Wir begegnen hier auch bereits einer einheitlichen Einteilung der Geschütze nach dem Kugelgewicht. Eine solche wurde schon im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erstrebt und stellt einen grossen Fortschritt des Artilleriewesens dar. Eine ältere italienische, die noch fast durchaus auf Steinkugelgewicht basirt ist, stammt aus dem Jahre 1480 1). Danach schossen:
Bombarden 300 Pfd. Stein,
Grosse Mörser 200 bis 300 " "
Gewöhnliche oder mittlere Mörser 50 " "
Cortona 60 bis 100 " "
Passe-volant 20 "
Bronze oder Eisen,
Carbatane 2 bis 3 " Blei,
Espringarde 10 bis 15 " "
Escopette 4 Octavi (von denen 30 auf das Pfund von 340 g Gewicht gingen).
Eine feste Grundlage erhielt aber die Kalibrierung der Geschütze erst, nachdem die eisernen Kugeln zu allgemeiner Einführung gelangt waren. Kaiser Maximilian 2) gebührt das Verdienst, die erste ratio- nelle Kalibrierung der Geschütze durchgeführt zu haben. In seinem "Zeugbuche" (1500 bis 1510 entstanden) sind die Normalvorschriften für das von ihm selbst erdachte und von seinem Hauszeugmeister Freiesleben zu Innsbruck ins Werk gesetzte Geschützsystem mitgeteilt. Danach werden alle Geschütze in vier "Arten" eingeteilt und zwar in
1. Hauptbüchsen, schiessen Steinkugeln, aber auch bereits eiserne Kugeln und ruhen auf Rosten (Laden).
2. Kartaunen mit dünneren und längeren Rohren: Scharfmetzen, Nachtigallen, Kartaunen, Notpuchsen, schiessen sämtlich eiserne Kugeln, wogegen die Viertelpuchsen kurze Rohre haben und Steine schiessen. Die Kartaunen hatten 5 bis 85 Kaliber Länge.
3. Schlangen von 20 bis 40 Kaliber Länge, besonders grosse heissen Basilisk oder Wurm, andere werden als lange Schlangen, Mittelschlangen, Kammerschlangen, ganz eiserne Schlangen bezeichnet.
1) Von Giorg. Martini, mitgeteilt in Louis Napoleon Bonaparte Etudes sur l'artillerie, p. 96 und Gay, Glossaire arch. I, p. 76.
2)Weiss-Kunig, Kap. 49, erzählt: "Wie der jung Weiss-Kunig künstlich was mit der Artalerey:" -- Der- selbe hatte solche Leidenschaft für das Schiessen, dass man ihn zurückhalten musste. Er richtete viele Zeughäuser auf und erfand selbst Verbesserungen.
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Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
Wir begegnen hier auch bereits einer einheitlichen Einteilung der Geschütze nach dem Kugelgewicht. Eine solche wurde schon im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erstrebt und stellt einen groſsen Fortschritt des Artilleriewesens dar. Eine ältere italienische, die noch fast durchaus auf Steinkugelgewicht basirt ist, stammt aus dem Jahre 1480 1). Danach schossen:
Bombarden 300 Pfd. Stein,
Groſse Mörser 200 bis 300 „ „
Gewöhnliche oder mittlere Mörser 50 „ „
Cortona 60 bis 100 „ „
Passe-volant 20 „
Bronze oder Eisen,
Carbatane 2 bis 3 „ Blei,
Espringarde 10 bis 15 „ „
Escopette 4 Octavi (von denen 30 auf das Pfund von 340 g Gewicht gingen).
Eine feste Grundlage erhielt aber die Kalibrierung der Geschütze erst, nachdem die eisernen Kugeln zu allgemeiner Einführung gelangt waren. Kaiser Maximilian 2) gebührt das Verdienst, die erste ratio- nelle Kalibrierung der Geschütze durchgeführt zu haben. In seinem „Zeugbuche“ (1500 bis 1510 entstanden) sind die Normalvorschriften für das von ihm selbst erdachte und von seinem Hauszeugmeister Freiesleben zu Innsbruck ins Werk gesetzte Geschützsystem mitgeteilt. Danach werden alle Geschütze in vier „Arten“ eingeteilt und zwar in
1. Hauptbüchsen, schieſsen Steinkugeln, aber auch bereits eiserne Kugeln und ruhen auf Rosten (Laden).
2. Kartaunen mit dünneren und längeren Rohren: Scharfmetzen, Nachtigallen, Kartaunen, Notpuchsen, schieſsen sämtlich eiserne Kugeln, wogegen die Viertelpuchsen kurze Rohre haben und Steine schieſsen. Die Kartaunen hatten 5 bis 85 Kaliber Länge.
