darunter besonders kleine künstliche Schlösser, welche die Grösse einer Erbse hatten. Ein Dutzend dieser Schlösser kostete zu Kil- burgers Zeit (1676) nur einen halben Rubel. Die Nagelschmiede waren besonders zahlreich an der Wolga.
Erst Peter der Grosse erkannte die ungeheure Bedeutung des Berg- und Hüttenwesens für Russland und mit der ihm eigenen genialen Kraft schuf er die Grundlage zu der grossartigen Eisenindustrie Russ- lands. Um sich zu unterrichten und sich für die grosse Aufgabe, die er sich gestellt hatte, das gewaltige russische Reich zu einem Kultur- staat zu machen, unternahm er seine berühmte Reise nach den west- europäischen Staaten. Auf dieser schenkte er dem Berg- und Hütten- wesen besondere Aufmerksamkeit.
Wie er vor dem Antritt seiner Reise den wichtigsten Seehafen seines Reiches, Archangel, besucht hatte, um die dortigen Verhältnisse kennen zu lernen, so besuchte er die moskauischen Bergwerke, d. h. die Berg- werke bei Tula. Dort wurden 1693 die Katschinskischen Werke angelegt.
In Deutschland machte sich Zar Peter besonders mit dem Berg- und Hüttenwesen vertraut. Über seinen Besuch der Ilsenburgerhütte am Harz im Juli 1697 haben wir bereits oben berichtet. 1698 be- suchte er die sächsischen Bergwerke, namentlich Freiberg.
1699 nach Hause zurückgekehrt, leitete er sofort Massregeln zur Hebung des Berg- und Hüttenwesens in Russland ein. Er liess zwölf sächsische Bergleute und den Erzprobierer Blüher, die er auf seiner Reise engagiert hatte, kommen und schickte sie nach Kasan und Kaluga, um nach Erzen zu suchen und Bergbau einzuleiten. In dem- selben Jahre erteilte er dem Hammerschmied Nikita Demidoff aus Tula die Konzession auf die Eisenerze bei Newiansk im Distrikte Jekatarinen- burg mit dem Auftrage, ein Hüttenwerk mit Eisengiesserei daselbst anzulegen. Demidoff, der vermutlich einer der Reisegefährten des Zaren ("Volontairs") gewesen war, erbaute das erste regelrechte Eisen- hüttenwerk mit Giesserei in Sibirien, und zwar mit so viel Verständnis und Geschick, dass Peter der Grosse ihn adelte, ihn zum kaiserlichen Kommissar ernannte und ihm 1702 das ganze Eisenwerk schenkte. Nikita wurde der Gründer des Reichtums und der Macht der be- rühmten Familie Demidoff (Demidow), welcher Russland und besonders die russische Eisenindustrie so viel zu verdanken hat. Peter der Grosse aber legte mit diesem Hüttenwerk (Staroi Sawod) den Grund für die grossartige uralische Eisenindustrie. Der wichtigste Teil seines segens- reichen Wirkens für das russische Hüttenwesen fällt aber in das 18. Jahrhundert und wird in dem folgenden Bande geschildert werden.
Ruſsland im 17. Jahrhundert.
darunter besonders kleine künstliche Schlösser, welche die Gröſse einer Erbse hatten. Ein Dutzend dieser Schlösser kostete zu Kil- burgers Zeit (1676) nur einen halben Rubel. Die Nagelschmiede waren besonders zahlreich an der Wolga.
Erst Peter der Groſse erkannte die ungeheure Bedeutung des Berg- und Hüttenwesens für Ruſsland und mit der ihm eigenen genialen Kraft schuf er die Grundlage zu der groſsartigen Eisenindustrie Ruſs- lands. Um sich zu unterrichten und sich für die groſse Aufgabe, die er sich gestellt hatte, das gewaltige russische Reich zu einem Kultur- staat zu machen, unternahm er seine berühmte Reise nach den west- europäischen Staaten. Auf dieser schenkte er dem Berg- und Hütten- wesen besondere Aufmerksamkeit.
Wie er vor dem Antritt seiner Reise den wichtigsten Seehafen seines Reiches, Archangel, besucht hatte, um die dortigen Verhältnisse kennen zu lernen, so besuchte er die moskauischen Bergwerke, d. h. die Berg- werke bei Tula. Dort wurden 1693 die Katschinskischen Werke angelegt.
In Deutschland machte sich Zar Peter besonders mit dem Berg- und Hüttenwesen vertraut. Über seinen Besuch der Ilsenburgerhütte am Harz im Juli 1697 haben wir bereits oben berichtet. 1698 be- suchte er die sächsischen Bergwerke, namentlich Freiberg.
