künstler, als er sah, daſs vieles dabei zu gewinnen war, sehr geheim.“ Aber sein Sohn verriet das Geheimnis (siehe Bd. I, S. 889), „worauf denn dergleichen Werke von verschiedenen nachgeahmt wurden“.
Der berühmte Dichter der Reformationszeit, Eobanus Heſsus, besingt in seinem Gedichte Vrbs Norimberga 1532 (4. Cap., 27) eine Nürnberger Drahtmühle mit folgenden Worten: „Wer erblickt, wie das Werk sich durch das Gewicht der Räder dreht und mit welcher Kraft es das Eisen streckt, wie wenn es mit Verstand begabt, das eine wie das andere vollbringt, was tausend Menschen nicht ver- mochten, ehe diese Kunst erfunden war: Wer erstaunt nicht, wenn er es sieht und verdammt alle vergangenen Jahrhunderte, welche solch herrliche Erfindung unseres Menschengeschlechtes niemals kannten? — Ein groſses Rad, durch die Kraft des Wassers getrieben, bewegt einen mächtigen Cylinder mit sich, dessen äuſserstes Ende mit zahlreichen Zähnen bewaffnet ist, welche durch die Kraft bewegt, die widerstehenden Maschinenteile mit sich reiſsen und bewegen, und ohne daſs sie selbst aufgehalten werden, treiben sie durch das Rad und die Wassermengen mit ungeheurer Gewalt den schweren Cylinder. Daher wo mit solcher Gewalt die untenhängende Maschine ergriffen
1)Doppelmayer, Nachricht von den Nürnberger Künstlern und Hand- werkern, 1730, S. 281.
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hundert gezogen. Nähere Nachrichten darüber liegen aber nicht vor.
— Daſs aber die Drahtfabrikation zu Lüdenscheid, Altena und Iser-
lohn im 16. Jahrhundert in groſser Blüte stand, daſs sie in zahl-
reichen Drahtmühlen auf Zögerbänken mit Wasserrädern betrieben
wurde, geht aus verschiedenen Verordnungen und sonstigen Nach-
richten hervor. Sie stand in unmittelbarer Verbindung mit den
Osmundschmieden, und werden wir die betreffenden geschichtlichen
Nachrichten bei Schilderung der märkischen Eisenindustrie im
16. Jahrhundert mitteilen.
Wie bekannt, wird die Erfindung der mechanischen Ziehbank
dem Künstler Rudolph aus Nürnberg zugeschrieben. Doppel-
mayer 1) schreibt darüber: „Rudolph, ein Mechanikus, war bei seiner
Ausübung in mechanischen Sachen so glücklich, daſs er eine sehr
nützliche Erfindung, wie man den Draht in einer accuraten Rundung
und gleichen Dicken an einem sehr langen Trumm schicklich ziehen
könne, ungefähr in anno 1400 zu Nürnberg an das Licht gebracht.
Solches Inventum hielt dieser Künstler, als er sah, daſs vieles dabei
zu gewinnen war, sehr geheim.“ Aber sein Sohn verriet das Geheimnis
(siehe Bd. I, S. 889), „worauf denn dergleichen Werke von verschiedenen
nachgeahmt wurden“.
Der berühmte Dichter der Reformationszeit, Eobanus Heſsus,
besingt in seinem Gedichte Vrbs Norimberga 1532 (4. Cap., 27) eine
Nürnberger Drahtmühle mit folgenden Worten: „Wer erblickt, wie
das Werk sich durch das Gewicht der Räder dreht und mit welcher
Kraft es das Eisen streckt, wie wenn es mit Verstand begabt, das
eine wie das andere vollbringt, was tausend Menschen nicht ver-
mochten, ehe diese Kunst erfunden war: Wer erstaunt nicht, wenn
er es sieht und verdammt alle vergangenen Jahrhunderte, welche
solch herrliche Erfindung unseres Menschengeschlechtes niemals
kannten? — Ein groſses Rad, durch die Kraft des Wassers getrieben,
bewegt einen mächtigen Cylinder mit sich, dessen äuſserstes Ende
mit zahlreichen Zähnen bewaffnet ist, welche durch die Kraft bewegt,
die widerstehenden Maschinenteile mit sich reiſsen und bewegen, und
ohne daſs sie selbst aufgehalten werden, treiben sie durch das Rad
und die Wassermengen mit ungeheurer Gewalt den schweren Cylinder.
Daher wo mit solcher Gewalt die untenhängende Maschine ergriffen
1) Doppelmayer, Nachricht von den Nürnberger Künstlern und Hand-
werkern, 1730, S. 281.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/533>, abgerufen am 22.11.2024.
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