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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Meistern herabgedrückt. Den Handel besorgten teils die Schwert-
kaufleute, teils die Fertigmacher selbst; aus diesen beiden Gruppen
bildete sich allmählich die sogenannte privilegierte Kaufmannschaft,
welche zu den Brüderschaften gehörte. Daneben gab es noch un-
privilegierte oder wilde Kaufleute, welche neben Remscheider, Lütt-
ringhauser, Elberfelder und andern Artikeln auch Solinger Stahl-
waren führten. Diese hatten, schon bevor das Messermachen im
Jahre 1571 zünftig wurde, ihre Handelsberechtigung gegen Zahlung
von drei Goldgulden erlangt und bei dieser Gewohnheit blieb es auch
ferner; jedoch bedurften sie noch einer Erlaubnis von Vogt und Rat.

Gegen diese drückenden Missstände kämpfte das Messermacher-
handwerk mit aller Kraft an und erreichte dadurch eine neue Ver-
ordnung, vom 22. Dezember 1592, welche sowohl der Einschrän-
kung der Konkurrenz der Schwertbrüder als der Übermacht der
Fertigmacher Rechnung trug. Darin wurde bestimmt, dass fortan
keiner aus den vier Handwerken Meister werden durfte, der nicht
seine Lehrjahre ausgehalten, sein Meisterstück gemacht und sich als
fähig erwiesen hatte sowohl im Schmieden wie im Reiden. Alle
Meister sollten in Zukuft ihre Waren bei sich schmieden, reiden und
fertig machen. Diejenigen, welche nur zu schmieden oder nur zu
reiden verstanden, durften solches fortsetzen, aber nur nach einer
für je 100 Messer nach Gestalt und Güte berechneten Lohnsatzung.
Um bei den selbständigen Meistern das Einkommen gleichmässig zu
gestalten und eine Überproduktion zu vermeiden, durfte kein Meister
mit mehr als einem Knecht und einem Jungen arbeiten; allein durfte
er in der Woche 100, mit einem Knecht 150 und mit noch einem
Jungen 250 Messer schmieden. Die Messer sollten von gutem Stahl und
Eisen sein, das Produkt der Hammerwerke wurde verboten. Schlechte
Ware sollte konfisziert werden und dem Herzog verfallen. Wer
ausserhalb des Ortes auf offenem Markt oder sonstwo schlechte
Solinger Ware feilbot, wurde durch das Amt in Strafe genommen.

Diese Verordnung verfehlte nicht ihre Wirkung und trug durch
Einschränkung der Produktion und schärfere Kontrolle zur Hebung
des Messermacherhandwerks bei.

Für die verschiedenen Bedürfnisse erhielten die Messer sehr
verschiedenartige Gestalt.

Man verfertigte Tisch- oder Tafelmesser, Vorleg- und Brot-
messer, Schlachtmesser, Schuhmachermesser
, dann Taschen-
oder Einlegmesser ("Kniepe" genannt), Federmesser, Scher-
messer, Gartenmesser, Schnittmesser
u. s. w. Die Bezeichnung

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Meistern herabgedrückt. Den Handel besorgten teils die Schwert-
kaufleute, teils die Fertigmacher selbst; aus diesen beiden Gruppen
bildete sich allmählich die sogenannte privilegierte Kaufmannschaft,
welche zu den Brüderschaften gehörte. Daneben gab es noch un-
privilegierte oder wilde Kaufleute, welche neben Remscheider, Lütt-
ringhauser, Elberfelder und andern Artikeln auch Solinger Stahl-
waren führten. Diese hatten, schon bevor das Messermachen im
Jahre 1571 zünftig wurde, ihre Handelsberechtigung gegen Zahlung
von drei Goldgulden erlangt und bei dieser Gewohnheit blieb es auch
ferner; jedoch bedurften sie noch einer Erlaubnis von Vogt und Rat.

