bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlassten ihn, nach zwei- jährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das gelobte Land der Wissenschaften -- insonderheit der Naturwissen- schaft -- nach Italien zu ziehen.
Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Uni- versitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizi- nischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineral- schätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachims- thal in Böhmen, und liess sich auf den Rat von Freunden daselbst als Arzt um so lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand, seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Inter- esse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem medizinischen Beruf. Er war überzeugt, dass ein gründliches Studium der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren und zu verbessern. Er schreibt selbst: "Diese Lücke in der Heil- kunde" -- nämlich, dass man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere, was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen -- "war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu meinem Aufenthalt zu wählen."
Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der Metalle nötig sind, und er erfasste diese Seite der praktischen Natur- wissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hütten- schreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartho- lomäus Bach. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte originelle Schrift "Bermannus sive de re metallica", eine in klassi- scher, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Berg- bau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen
Georg Agricola.
bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlaſsten ihn, nach zwei- jährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das gelobte Land der Wissenschaften — insonderheit der Naturwissen- schaft — nach Italien zu ziehen.
Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Uni- versitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizi- nischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineral- schätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachims- thal in Böhmen, und lieſs sich auf den Rat von Freunden daselbst als Arzt um so lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand, seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Inter- esse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem medizinischen Beruf. Er war überzeugt, daſs ein gründliches Studium der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren und zu verbessern. Er schreibt selbst: „Diese Lücke in der Heil- kunde“ — nämlich, daſs man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere, was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen — „war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu meinem Aufenthalt zu wählen.“
Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der Metalle nötig sind, und er erfaſste diese Seite der praktischen Natur- wissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hütten- schreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartho- lomäus Bach. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte originelle Schrift „Bermannus sive de re metallica“, eine in klassi- scher, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Berg- bau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen
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Georg Agricola.
bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend
für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch
den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er
sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer
Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlaſsten ihn, nach zwei-
jährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das
gelobte Land der Wissenschaften — insonderheit der Naturwissen-
schaft — nach Italien zu ziehen.
Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Uni-
versitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der
Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizi-
nischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner
Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineral-
schätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachims-
thal in Böhmen, und lieſs sich auf den Rat von Freunden daselbst
als Arzt um so lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand,
seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Inter-
esse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem
medizinischen Beruf. Er war überzeugt, daſs ein gründliches Studium
der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren
und zu verbessern. Er schreibt selbst: „Diese Lücke in der Heil-
kunde“ — nämlich, daſs man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere,
was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen
— „war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu
meinem Aufenthalt zu wählen.“
Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem
rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem
strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche
mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum
Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der
Metalle nötig sind, und er erfaſste diese Seite der praktischen Natur-
wissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben
Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen
Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem
Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hütten-
schreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartho-
lomäus Bach. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte
originelle Schrift „Bermannus sive de re metallica“, eine in klassi-
scher, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Berg-
bau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/43>, abgerufen am 24.11.2024.
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