mutung nahe liegt, dass hier Agricola des Biringuccios Schilde- rung benutzt habe. Was Biringuccio beschreibt, ist der alte Stahl- bereitungsprozess, der sich bis in unsere Zeit unter dem Namen der Brescianschmiede -- in Österreich auch unter dem Namen der Paaler Schmiede -- erhalten hat. Ursprünglich wurde derselbe, wie deutlich aus der Schilderung erhellt, mit Stückofeneisen betrieben. Die rohesten Partieen des Stückes, sowie auch das Graglach wurden ausgesucht und zuerst flüssig eingeschmolzen, in dieses Bad von flüssigem Eisen, welches hinsichtlich seines Kohlenstoffgehaltes wohl dem luckigen Floss nahe stand, wurden die Luppen von weichem Eisen eingetaucht und im Feuer behandelt. Das flüssige kohlenstoffreichere Eisenbad wirkte cementirend auf die kohlenstoffarmen Eisenluppen. Als dann später der Hochofenbetrieb an Stelle des Stückofenbetriebes trat, änderte sich dies Verfahren nur insofern, als man wirklich luckigen Floss aus dem Hochofen zur Herstellung des Eisenbades einschmolz.
Die uralte Brescianschmiede hat sich in den Provinzen Brescia und Bergamo bis in unsere Zeit erhalten1). Aus der Brescianschmiede ist die kärntnerische Rohstahlschmiede entstanden, die deshalb auch als die unechte Brescianschmiede bezeichnet wird. -- Der Feuerbau war früher gemauert und Boden und Seitenwände von Steinen her- gestellt, diese heissen deshalb bei dem kärtnerischen Rohstahlfeuer noch jetzt "Steine", obgleich sie jetzt aus Gusseisenplatten hergestellt werden, und zwar unterscheidet man den Form-, Ria-, Rol- und Löschstein auf der Form-, Wind-, Arbeits- und Hinterseite. In der Steinumfassung wird der eigentliche Schmelzherd mit Lösche gestampft. Dies muss bei der Brescianschmiede mit noch grösserer Sorgfalt ge- schehen, als bei dem kärntnerischen Rohstahlfeuer, weil er weit mehr auszuhalten hat, einerseits dadurch, dass viel am Boden mit Zangen und Stangen gearbeitet wird, anderseits weil eine grössere Menge flüssigen Eisens -- in Kärnten "Sauer" genannt -- längere Zeit in demselben gehalten werden muss. Das Stampfen des Löscheherdes geschah deshalb mit eisernen Stauchern. Aus dem letzterwähnten Grunde machte man auch den Schmelzherd tiefer, als bei der kärnt- nerischen Schmiede, so dass er, wie auch Biringuccio erwähnt, mehr einen Tiegel bildete. Der Abstand vom Formstein bis zum Herdboden betrug 20 Zoll (0,60 m), der Abstand bis zur Mitte des Löschbodens 10 Zoll (0,30 m), dabei war noch ringsum ein Lösche-
1) Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 285.
Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
mutung nahe liegt, daſs hier Agricola des Biringuccios Schilde- rung benutzt habe. Was Biringuccio beschreibt, ist der alte Stahl- bereitungsprozeſs, der sich bis in unsere Zeit unter dem Namen der Brescianschmiede — in Österreich auch unter dem Namen der Paaler Schmiede — erhalten hat. Ursprünglich wurde derselbe, wie deutlich aus der Schilderung erhellt, mit Stückofeneisen betrieben. Die rohesten Partieen des Stückes, sowie auch das Graglach wurden ausgesucht und zuerst flüssig eingeschmolzen, in dieses Bad von flüssigem Eisen, welches hinsichtlich seines Kohlenstoffgehaltes wohl dem luckigen Floſs nahe stand, wurden die Luppen von weichem Eisen eingetaucht und im Feuer behandelt. Das flüssige kohlenstoffreichere Eisenbad wirkte cementirend auf die kohlenstoffarmen Eisenluppen. Als dann später der Hochofenbetrieb an Stelle des Stückofenbetriebes trat, änderte sich dies Verfahren nur insofern, als man wirklich luckigen Floſs aus dem Hochofen zur Herstellung des Eisenbades einschmolz.