1699 nach Hause zurückgekehrt, leitete er sofort Maſsregeln zur Hebung des Berg- und Hüttenwesens in Ruſsland ein. Er lieſs zwölf sächsische Bergleute und den Erzprobierer Blüher, die er auf seiner Reise engagiert hatte, kommen und schickte sie nach Kasan und Kaluga, um nach Erzen zu suchen und Bergbau einzuleiten. In dem- selben Jahre erteilte er dem Hammerschmied Nikita Demidoff aus Tula die Konzession auf die Eisenerze bei Newiansk im Distrikte Jekatarinen- burg mit dem Auftrage, ein Hüttenwerk mit Eisengieſserei daselbst anzulegen. Demidoff, der vermutlich einer der Reisegefährten des Zaren („Volontairs“) gewesen war, erbaute das erste regelrechte Eisen- hüttenwerk mit Gieſserei in Sibirien, und zwar mit so viel Verständnis und Geschick, daſs Peter der Groſse ihn adelte, ihn zum kaiserlichen Kommissar ernannte und ihm 1702 das ganze Eisenwerk schenkte. Nikita wurde der Gründer des Reichtums und der Macht der be- rühmten Familie Demidoff (Demidow), welcher Ruſsland und besonders die russische Eisenindustrie so viel zu verdanken hat. Peter der Groſse aber legte mit diesem Hüttenwerk (Staroi Sawod) den Grund für die groſsartige uralische Eisenindustrie. Der wichtigste Teil seines segens- reichen Wirkens für das russische Hüttenwesen fällt aber in das 18. Jahrhundert und wird in dem folgenden Bande geschildert werden.
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[1304/1326]
Ruſsland im 17. Jahrhundert.
darunter besonders kleine künstliche Schlösser, welche die Gröſse
einer Erbse hatten. Ein Dutzend dieser Schlösser kostete zu Kil-
burgers Zeit (1676) nur einen halben Rubel. Die Nagelschmiede
waren besonders zahlreich an der Wolga.
Erst Peter der Groſse erkannte die ungeheure Bedeutung des
Berg- und Hüttenwesens für Ruſsland und mit der ihm eigenen genialen
Kraft schuf er die Grundlage zu der groſsartigen Eisenindustrie Ruſs-
lands. Um sich zu unterrichten und sich für die groſse Aufgabe, die
er sich gestellt hatte, das gewaltige russische Reich zu einem Kultur-
staat zu machen, unternahm er seine berühmte Reise nach den west-
europäischen Staaten. Auf dieser schenkte er dem Berg- und Hütten-
wesen besondere Aufmerksamkeit.
Wie er vor dem Antritt seiner Reise den wichtigsten Seehafen seines
Reiches, Archangel, besucht hatte, um die dortigen Verhältnisse kennen
zu lernen, so besuchte er die moskauischen Bergwerke, d. h. die Berg-
werke bei Tula. Dort wurden 1693 die Katschinskischen Werke angelegt.
In Deutschland machte sich Zar Peter besonders mit dem Berg-
und Hüttenwesen vertraut. Über seinen Besuch der Ilsenburgerhütte
am Harz im Juli 1697 haben wir bereits oben berichtet. 1698 be-
suchte er die sächsischen Bergwerke, namentlich Freiberg.
1699 nach Hause zurückgekehrt, leitete er sofort Maſsregeln zur
Hebung des Berg- und Hüttenwesens in Ruſsland ein. Er lieſs zwölf
sächsische Bergleute und den Erzprobierer Blüher, die er auf seiner
Reise engagiert hatte, kommen und schickte sie nach Kasan und
Kaluga, um nach Erzen zu suchen und Bergbau einzuleiten. In dem-
selben Jahre erteilte er dem Hammerschmied Nikita Demidoff aus Tula
die Konzession auf die Eisenerze bei Newiansk im Distrikte Jekatarinen-
burg mit dem Auftrage, ein Hüttenwerk mit Eisengieſserei daselbst
anzulegen. Demidoff, der vermutlich einer der Reisegefährten des
Zaren („Volontairs“) gewesen war, erbaute das erste regelrechte Eisen-
hüttenwerk mit Gieſserei in Sibirien, und zwar mit so viel Verständnis
und Geschick, daſs Peter der Groſse ihn adelte, ihn zum kaiserlichen
Kommissar ernannte und ihm 1702 das ganze Eisenwerk schenkte.
Nikita wurde der Gründer des Reichtums und der Macht der be-
rühmten Familie Demidoff (Demidow), welcher Ruſsland und besonders
die russische Eisenindustrie so viel zu verdanken hat. Peter der Groſse
aber legte mit diesem Hüttenwerk (Staroi Sawod) den Grund für die
groſsartige uralische Eisenindustrie. Der wichtigste Teil seines segens-
reichen Wirkens für das russische Hüttenwesen fällt aber in das
18. Jahrhundert und wird in dem folgenden Bande geschildert werden.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1326>, abgerufen am 22.11.2024.
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