und richteten dadurch grosse Verheerung an. Diese Sprenggeschosse, die jetzt fast ausschliesslich angewendet werden, erhielten erst eine Bedeutung, nachdem man den Guss eiserner Hohlkugeln erfunden hatte. Diese wichtige Erfindung verdient deshalb eine kurze Be- trachtung. Wann und wo sie gemacht wurde, lässt sich mit Be- stimmtheit nicht angeben; doch fällt sie in die Mitte des 16. Jahr- hunderts. Weder Biringuccio (1540) noch Tartaglia erwähnen die Hohlkugeln, während Fronsperger (1573) in seinem Kriegs- buche von denselben als eine bekannte Sache handelt. Es ist des- halb ein Irrtum, wenn Strada angiebt, sie seien von einem Bürger von Venlo erfunden und zuerst im Jahre 1588 vom Grafen Mans- feld gegen die Stadt Wachtendonk gebraucht worden. Die hohlen kupfernen Kugeln, welche die Türken im Jahre 1522 bei der Be- lagerung von Rhodus auf die Stadt warfen, waren Brandkugeln und jedenfalls aus Schalen zusammengesetzt. Dagegen wurde, sicherer Nachricht zufolge, Karl von Rochefaucault bei der Belagerung von Rouen im Jahre 1562 durch eine zerspringende Granate erschlagen. Im Felde wurden die Sprenggeschosse noch nicht verwendet, sondern nur beim Festungskriege, hierbei aber ebensowohl zum Angriff wie zur Verteidigung. Man schoss sie anfänglich nur aus Mörsern, erreichte aber damit nur geringe Schussweite. Versuche, Granaten aus Kanonen zu schiessen, misslangen. Dagegen erfand man ein kurzes, weites Geschütz, die Haubitze, mit der man die Sprengkugeln in flacher Bahn auf grosse Entfernungen schleuderte.
Indes war diese Neuerung im niederländischen Kriege noch nicht zur allgemeinen Durchführung gekommen, denn bei der Be- lagerung von Nymwegen warf Martin Schenk aus Mörsern viele Brandkugeln auf die Stadt, konnte aber damit nicht über den Fluss schiessen. Dagegen war der Kriegsschriftsteller Fronsperger 1557 ganz vertraut mit den Hohlkugeln, sowohl Brandkugeln als Bomben. Er bezeichnet die letzteren mit dem Namen der "sprengenden Kugeln". Er unterscheidet Brand- und Sprengkugeln und schreibt darüber 1): "Hiernach folget, wie man die Eysernen Kugeln, so mit dem ob- gesetzten Gezeug eynzufüllen, gemacht werden sollen. -- Zu den ersten nimb ein Eysen holgegossen Kugel, die oben ungefehrlich eines Daumens gross ein Loch hat." Diese soll man mit dem "Gezeug", d. h. dem Brandsatz, füllen, das Loch alsdann bis zum Gebrauche mit Wachs verkleben. Zum Gebrauche wird dann das
1) Kriegsbuch. Buch VIII, S. 185.
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Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
und richteten dadurch groſse Verheerung an. Diese Sprenggeschosse, die jetzt fast ausschlieſslich angewendet werden, erhielten erst eine Bedeutung, nachdem man den Guſs eiserner Hohlkugeln erfunden hatte. Diese wichtige Erfindung verdient deshalb eine kurze Be- trachtung. Wann und wo sie gemacht wurde, läſst sich mit Be- stimmtheit nicht angeben; doch fällt sie in die Mitte des 16. Jahr- hunderts. Weder Biringuccio (1540) noch Tartaglia erwähnen die Hohlkugeln, während Fronsperger (1573) in seinem Kriegs- buche von denselben als eine bekannte Sache handelt. Es ist des- halb ein Irrtum, wenn Strada angiebt, sie seien von einem Bürger von Venlo erfunden und zuerst im Jahre 1588 vom Grafen Mans- feld gegen die Stadt Wachtendonk gebraucht worden. Die hohlen kupfernen Kugeln, welche die Türken im Jahre 1522 bei der Be- lagerung von Rhodus auf die Stadt warfen, waren Brandkugeln und jedenfalls aus Schalen zusammengesetzt. Dagegen wurde, sicherer Nachricht zufolge, Karl von Rochefaucault bei der Belagerung von Rouen im Jahre 1562 durch eine zerspringende Granate erschlagen. Im Felde wurden die Sprenggeschosse noch nicht verwendet, sondern nur beim Festungskriege, hierbei aber ebensowohl zum Angriff wie zur Verteidigung. Man schoſs sie anfänglich nur aus Mörsern, erreichte aber damit nur geringe Schuſsweite. Versuche, Granaten aus Kanonen zu schieſsen, miſslangen. Dagegen erfand man ein kurzes, weites Geschütz, die Haubitze, mit der man die Sprengkugeln in flacher Bahn auf groſse Entfernungen schleuderte.
