Diese Schilderung ist von dem grössten geschichtlichen Interesse, denn man kann sie kaum anders auffassen, als dass das Eisen in kleinen Schachtöfchen von 0,90 m Höhe umgeschmolzen wurde, dass man also schon damals, nach unserer heutigen Ausdrucksweise, Guss zweiter Schmelzung anfertigte, und zwar geschah dies Umschmelzen nicht in geschlossenen Tiegeln, sondern in kleinen Gebläseschacht- öfen, die, abgesehen von ihrer Kleinheit, mit unsern Kupolöfen, deren Erfindung man seither den Engländern zuschrieb und in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte, übereinstimmen. Diese von dem erfahrenen italienischen Giesser mitgeteilte Thatsache wirft zugleich ein helles Licht auf manche seither schwer erklärliche Vor- kommnisse, namentlich, dass gerade in den grossen Städten, besonders in Paris und Nürnberg, der Eisenguss bereits im Anfange unseres Zeitabschnittes in Blüte stand, während man in dem Weichbilde dieser Städte doch nicht an Hochofengiessereien denken kann.
Auch die Art der Herstellung von Metallformen für die Kugeln, sogenannter Coquillen, in denen eine Anzahl von Kugeln gleichzeitig gegossen werden konnten, legt Zeugnis dafür ab, dass die Eisen- giesserei zu Biringuccios Zeit in vielen Richtungen schon weit ent- wickelt war.
Mit derselben Sorgfalt wie die Schmelzöfen, das Formen und Giessen, beschreibt Biringuccio auch die Bereitung eines guten Formsandes und das Formen und Giessen in Formkasten. Und wenn er dies auch nur zum Zwecke des Gusses kleinerer Gegenstände von Bronze oder Edelmetall beschreibt, so geht dennoch klar daraus hervor, dass auch die Sandformerei, die für den Eisenguss ja aller- dings erst im vorigen Jahrhundert Bedeutung erlangt hat, dem grossen italienischen Meister bereits bekannt war.
Das erste Kapitel des achten Buches lautet:
Verschiedene Arten Formsand zu machen, um Bronze darin zu giessen für kleine Gussstücke.
"Im allgemeinen sind, um solchen Formsand zu machen, alle Arten von Sand, Tuff oder ausgewaschenem Bodensatz von Flüssen und Erden, die von Natur ein zartes, mageres Korn haben, geeignet für solchen Guss, entweder für sich allein oder mit Beimischungen. Denn sie haben die Eigenschaft, die Metalle gut aufzunehmen, wegen einer gewissen Trockenheit, welche sie in sich haben, auch mischt man solche künstlich zu vielen Sorten, von welchen ich alle die-
Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Diese Schilderung ist von dem gröſsten geschichtlichen Interesse, denn man kann sie kaum anders auffassen, als daſs das Eisen in kleinen Schachtöfchen von 0,90 m Höhe umgeschmolzen wurde, daſs man also schon damals, nach unserer heutigen Ausdrucksweise, Guſs zweiter Schmelzung anfertigte, und zwar geschah dies Umschmelzen nicht in geschlossenen Tiegeln, sondern in kleinen Gebläseschacht- öfen, die, abgesehen von ihrer Kleinheit, mit unsern Kupolöfen, deren Erfindung man seither den Engländern zuschrieb und in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte, übereinstimmen. Diese von dem erfahrenen italienischen Gieſser mitgeteilte Thatsache wirft zugleich ein helles Licht auf manche seither schwer erklärliche Vor- kommnisse, namentlich, daſs gerade in den groſsen Städten, besonders in Paris und Nürnberg, der Eisenguſs bereits im Anfange unseres Zeitabschnittes in Blüte stand, während man in dem Weichbilde dieser Städte doch nicht an Hochofengieſsereien denken kann.
Auch die Art der Herstellung von Metallformen für die Kugeln, sogenannter Coquillen, in denen eine Anzahl von Kugeln gleichzeitig gegossen werden konnten, legt Zeugnis dafür ab, daſs die Eisen- gieſserei zu Biringuccios Zeit in vielen Richtungen schon weit ent- wickelt war.