3. Schlangen von 20 bis 40 Kaliber Länge, besonders groſse heiſsen Basilisk oder Wurm, andere werden als lange Schlangen, Mittelschlangen, Kammerschlangen, ganz eiserne Schlangen bezeichnet.
1) Von Giorg. Martini, mitgeteilt in Louis Napoleon Bonaparte Études sur l’artillerie, p. 96 und Gay, Glossaire arch. I, p. 76.
2)Weiſs-Kunig, Kap. 49, erzählt: „Wie der jung Weiſs-Kunig künstlich was mit der Artalerey:“ — Der- selbe hatte solche Leidenschaft für das Schieſsen, daſs man ihn zurückhalten muſste. Er richtete viele Zeughäuser auf und erfand selbst Verbesserungen.
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Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
Wir begegnen hier auch bereits einer einheitlichen Einteilung
der Geschütze nach dem Kugelgewicht. Eine solche wurde schon im
letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erstrebt und stellt einen groſsen
Fortschritt des Artilleriewesens dar. Eine ältere italienische, die noch
fast durchaus auf Steinkugelgewicht basirt ist, stammt aus dem
Jahre 1480 1). Danach schossen:
Bombarden 300 Pfd. Stein,
Groſse Mörser 200 bis 300 „ „
Gewöhnliche oder mittlere Mörser 50 „ „
Cortona 60 bis 100 „ „
Passe-volant 20 „ Bronze oder
Eisen,
Carbatane 2 bis 3 „ Blei,
Espringarde 10 bis 15 „ „
Escopette 4 Octavi (von denen
30 auf das Pfund von 340 g Gewicht gingen).
Eine feste Grundlage erhielt aber die Kalibrierung der Geschütze
erst, nachdem die eisernen Kugeln zu allgemeiner Einführung gelangt
waren. Kaiser Maximilian 2) gebührt das Verdienst, die erste ratio-
nelle Kalibrierung der Geschütze durchgeführt zu haben. In seinem
„Zeugbuche“ (1500 bis 1510 entstanden) sind die Normalvorschriften
für das von ihm selbst erdachte und von seinem Hauszeugmeister
Freiesleben zu Innsbruck ins Werk gesetzte Geschützsystem mitgeteilt.
Danach werden alle Geschütze in vier „Arten“ eingeteilt und zwar in
1. Hauptbüchsen, schieſsen Steinkugeln, aber auch bereits eiserne
Kugeln und ruhen auf Rosten (Laden).
2. Kartaunen mit dünneren und längeren Rohren: Scharfmetzen,
Nachtigallen, Kartaunen, Notpuchsen, schieſsen sämtlich eiserne
Kugeln, wogegen die Viertelpuchsen kurze Rohre haben und
Steine schieſsen. Die Kartaunen hatten 5 bis 85 Kaliber Länge.
3. Schlangen von 20 bis 40 Kaliber Länge, besonders groſse
heiſsen Basilisk oder Wurm, andere werden als lange Schlangen,
Mittelschlangen, Kammerschlangen, ganz eiserne Schlangen
bezeichnet.
1) Von Giorg. Martini, mitgeteilt in Louis Napoleon Bonaparte Études sur
l’artillerie, p. 96 und Gay, Glossaire arch. I, p. 76.
2) Weiſs-Kunig, Kap. 49,
erzählt: „Wie der jung Weiſs-Kunig künstlich was mit der Artalerey:“ — Der-
selbe hatte solche Leidenschaft für das Schieſsen, daſs man ihn zurückhalten
muſste. Er richtete viele Zeughäuser auf und erfand selbst Verbesserungen.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/343>, abgerufen am 23.11.2024.
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