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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
in den Messerfabriken selbst war aber eine noch mannigfaltigere
und je nach dem Fabrikort ganz eigenartige. Ausser Solingen und
Nürnberg, Augsburg und Dresden waren Ruhla in Thüringen, Aarau
in der Schweiz, Lüttich, Namur und Herzogenbusch in den Nieder-
landen, Sheffield und Birmingham in England, Paris, Langres, Tours
und Rouen in Frankreich, Wien und Steier in Österreich die wich-
tigsten Plätze für Messerwaren.

Einen grossen Aufschwung nahm die Messerfabrikation durch
den von Jahr zu Jahr zunehmenden Verkehr mit fremden Welt-
teilen. Messer gehörten zu den beliebtesten Tauschartikeln im Ver-
kehr mit den wilden Völkerschaften. In Solingen unterschied man
deshalb "Messengut", die gewöhnlichen Messerwaren, welche auf

[Abbildung] Fig. 128.
[Abbildung]

Tafelmesser vom
Jahre 1180 nach
dem M. S. von Her-
rade de Lands-
berg
im Hortus
deliciarum.

die Frankfurter, Leipziger und Braunschweiger
Messen gebracht oder auch nach andern euro-
päischen Ländern, den Niederlanden, Frankreich,
Italien u. s. w. abgesetzt wurden und "Seegut",
welches über Amsterdam nach Ost- und West-
indien, Amerika, Afrika und Arabien verschifft
wurde.

Die Messerklingen wurden geschmiedet und dann in Schleifer-
mühlen auf runden Steinen mit Wasser geschliffen. Feine Klingen
machte man ganz aus Stahl, bei den gröberen bestand der Kern aus
Eisen. Zu der Zeit, als man nur das Eisen in Rennherden gewann,
mussten die Schmiede die ihnen angebotenen Eisenstücke erst auf
ihre Härte prüfen und nach Bedarf aussuchen. Um ein gleich-
mässiges Material zu erhalten, mussten sie das Eisen erst gut über-
schmieden oder gärben. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aber besorgten dies bereits die Reckhämmer und die Messerschmiede
bezogen ihren "Messerstahl" in handlicher Form. Der gewöhnliche
Messerstahl, auch "Messermasse" genannt, war ein mittelharter
Schweissstahl, der in kurzen, 5/8 Zoll breiten und 1/8 Zoll dünnen
Stangen geliefert wurde. Aus ihm wurden meistens grosse Schnitz-
und Vorlegmesser in der Weise gemacht, dass man ihn um das
Eisen legte, welches letztere in der Mitte und zur Angel blieb. --
Eine weit bessere Sorte hiess "Krampstahl". Dieser wurde haupt-
sächlich für Tisch- und Schlachtmesser gebraucht. Er wurde mit
besonderer Sorgfalt aus härterem und weicherem Stahl und einer
Eisenanlage von dreieckiger Gestalt gegärbt.

Bei der Herstellung gröberer Messerklingen verfuhr der Schmied
folgendermassen: er schmiedete ein Stück Stahl etwa 1 Zoll lang

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
in den Messerfabriken selbst war aber eine noch mannigfaltigere
und je nach dem Fabrikort ganz eigenartige. Auſser Solingen und
Nürnberg, Augsburg und Dresden waren Ruhla in Thüringen, Aarau
in der Schweiz, Lüttich, Namur und Herzogenbusch in den Nieder-
landen, Sheffield und Birmingham in England, Paris, Langres, Tours
und Rouen in Frankreich, Wien und Steier in Österreich die wich-
tigsten Plätze für Messerwaren.

Einen groſsen Aufschwung nahm die Messerfabrikation durch
den von Jahr zu Jahr zunehmenden Verkehr mit fremden Welt-
teilen. Messer gehörten zu den beliebtesten Tauschartikeln im Ver-
kehr mit den wilden Völkerschaften. In Solingen unterschied man
deshalb „Messengut“, die gewöhnlichen Messerwaren, welche auf

[Abbildung] Fig. 128.
[Abbildung]

Tafelmesser vom
Jahre 1180 nach
dem M. S. von Her-
rade de Lands-
berg
im Hortus
deliciarum.

die Frankfurter, Leipziger und Braunschweiger
Messen gebracht oder auch nach andern euro-
päischen Ländern, den Niederlanden, Frankreich,
Italien u. s. w. abgesetzt wurden und „Seegut“,
welches über Amsterdam nach Ost- und West-
indien, Amerika, Afrika und Arabien verschifft
wurde.

