Man darf aber nicht glauben, dass die Rohstahlarbeit im Sieger- lande im 16. Jahrhundert bereits in so vollkommener Weise, wie wir sie dargestellt haben, betrieben wurde. Hier gilt dasselbe, was wir bei der siegenschen Einmalschmelzerei bemerkt haben1), und zwar in noch höherem Grade. Wurden doch die siegenschen Stahlhütten während des grössten Teiles des 16. Jahrhunderts mit Hand- oder Tretbälgen betrieben. Das Wesen des Prozesses war aber damals schon dasselbe und werden wir das Wenige, was wir über die siegen- schen Stahlhämmer jener Zeit wissen, bei der Eisengeschichte des Siegerlandes im 16. Jahrhundert noch bringen.
Vergleicht man das Verfrischen des Roheisens zu Stahl mit dem zu Eisen, so liegt der Hauptunterschied darin, dass das Garwerden im ersteren Falle unter dem Winde und durch fast ausschliessliche Einwirkung der Schlacke geschieht, während im zweiten Falle das Garen vor und über dem Winde und mehr unmittelbar durch den- selben bewirkt wird. Hieraus ergiebt sich von selbst, dass das Stahl- frischen langsamer vor sich geht, deshalb mehr Kohlen erfordert und mehr Eisen dabei verschlacken muss. Die Arbeit selbst erfordert grössere Geschicklichkeit. Aus diesen Gründen war der Stahl stets teurer als das Eisen.
Die Zementstahlfabrikation im heutigen Sinne war in jener Periode noch nicht in Anwendung, wohl kannte man aber die Thatsachen, auf welchen dieselbe beruht und benutzte sie, wie bereits im Mittelalter und wohl auch schon im Altertume, bei der Einsatz- härtung. Dies geht deutlich aus folgender Angabe des Lazarus Erker hervor: "Wie dann das Eysen in langwieriger starker Hitze mit harten oder buchenen Kohlen, ohne Abgang, geglühet zu gutem Stahl kann gemacht werden." Die Einsatzhärtung bezweckte nur eine Oberflächenhärtung fertig aus- geschmiedeter Gegenstände und wurde meist in kleinen eisernen Kisten, die im Schmiedefeuer geglüht wurden, vorgenommen.
Einen grossen Wert legte man auf das Härtewasser, d. h. die Flüssigkeit, in welcher der heisse Stahl abgelöscht wurde, wodurch er seine Härte erhielt. Man glaubte irriger Weise, dass das Eisen bei der Härtung einen Stoff aus diesem aufnehme. Ein gutes Härte- wasser war daher das grosse Geheimnis jedes Stahlschmieds. Cosmos de Medici erfand 1555 ein Härtewasser aus Pflanzensäften, welches angeblich solche Kraft hatte, dass Franciscus Tadda mit einem
1) Siehe oben, S. 232.
Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Man darf aber nicht glauben, daſs die Rohstahlarbeit im Sieger- lande im 16. Jahrhundert bereits in so vollkommener Weise, wie wir sie dargestellt haben, betrieben wurde. Hier gilt dasſelbe, was wir bei der siegenschen Einmalschmelzerei bemerkt haben1), und zwar in noch höherem Grade. Wurden doch die siegenschen Stahlhütten während des gröſsten Teiles des 16. Jahrhunderts mit Hand- oder Tretbälgen betrieben. Das Wesen des Prozesses war aber damals schon dasſelbe und werden wir das Wenige, was wir über die siegen- schen Stahlhämmer jener Zeit wissen, bei der Eisengeschichte des Siegerlandes im 16. Jahrhundert noch bringen.
Vergleicht man das Verfrischen des Roheisens zu Stahl mit dem zu Eisen, so liegt der Hauptunterschied darin, daſs das Garwerden im ersteren Falle unter dem Winde und durch fast ausschlieſsliche Einwirkung der Schlacke geschieht, während im zweiten Falle das Garen vor und über dem Winde und mehr unmittelbar durch den- selben bewirkt wird. Hieraus ergiebt sich von selbst, daſs das Stahl- frischen langsamer vor sich geht, deshalb mehr Kohlen erfordert und mehr Eisen dabei verschlacken muſs. Die Arbeit selbst erfordert gröſsere Geschicklichkeit. Aus diesen Gründen war der Stahl stets teurer als das Eisen.