Die uralte Brescianschmiede hat sich in den Provinzen Brescia und Bergamo bis in unsere Zeit erhalten1). Aus der Brescianschmiede ist die kärntnerische Rohstahlschmiede entstanden, die deshalb auch als die unechte Brescianschmiede bezeichnet wird. — Der Feuerbau war früher gemauert und Boden und Seitenwände von Steinen her- gestellt, diese heiſsen deshalb bei dem kärtnerischen Rohstahlfeuer noch jetzt „Steine“, obgleich sie jetzt aus Guſseisenplatten hergestellt werden, und zwar unterscheidet man den Form-, Ria-, Rol- und Löschstein auf der Form-, Wind-, Arbeits- und Hinterseite. In der Steinumfassung wird der eigentliche Schmelzherd mit Lösche gestampft. Dies muſs bei der Brescianschmiede mit noch gröſserer Sorgfalt ge- schehen, als bei dem kärntnerischen Rohstahlfeuer, weil er weit mehr auszuhalten hat, einerseits dadurch, daſs viel am Boden mit Zangen und Stangen gearbeitet wird, anderseits weil eine gröſsere Menge flüssigen Eisens — in Kärnten „Sauer“ genannt — längere Zeit in demselben gehalten werden muſs. Das Stampfen des Löscheherdes geschah deshalb mit eisernen Stauchern. Aus dem letzterwähnten Grunde machte man auch den Schmelzherd tiefer, als bei der kärnt- nerischen Schmiede, so daſs er, wie auch Biringuccio erwähnt, mehr einen Tiegel bildete. Der Abstand vom Formstein bis zum Herdboden betrug 20 Zoll (0,60 m), der Abstand bis zur Mitte des Löschbodens 10 Zoll (0,30 m), dabei war noch ringsum ein Lösche-
1) Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 285.
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Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
mutung nahe liegt, daſs hier Agricola des Biringuccios Schilde-
rung benutzt habe. Was Biringuccio beschreibt, ist der alte Stahl-
bereitungsprozeſs, der sich bis in unsere Zeit unter dem Namen der
Brescianschmiede — in Österreich auch unter dem Namen der
Paaler Schmiede — erhalten hat. Ursprünglich wurde derselbe, wie
deutlich aus der Schilderung erhellt, mit Stückofeneisen betrieben.
Die rohesten Partieen des Stückes, sowie auch das Graglach wurden
ausgesucht und zuerst flüssig eingeschmolzen, in dieses Bad von
flüssigem Eisen, welches hinsichtlich seines Kohlenstoffgehaltes wohl
dem luckigen Floſs nahe stand, wurden die Luppen von weichem Eisen
eingetaucht und im Feuer behandelt. Das flüssige kohlenstoffreichere
Eisenbad wirkte cementirend auf die kohlenstoffarmen Eisenluppen.
Als dann später der Hochofenbetrieb an Stelle des Stückofenbetriebes
trat, änderte sich dies Verfahren nur insofern, als man wirklich
luckigen Floſs aus dem Hochofen zur Herstellung des Eisenbades
einschmolz.
Die uralte Brescianschmiede hat sich in den Provinzen Brescia
und Bergamo bis in unsere Zeit erhalten 1). Aus der Brescianschmiede
ist die kärntnerische Rohstahlschmiede entstanden, die deshalb auch
als die unechte Brescianschmiede bezeichnet wird. — Der Feuerbau
war früher gemauert und Boden und Seitenwände von Steinen her-
gestellt, diese heiſsen deshalb bei dem kärtnerischen Rohstahlfeuer
noch jetzt „Steine“, obgleich sie jetzt aus Guſseisenplatten hergestellt
werden, und zwar unterscheidet man den Form-, Ria-, Rol- und
Löschstein auf der Form-, Wind-, Arbeits- und Hinterseite. In der
Steinumfassung wird der eigentliche Schmelzherd mit Lösche gestampft.
Dies muſs bei der Brescianschmiede mit noch gröſserer Sorgfalt ge-
schehen, als bei dem kärntnerischen Rohstahlfeuer, weil er weit mehr
auszuhalten hat, einerseits dadurch, daſs viel am Boden mit Zangen
und Stangen gearbeitet wird, anderseits weil eine gröſsere Menge
flüssigen Eisens — in Kärnten „Sauer“ genannt — längere Zeit in
demselben gehalten werden muſs. Das Stampfen des Löscheherdes
geschah deshalb mit eisernen Stauchern. Aus dem letzterwähnten
Grunde machte man auch den Schmelzherd tiefer, als bei der kärnt-
nerischen Schmiede, so daſs er, wie auch Biringuccio erwähnt,
mehr einen Tiegel bildete. Der Abstand vom Formstein bis zum
Herdboden betrug 20 Zoll (0,60 m), der Abstand bis zur Mitte des
Löschbodens 10 Zoll (0,30 m), dabei war noch ringsum ein Lösche-
1) Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 285.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/272>, abgerufen am 25.11.2024.
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