ganz eigentümliches Frischverfahren zu vorzüglichem Drahteisen zu verarbeiten lernten. Diese Frischarbeit behielt den Namen der Ose- mundschmiede deshalb bei, weil das Drahteisen nach wie vor unter dem alten Namen Osemund an die Drahthütten verkauft wurde, trotzdem das neue Verfahren von dem früheren wesentlich verschieden war. Die Osemundschmiede ist eine Anlaufschmiede im vollsten Sinne des Wortes. Alles gefrischte Eisen wird an dem glühenden Ende einer Eisenstange angeschweisst, d. i. "anlaufen" lassen, und in dieser Form als "Anlauf" dem Schmelzherd entnommen 1). Man schmolz dabei grelles Roheisen, und zwar von einer über dem Hinterzacken eingesetzten Ganz vor der Form jedesmal soviel gar ein, als zu einem Kolben erforderlich war. Das Eisen, welches sich vor dem Winde gefrischt hat, wird sofort als Anlauf aufgefangen und ausgeschmiedet. Diese Osemundschmiede erfordert daher ein vorzüglich reines, gar- schmelziges Eisen und verursacht eine angestrengte Arbeit, weil das Anlaufenlassen und Ausschmieden ununterbrochen wechseln. Gare Zuschläge sind unerlässlich und die Arbeit kann nicht beginnen, ehe ein Bad von Garschlacken, Schwahl- und Hammerschlacken, der soge- nannte "Kloot", eingeschmolzen war. Die Breite des Herdes vom Form- zum Gichtzacken betrug 0,36 m, die Länge 0,80 m; der Boden war aber nur 0,50 m lang, indem der ganze Vorherd mit Lösche aus- gestampft wurde. Das Feuer war 0,20 m tief und die Form 0,20 m vom Hinterzacken entfernt. Sie ragte 6 cm in den Herd und hatte ein ausserordentlich starkes Stechen. Man wendete einen sehr hef- tigen Wind an und liess das Roheisen 0,15 bis 0,18 m über der Form schmelzen, um es flüssig in den Windstrom zu bringen. Der Gicht- zacken stand deshalb auch 20 cm höher als die Form. Beim Schmelzen wurde die Ganz der Form bis auf 18 cm genähert und die nieder- gehenden Roheisentropfen erhielten teils durch den Wind, teils durch die garen Zuschläge im Herde die nötige Gare. Deshalb backten sie bald zu mehreren kleinen Brocken zusammen, welche der Frischer mit einem Handspiess lüften und vor den Wind führen musste, während er eine Anlaufstange in das Feuer brachte und sich bemühte, die kleinen Frischklumpen an der Anlaufstange anschweissen zu lassen. Dies ge- schah unter fortwährendem Umdrehen in dem Windstrome. Waren auf diese Weise etwa 10 kg Eisen angelaufen, so wurde der Kolben aus dem Feuer genommen, sogleich ausgeschmiedet, von der Anlaufstange abgehauen und diese wieder zum Anlaufen eingehalten. Meistens war
1) Vergl. Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, Bd. II, S. 482.
Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
ganz eigentümliches Frischverfahren zu vorzüglichem Drahteisen zu verarbeiten lernten. Diese Frischarbeit behielt den Namen der Ose- mundschmiede deshalb bei, weil das Drahteisen nach wie vor unter dem alten Namen Osemund an die Drahthütten verkauft wurde, trotzdem das neue Verfahren von dem früheren wesentlich verschieden war. Die Osemundschmiede ist eine Anlaufschmiede im vollsten Sinne des Wortes. Alles gefrischte Eisen wird an dem glühenden Ende einer Eisenstange angeschweiſst, d. i. „anlaufen“ lassen, und in dieser Form als „Anlauf“ dem Schmelzherd entnommen 1). Man schmolz dabei grelles Roheisen, und zwar von einer über dem Hinterzacken eingesetzten Ganz vor der Form jedesmal soviel gar ein, als zu einem Kolben erforderlich war. Das Eisen, welches sich vor dem Winde gefrischt hat, wird sofort als Anlauf aufgefangen und ausgeschmiedet. Diese Osemundschmiede erfordert daher ein vorzüglich reines, gar- schmelziges Eisen und verursacht eine angestrengte Arbeit, weil das Anlaufenlassen und Ausschmieden ununterbrochen wechseln. Gare Zuschläge sind unerläſslich und die Arbeit kann nicht beginnen, ehe ein Bad von Garschlacken, Schwahl- und Hammerschlacken, der soge- nannte „Kloot“, eingeschmolzen war. Die Breite des Herdes vom Form- zum Gichtzacken betrug 0,36 m, die Länge 0,80 m; der Boden war aber nur 0,50 m lang, indem der ganze Vorherd mit