Gegen diese drückenden Miſsstände kämpfte das Messermacher-
handwerk mit aller Kraft an und erreichte dadurch eine neue Ver-
ordnung, vom 22. Dezember 1592, welche sowohl der Einschrän-
kung der Konkurrenz der Schwertbrüder als der Übermacht der
Fertigmacher Rechnung trug. Darin wurde bestimmt, daſs fortan
keiner aus den vier Handwerken Meister werden durfte, der nicht
seine Lehrjahre ausgehalten, sein Meisterstück gemacht und sich als
fähig erwiesen hatte sowohl im Schmieden wie im Reiden. Alle
Meister sollten in Zukuft ihre Waren bei sich schmieden, reiden und
fertig machen. Diejenigen, welche nur zu schmieden oder nur zu
reiden verstanden, durften solches fortsetzen, aber nur nach einer
für je 100 Messer nach Gestalt und Güte berechneten Lohnsatzung.
Um bei den selbständigen Meistern das Einkommen gleichmäſsig zu
gestalten und eine Überproduktion zu vermeiden, durfte kein Meister
mit mehr als einem Knecht und einem Jungen arbeiten; allein durfte
er in der Woche 100, mit einem Knecht 150 und mit noch einem
Jungen 250 Messer schmieden. Die Messer sollten von gutem Stahl und
Eisen sein, das Produkt der Hammerwerke wurde verboten. Schlechte
Ware sollte konfisziert werden und dem Herzog verfallen. Wer
auſserhalb des Ortes auf offenem Markt oder sonstwo schlechte
Solinger Ware feilbot, wurde durch das Amt in Strafe genommen.

Diese Verordnung verfehlte nicht ihre Wirkung und trug durch
Einschränkung der Produktion und schärfere Kontrolle zur Hebung
des Messermacherhandwerks bei.

Für die verschiedenen Bedürfnisse erhielten die Messer sehr
verschiedenartige Gestalt.

Man verfertigte Tisch- oder Tafelmesser, Vorleg- und Brot-
messer, Schlachtmesser, Schuhmachermesser
, dann Taschen-
oder Einlegmesser („Kniepe“ genannt), Federmesser, Scher-
messer, Gartenmesser, Schnittmesser
u. s. w. Die Bezeichnung

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[415/0435] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. Meistern herabgedrückt. Den Handel besorgten teils die Schwert- kaufleute, teils die Fertigmacher selbst; aus diesen beiden Gruppen bildete sich allmählich die sogenannte privilegierte Kaufmannschaft, welche zu den Brüderschaften gehörte. Daneben gab es noch un- privilegierte oder wilde Kaufleute, welche neben Remscheider, Lütt- ringhauser, Elberfelder und andern Artikeln auch Solinger Stahl- waren führten. Diese hatten, schon bevor das Messermachen im Jahre 1571 zünftig wurde, ihre Handelsberechtigung gegen Zahlung von drei Goldgulden erlangt und bei dieser Gewohnheit blieb es auch ferner; jedoch bedurften sie noch einer Erlaubnis von Vogt und Rat. Gegen diese drückenden Miſsstände kämpfte das Messermacher- handwerk mit aller Kraft an und erreichte dadurch eine neue Ver- ordnung, vom 22. Dezember 1592, welche sowohl der Einschrän- kung der Konkurrenz der Schwertbrüder als der Übermacht der Fertigmacher Rechnung trug. Darin wurde bestimmt, daſs fortan keiner aus den vier Handwerken Meister werden durfte, der nicht seine Lehrjahre ausgehalten, sein Meisterstück gemacht und sich als fähig erwiesen hatte sowohl im Schmieden wie im Reiden. Alle Meister sollten in Zukuft ihre Waren bei sich schmieden, reiden und fertig machen. Diejenigen, welche nur zu schmieden oder nur zu reiden verstanden, durften solches fortsetzen, aber nur nach einer für je 100 Messer nach Gestalt und Güte berechneten Lohnsatzung. Um bei den selbständigen Meistern das Einkommen gleichmäſsig zu gestalten und eine Überproduktion zu vermeiden, durfte kein Meister mit mehr als einem Knecht und einem Jungen arbeiten; allein durfte er in der Woche 100, mit einem Knecht 150 und mit noch einem Jungen 250 Messer schmieden. Die Messer sollten von gutem Stahl und Eisen sein, das Produkt der Hammerwerke wurde verboten. Schlechte Ware sollte konfisziert werden und dem Herzog verfallen. Wer auſserhalb des Ortes auf offenem Markt oder sonstwo schlechte Solinger Ware feilbot, wurde durch das Amt in Strafe genommen. Diese Verordnung verfehlte nicht ihre Wirkung und trug durch Einschränkung der Produktion und schärfere Kontrolle zur Hebung des Messermacherhandwerks bei. Für die verschiedenen Bedürfnisse erhielten die Messer sehr verschiedenartige Gestalt. Man verfertigte Tisch- oder Tafelmesser, Vorleg- und Brot- messer, Schlachtmesser, Schuhmachermesser, dann Taschen- oder Einlegmesser („Kniepe“ genannt), Federmesser, Scher- messer, Gartenmesser, Schnittmesser u. s. w. Die Bezeichnung

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/435>, abgerufen am 22.11.2024.