Die Messerklingen wurden geschmiedet und dann in Schleifer-
mühlen auf runden Steinen mit Wasser geschliffen. Feine Klingen
machte man ganz aus Stahl, bei den gröberen bestand der Kern aus
Eisen. Zu der Zeit, als man nur das Eisen in Rennherden gewann,
muſsten die Schmiede die ihnen angebotenen Eisenstücke erst auf
ihre Härte prüfen und nach Bedarf aussuchen. Um ein gleich-
mäſsiges Material zu erhalten, muſsten sie das Eisen erst gut über-
schmieden oder gärben. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aber besorgten dies bereits die Reckhämmer und die Messerschmiede
bezogen ihren „Messerstahl“ in handlicher Form. Der gewöhnliche
Messerstahl, auch „Messermasse“ genannt, war ein mittelharter
Schweiſsstahl, der in kurzen, ⅝ Zoll breiten und ⅛ Zoll dünnen
Stangen geliefert wurde. Aus ihm wurden meistens groſse Schnitz-
und Vorlegmesser in der Weise gemacht, daſs man ihn um das
Eisen legte, welches letztere in der Mitte und zur Angel blieb. —
Eine weit bessere Sorte hieſs „Krampstahl“. Dieser wurde haupt-
sächlich für Tisch- und Schlachtmesser gebraucht. Er wurde mit
besonderer Sorgfalt aus härterem und weicherem Stahl und einer
Eisenanlage von dreieckiger Gestalt gegärbt.

Bei der Herstellung gröberer Messerklingen verfuhr der Schmied
folgendermaſsen: er schmiedete ein Stück Stahl etwa 1 Zoll lang

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[416/0436] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. in den Messerfabriken selbst war aber eine noch mannigfaltigere und je nach dem Fabrikort ganz eigenartige. Auſser Solingen und Nürnberg, Augsburg und Dresden waren Ruhla in Thüringen, Aarau in der Schweiz, Lüttich, Namur und Herzogenbusch in den Nieder- landen, Sheffield und Birmingham in England, Paris, Langres, Tours und Rouen in Frankreich, Wien und Steier in Österreich die wich- tigsten Plätze für Messerwaren. Einen groſsen Aufschwung nahm die Messerfabrikation durch den von Jahr zu Jahr zunehmenden Verkehr mit fremden Welt- teilen. Messer gehörten zu den beliebtesten Tauschartikeln im Ver- kehr mit den wilden Völkerschaften. In Solingen unterschied man deshalb „Messengut“, die gewöhnlichen Messerwaren, welche auf [Abbildung Fig. 128.] [Abbildung Tafelmesser vom Jahre 1180 nach dem M. S. von Her- rade de Lands- berg im Hortus deliciarum.] die Frankfurter, Leipziger und Braunschweiger Messen gebracht oder auch nach andern euro- päischen Ländern, den Niederlanden, Frankreich, Italien u. s. w. abgesetzt wurden und „Seegut“, welches über Amsterdam nach Ost- und West- indien, Amerika, Afrika und Arabien verschifft wurde. Die Messerklingen wurden geschmiedet und dann in Schleifer- mühlen auf runden Steinen mit Wasser geschliffen. Feine Klingen machte man ganz aus Stahl, bei den gröberen bestand der Kern aus Eisen. Zu der Zeit, als man nur das Eisen in Rennherden gewann, muſsten die Schmiede die ihnen angebotenen Eisenstücke erst auf ihre Härte prüfen und nach Bedarf aussuchen. Um ein gleich- mäſsiges Material zu erhalten, muſsten sie das Eisen erst gut über- schmieden oder gärben. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aber besorgten dies bereits die Reckhämmer und die Messerschmiede bezogen ihren „Messerstahl“ in handlicher Form. Der gewöhnliche Messerstahl, auch „Messermasse“ genannt, war ein mittelharter Schweiſsstahl, der in kurzen, ⅝ Zoll breiten und ⅛ Zoll dünnen Stangen geliefert wurde. Aus ihm wurden meistens groſse Schnitz- und Vorlegmesser in der Weise gemacht, daſs man ihn um das Eisen legte, welches letztere in der Mitte und zur Angel blieb. — Eine weit bessere Sorte hieſs „Krampstahl“. Dieser wurde haupt- sächlich für Tisch- und Schlachtmesser gebraucht. Er wurde mit besonderer Sorgfalt aus härterem und weicherem Stahl und einer Eisenanlage von dreieckiger Gestalt gegärbt. Bei der Herstellung gröberer Messerklingen verfuhr der Schmied folgendermaſsen: er schmiedete ein Stück Stahl etwa 1 Zoll lang

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/436>, abgerufen am 25.11.2024.