Lösche aus- gestampft wurde. Das Feuer war 0,20 m tief und die Form 0,20 m vom Hinterzacken entfernt. Sie ragte 6 cm in den Herd und hatte ein auſserordentlich starkes Stechen. Man wendete einen sehr hef- tigen Wind an und lieſs das Roheisen 0,15 bis 0,18 m über der Form schmelzen, um es flüssig in den Windstrom zu bringen. Der Gicht- zacken stand deshalb auch 20 cm höher als die Form. Beim Schmelzen wurde die Ganz der Form bis auf 18 cm genähert und die nieder- gehenden Roheisentropfen erhielten teils durch den Wind, teils durch die garen Zuschläge im Herde die nötige Gare. Deshalb backten sie bald zu mehreren kleinen Brocken zusammen, welche der Frischer mit einem Handspieſs lüften und vor den Wind führen muſste, während er eine Anlaufstange in das Feuer brachte und sich bemühte, die kleinen Frischklumpen an der Anlaufstange anschweiſsen zu lassen. Dies ge- schah unter fortwährendem Umdrehen in dem Windstrome. Waren auf diese Weise etwa 10 kg Eisen angelaufen, so wurde der Kolben aus dem Feuer genommen, sogleich ausgeschmiedet, von der Anlaufstange abgehauen und diese wieder zum Anlaufen eingehalten. Meistens war
1) Vergl. Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, Bd. II, S. 482.
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Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
ganz eigentümliches Frischverfahren zu vorzüglichem Drahteisen zu
verarbeiten lernten. Diese Frischarbeit behielt den Namen der Ose-
mundschmiede deshalb bei, weil das Drahteisen nach wie vor unter
dem alten Namen Osemund an die Drahthütten verkauft wurde,
trotzdem das neue Verfahren von dem früheren wesentlich verschieden
war. Die Osemundschmiede ist eine Anlaufschmiede im vollsten Sinne
des Wortes. Alles gefrischte Eisen wird an dem glühenden Ende
einer Eisenstange angeschweiſst, d. i. „anlaufen“ lassen, und in dieser
Form als „Anlauf“ dem Schmelzherd entnommen 1). Man schmolz
dabei grelles Roheisen, und zwar von einer über dem Hinterzacken
eingesetzten Ganz vor der Form jedesmal soviel gar ein, als zu einem
Kolben erforderlich war. Das Eisen, welches sich vor dem Winde
gefrischt hat, wird sofort als Anlauf aufgefangen und ausgeschmiedet.
Diese Osemundschmiede erfordert daher ein vorzüglich reines, gar-
schmelziges Eisen und verursacht eine angestrengte Arbeit, weil das
Anlaufenlassen und Ausschmieden ununterbrochen wechseln. Gare
Zuschläge sind unerläſslich und die Arbeit kann nicht beginnen, ehe
ein Bad von Garschlacken, Schwahl- und Hammerschlacken, der soge-
nannte „Kloot“, eingeschmolzen war. Die Breite des Herdes vom
Form- zum Gichtzacken betrug 0,36 m, die Länge 0,80 m; der Boden
war aber nur 0,50 m lang, indem der ganze Vorherd mit Lösche aus-
gestampft wurde. Das Feuer war 0,20 m tief und die Form 0,20 m
vom Hinterzacken entfernt. Sie ragte 6 cm in den Herd und hatte
ein auſserordentlich starkes Stechen. Man wendete einen sehr hef-
tigen Wind an und lieſs das Roheisen 0,15 bis 0,18 m über der Form
schmelzen, um es flüssig in den Windstrom zu bringen. Der Gicht-
zacken stand deshalb auch 20 cm höher als die Form. Beim Schmelzen
wurde die Ganz der Form bis auf 18 cm genähert und die nieder-
gehenden Roheisentropfen erhielten teils durch den Wind, teils durch
die garen Zuschläge im Herde die nötige Gare. Deshalb backten sie
bald zu mehreren kleinen Brocken zusammen, welche der Frischer mit
einem Handspieſs lüften und vor den Wind führen muſste, während er
eine Anlaufstange in das Feuer brachte und sich bemühte, die kleinen
Frischklumpen an der Anlaufstange anschweiſsen zu lassen. Dies ge-
schah unter fortwährendem Umdrehen in dem Windstrome. Waren
auf diese Weise etwa 10 kg Eisen angelaufen, so wurde der Kolben aus
dem Feuer genommen, sogleich ausgeschmiedet, von der Anlaufstange
abgehauen und diese wieder zum Anlaufen eingehalten. Meistens war
1) Vergl. Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, Bd. II, S. 482.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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