Mit derselben Sorgfalt wie die Schmelzöfen, das Formen und Gieſsen, beschreibt Biringuccio auch die Bereitung eines guten Formsandes und das Formen und Gieſsen in Formkasten. Und wenn er dies auch nur zum Zwecke des Gusses kleinerer Gegenstände von Bronze oder Edelmetall beschreibt, so geht dennoch klar daraus hervor, daſs auch die Sandformerei, die für den Eisenguſs ja aller- dings erst im vorigen Jahrhundert Bedeutung erlangt hat, dem groſsen italienischen Meister bereits bekannt war.
Das erste Kapitel des achten Buches lautet:
Verschiedene Arten Formsand zu machen, um Bronze darin zu gieſsen für kleine Guſsstücke.
„Im allgemeinen sind, um solchen Formsand zu machen, alle Arten von Sand, Tuff oder ausgewaschenem Bodensatz von Flüssen und Erden, die von Natur ein zartes, mageres Korn haben, geeignet für solchen Guſs, entweder für sich allein oder mit Beimischungen. Denn sie haben die Eigenschaft, die Metalle gut aufzunehmen, wegen einer gewissen Trockenheit, welche sie in sich haben, auch mischt man solche künstlich zu vielen Sorten, von welchen ich alle die-
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Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Diese Schilderung ist von dem gröſsten geschichtlichen Interesse,
denn man kann sie kaum anders auffassen, als daſs das Eisen in
kleinen Schachtöfchen von 0,90 m Höhe umgeschmolzen wurde, daſs
man also schon damals, nach unserer heutigen Ausdrucksweise, Guſs
zweiter Schmelzung anfertigte, und zwar geschah dies Umschmelzen
nicht in geschlossenen Tiegeln, sondern in kleinen Gebläseschacht-
öfen, die, abgesehen von ihrer Kleinheit, mit unsern Kupolöfen,
deren Erfindung man seither den Engländern zuschrieb und in die
zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte, übereinstimmen. Diese
von dem erfahrenen italienischen Gieſser mitgeteilte Thatsache wirft
zugleich ein helles Licht auf manche seither schwer erklärliche Vor-
kommnisse, namentlich, daſs gerade in den groſsen Städten, besonders
in Paris und Nürnberg, der Eisenguſs bereits im Anfange unseres
Zeitabschnittes in Blüte stand, während man in dem Weichbilde
dieser Städte doch nicht an Hochofengieſsereien denken kann.
Auch die Art der Herstellung von Metallformen für die Kugeln,
sogenannter Coquillen, in denen eine Anzahl von Kugeln gleichzeitig
gegossen werden konnten, legt Zeugnis dafür ab, daſs die Eisen-
gieſserei zu Biringuccios Zeit in vielen Richtungen schon weit ent-
wickelt war.
Mit derselben Sorgfalt wie die Schmelzöfen, das Formen und
Gieſsen, beschreibt Biringuccio auch die Bereitung eines guten
Formsandes und das Formen und Gieſsen in Formkasten. Und wenn
er dies auch nur zum Zwecke des Gusses kleinerer Gegenstände von
Bronze oder Edelmetall beschreibt, so geht dennoch klar daraus
hervor, daſs auch die Sandformerei, die für den Eisenguſs ja aller-
dings erst im vorigen Jahrhundert Bedeutung erlangt hat, dem groſsen
italienischen Meister bereits bekannt war.
Das erste Kapitel des achten Buches lautet:
Verschiedene Arten Formsand zu machen, um Bronze
darin zu gieſsen für kleine Guſsstücke.
„Im allgemeinen sind, um solchen Formsand zu machen, alle
Arten von Sand, Tuff oder ausgewaschenem Bodensatz von Flüssen
und Erden, die von Natur ein zartes, mageres Korn haben, geeignet
für solchen Guſs, entweder für sich allein oder mit Beimischungen.
Denn sie haben die Eigenschaft, die Metalle gut aufzunehmen, wegen
einer gewissen Trockenheit, welche sie in sich haben, auch mischt
man solche künstlich zu vielen Sorten, von welchen ich alle die-
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/308>, abgerufen am 23.11.2024.
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