Die Zementstahlfabrikation im heutigen Sinne war in jener Periode noch nicht in Anwendung, wohl kannte man aber die Thatsachen, auf welchen dieselbe beruht und benutzte sie, wie bereits im Mittelalter und wohl auch schon im Altertume, bei der Einsatz- härtung. Dies geht deutlich aus folgender Angabe des Lazarus Erker hervor: „Wie dann das Eysen in langwieriger starker Hitze mit harten oder buchenen Kohlen, ohne Abgang, geglühet zu gutem Stahl kann gemacht werden.“ Die Einsatzhärtung bezweckte nur eine Oberflächenhärtung fertig aus- geschmiedeter Gegenstände und wurde meist in kleinen eisernen Kisten, die im Schmiedefeuer geglüht wurden, vorgenommen.
Einen groſsen Wert legte man auf das Härtewasser, d. h. die Flüssigkeit, in welcher der heiſse Stahl abgelöscht wurde, wodurch er seine Härte erhielt. Man glaubte irriger Weise, daſs das Eisen bei der Härtung einen Stoff aus diesem aufnehme. Ein gutes Härte- wasser war daher das groſse Geheimnis jedes Stahlschmieds. Cosmos de Medici erfand 1555 ein Härtewasser aus Pflanzensäften, welches angeblich solche Kraft hatte, daſs Franciscus Tadda mit einem
1) Siehe oben, S. 232.
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Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Man darf aber nicht glauben, daſs die Rohstahlarbeit im Sieger-
lande im 16. Jahrhundert bereits in so vollkommener Weise, wie wir
sie dargestellt haben, betrieben wurde. Hier gilt dasſelbe, was wir
bei der siegenschen Einmalschmelzerei bemerkt haben 1), und zwar
in noch höherem Grade. Wurden doch die siegenschen Stahlhütten
während des gröſsten Teiles des 16. Jahrhunderts mit Hand- oder
Tretbälgen betrieben. Das Wesen des Prozesses war aber damals
schon dasſelbe und werden wir das Wenige, was wir über die siegen-
schen Stahlhämmer jener Zeit wissen, bei der Eisengeschichte des
Siegerlandes im 16. Jahrhundert noch bringen.
Vergleicht man das Verfrischen des Roheisens zu Stahl mit dem
zu Eisen, so liegt der Hauptunterschied darin, daſs das Garwerden
im ersteren Falle unter dem Winde und durch fast ausschlieſsliche
Einwirkung der Schlacke geschieht, während im zweiten Falle das
Garen vor und über dem Winde und mehr unmittelbar durch den-
selben bewirkt wird. Hieraus ergiebt sich von selbst, daſs das Stahl-
frischen langsamer vor sich geht, deshalb mehr Kohlen erfordert und
mehr Eisen dabei verschlacken muſs. Die Arbeit selbst erfordert
gröſsere Geschicklichkeit. Aus diesen Gründen war der Stahl stets
teurer als das Eisen.
Die Zementstahlfabrikation im heutigen Sinne war in
jener Periode noch nicht in Anwendung, wohl kannte man aber die
Thatsachen, auf welchen dieselbe beruht und benutzte sie, wie bereits
im Mittelalter und wohl auch schon im Altertume, bei der Einsatz-
härtung. Dies geht deutlich aus folgender Angabe des Lazarus
Erker hervor: „Wie dann das Eysen in langwieriger
starker Hitze mit harten oder buchenen Kohlen, ohne
Abgang, geglühet zu gutem Stahl kann gemacht werden.“
Die Einsatzhärtung bezweckte nur eine Oberflächenhärtung fertig aus-
geschmiedeter Gegenstände und wurde meist in kleinen eisernen
Kisten, die im Schmiedefeuer geglüht wurden, vorgenommen.
Einen groſsen Wert legte man auf das Härtewasser, d. h. die
Flüssigkeit, in welcher der heiſse Stahl abgelöscht wurde, wodurch
er seine Härte erhielt. Man glaubte irriger Weise, daſs das Eisen
bei der Härtung einen Stoff aus diesem aufnehme. Ein gutes Härte-
wasser war daher das groſse Geheimnis jedes Stahlschmieds. Cosmos
de Medici erfand 1555 ein Härtewasser aus Pflanzensäften, welches
angeblich solche Kraft hatte, daſs Franciscus Tadda mit einem
1) Siehe oben, S. 232.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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