Indes war diese Neuerung im niederländischen Kriege noch nicht zur allgemeinen Durchführung gekommen, denn bei der Be- lagerung von Nymwegen warf Martin Schenk aus Mörsern viele Brandkugeln auf die Stadt, konnte aber damit nicht über den Fluſs schieſsen. Dagegen war der Kriegsschriftsteller Fronsperger 1557 ganz vertraut mit den Hohlkugeln, sowohl Brandkugeln als Bomben. Er bezeichnet die letzteren mit dem Namen der „sprengenden Kugeln“. Er unterscheidet Brand- und Sprengkugeln und schreibt darüber 1): „Hiernach folget, wie man die Eysernen Kugeln, so mit dem ob- gesetzten Gezeug eynzufüllen, gemacht werden sollen. — Zu den ersten nimb ein Eysen holgegossen Kugel, die oben ungefehrlich eines Daumens groſs ein Loch hat.“ Diese soll man mit dem „Gezeug“, d. h. dem Brandsatz, füllen, das Loch alsdann bis zum Gebrauche mit Wachs verkleben. Zum Gebrauche wird dann das
1) Kriegsbuch. Buch VIII, S. 185.
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Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
und richteten dadurch groſse Verheerung an. Diese Sprenggeschosse,
die jetzt fast ausschlieſslich angewendet werden, erhielten erst eine
Bedeutung, nachdem man den Guſs eiserner Hohlkugeln erfunden
hatte. Diese wichtige Erfindung verdient deshalb eine kurze Be-
trachtung. Wann und wo sie gemacht wurde, läſst sich mit Be-
stimmtheit nicht angeben; doch fällt sie in die Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Weder Biringuccio (1540) noch Tartaglia erwähnen
die Hohlkugeln, während Fronsperger (1573) in seinem Kriegs-
buche von denselben als eine bekannte Sache handelt. Es ist des-
halb ein Irrtum, wenn Strada angiebt, sie seien von einem Bürger
von Venlo erfunden und zuerst im Jahre 1588 vom Grafen Mans-
feld gegen die Stadt Wachtendonk gebraucht worden. Die hohlen
kupfernen Kugeln, welche die Türken im Jahre 1522 bei der Be-
lagerung von Rhodus auf die Stadt warfen, waren Brandkugeln und
jedenfalls aus Schalen zusammengesetzt. Dagegen wurde, sicherer
Nachricht zufolge, Karl von Rochefaucault bei der Belagerung von
Rouen im Jahre 1562 durch eine zerspringende Granate erschlagen.
Im Felde wurden die Sprenggeschosse noch nicht verwendet, sondern
nur beim Festungskriege, hierbei aber ebensowohl zum Angriff wie
zur Verteidigung. Man schoſs sie anfänglich nur aus Mörsern, erreichte
aber damit nur geringe Schuſsweite. Versuche, Granaten aus Kanonen
zu schieſsen, miſslangen. Dagegen erfand man ein kurzes, weites
Geschütz, die Haubitze, mit der man die Sprengkugeln in flacher
Bahn auf groſse Entfernungen schleuderte.
Indes war diese Neuerung im niederländischen Kriege noch
nicht zur allgemeinen Durchführung gekommen, denn bei der Be-
lagerung von Nymwegen warf Martin Schenk aus Mörsern viele
Brandkugeln auf die Stadt, konnte aber damit nicht über den Fluſs
schieſsen. Dagegen war der Kriegsschriftsteller Fronsperger 1557
ganz vertraut mit den Hohlkugeln, sowohl Brandkugeln als Bomben.
Er bezeichnet die letzteren mit dem Namen der „sprengenden Kugeln“.
Er unterscheidet Brand- und Sprengkugeln und schreibt darüber 1):
„Hiernach folget, wie man die Eysernen Kugeln, so mit dem ob-
gesetzten Gezeug eynzufüllen, gemacht werden sollen. — Zu den
ersten nimb ein Eysen holgegossen Kugel, die oben ungefehrlich
eines Daumens groſs ein Loch hat.“ Diese soll man mit dem
„Gezeug“, d. h. dem Brandsatz, füllen, das Loch alsdann bis zum
Gebrauche mit Wachs verkleben. Zum Gebrauche wird dann das
1) Kriegsbuch. Buch VIII, S. 185.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/359>, abgerufen am 22.11.2024.
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