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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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England im 17. Jahrhundert.
konnte, und dadurch einen grossen Teil des Metalls ungeschmolzen
zurückliess".

Die Blasebälge waren grosse Holzbälge, welche durch Daumen an
einer Wasserradwelle abwechselnd niedergedrückt und, sobald diese
ausliessen, von einem Gegengewicht wieder gehoben wurden. Die
flüssige Schlacke wurde von Zeit zu Zeit abgestochen. Das Eisen
floss in ein Sandbett, in welches man Furchen gemacht hatte von
der Form, wie man die Eisenstücke haben wollte. Das Roheisen
wurde auf die Hammerwerke gebracht und in einem Frischherd ge-
frischt, und zwar, wie Powle angiebt, mit Steinkohlen (!).

Man brachte 3 bis 4 Stücke Roheisen zugleich hinter das Feuer,
so dass eins etwas vorstand. Indem es niederschmolz, rührten und
arbeiteten sie mit langen Eisenstangen, bis sich die Masse zu einem
Klumpen vereinigt hatte, den sie "half-bloom" nannten.

Die Luppe (half-bloom) wurde erst mit Handhämmern (sledges)
abgeklopft, dann unter einem Wasserhammer zu einem parallel-
epipedischen Blocke (into a thick short square) geschmiedet. Dieser
kam in das Frischfeuer zurück, wurde ausgeheizt und in einem Doppel-
kolben (ancony) @ geschmiedet, der dann in einem
besonderen Ausheizfeuer (chafery) in Stäbe ausgereckt wurde. Die
Angabe Powles, dass das Frischen mit Steinkohlen geschah, ist sehr
auffallend und dürfte auf einem Irrtum beruhen. Das Ausheizen
in dem Heizfeuer (chafery) geschah gewiss mit Steinkohlen, das
Frischen aber mit Holzkohlen. -- Jedenfalls geht aus dem Bericht
mit Bestimmtheit hervor, dass sich die Engländer schon damals beim
Frischen zweier Herde bedienten, dass ihr Verfahren also der
Wallonschmiede oder vielmehr der englischen Lancasterschmiede
bereits entsprach und dass der Schweissherd mit Steinkohlen geheizt
wurde.

Gleichzeitig goss man aus dem Hochofen auch Kamin- und Herd-
platten u. s. w., indem man das flüssige Eisen mit grossen Kellen
aus dem Eisenkasten schöpfte und in Sandformen goss. Doch war
der Guss meist sehr spröde.

Von dem Eisenschmelzprozess zu Cuckfield in Essex giebt es
eine Beschreibung von John Ray F. R. S. 1) vom Jahre 1674. Wir
entnehmen derselben folgendes: Die Eisenerze liegen manchmal
tiefer, manchmal flacher zwischen 4 bis 40 Fuss unter der Erde. Es
giebt davon verschiedene Sorten, reiche und arme, harte und weiche.

1) Lardner, Cabinet Cydopaedia, p. 29. John Harris, Lexicon Technicum
"Iron".

England im 17. Jahrhundert.
konnte, und dadurch einen groſsen Teil des Metalls ungeschmolzen
zurücklieſs“.

Die Blasebälge waren groſse Holzbälge, welche durch Daumen an
einer Wasserradwelle abwechselnd niedergedrückt und, sobald diese
auslieſsen, von einem Gegengewicht wieder gehoben wurden. Die
flüssige Schlacke wurde von Zeit zu Zeit abgestochen. Das Eisen
floſs in ein Sandbett, in welches man Furchen gemacht hatte von
der Form, wie man die Eisenstücke haben wollte. Das Roheisen
wurde auf die Hammerwerke gebracht und in einem Frischherd ge-
frischt, und zwar, wie Powle angiebt, mit Steinkohlen (!).

Man brachte 3 bis 4 Stücke Roheisen zugleich hinter das Feuer,
so daſs eins etwas vorstand. Indem es niederschmolz, rührten und
arbeiteten sie mit langen Eisenstangen, bis sich die Masse zu einem
Klumpen vereinigt hatte, den sie „half-bloom“ nannten.

Die Luppe (half-bloom) wurde erst mit Handhämmern (sledges)
abgeklopft, dann unter einem Wasserhammer zu einem parallel-
epipedischen Blocke (into a thick short square) geschmiedet. Dieser
kam in das Frischfeuer zurück, wurde ausgeheizt und in einem Doppel-
kolben (ancony)  geschmiedet, der dann in einem
besonderen Ausheizfeuer (chafery) in Stäbe ausgereckt wurde. Die
Angabe Powles, daſs das Frischen mit Steinkohlen geschah, ist sehr
auffallend und dürfte auf einem Irrtum beruhen. Das Ausheizen
in dem Heizfeuer (chafery) geschah gewiſs mit Steinkohlen, das
Frischen aber mit Holzkohlen. — Jedenfalls geht aus dem Bericht
mit Bestimmtheit hervor, daſs sich die Engländer schon damals beim
Frischen zweier Herde bedienten, daſs ihr Verfahren also der
Wallonschmiede oder vielmehr der englischen Lancasterschmiede
bereits entsprach und daſs der Schweiſsherd mit Steinkohlen geheizt
wurde.

Gleichzeitig goſs man aus dem Hochofen auch Kamin- und Herd-
platten u. s. w., indem man das flüssige Eisen mit groſsen Kellen
aus dem Eisenkasten schöpfte und in Sandformen goſs. Doch war
der Guſs meist sehr spröde.

Von dem Eisenschmelzprozeſs zu Cuckfield in Essex giebt es
eine Beschreibung von John Ray F. R. S. 1) vom Jahre 1674. Wir
entnehmen derselben folgendes: Die Eisenerze liegen manchmal
tiefer, manchmal flacher zwischen 4 bis 40 Fuſs unter der Erde. Es
giebt davon verschiedene Sorten, reiche und arme, harte und weiche.

1) Lardner, Cabinet Cydopaedia, p. 29. John Harris, Lexicon Technicum
„Iron“.
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[1286/1308] England im 17. Jahrhundert. konnte, und dadurch einen groſsen Teil des Metalls ungeschmolzen zurücklieſs“. Die Blasebälge waren groſse Holzbälge, welche durch Daumen an einer Wasserradwelle abwechselnd niedergedrückt und, sobald diese auslieſsen, von einem Gegengewicht wieder gehoben wurden. Die flüssige Schlacke wurde von Zeit zu Zeit abgestochen. Das Eisen floſs in ein Sandbett, in welches man Furchen gemacht hatte von der Form, wie man die Eisenstücke haben wollte. Das Roheisen wurde auf die Hammerwerke gebracht und in einem Frischherd ge- frischt, und zwar, wie Powle angiebt, mit Steinkohlen (!). Man brachte 3 bis 4 Stücke Roheisen zugleich hinter das Feuer, so daſs eins etwas vorstand. Indem es niederschmolz, rührten und arbeiteten sie mit langen Eisenstangen, bis sich die Masse zu einem Klumpen vereinigt hatte, den sie „half-bloom“ nannten. Die Luppe (half-bloom) wurde erst mit Handhämmern (sledges) abgeklopft, dann unter einem Wasserhammer zu einem parallel- epipedischen Blocke (into a thick short square) geschmiedet. Dieser kam in das Frischfeuer zurück, wurde ausgeheizt und in einem Doppel- kolben (ancony)  geschmiedet, der dann in einem besonderen Ausheizfeuer (chafery) in Stäbe ausgereckt wurde. Die Angabe Powles, daſs das Frischen mit Steinkohlen geschah, ist sehr auffallend und dürfte auf einem Irrtum beruhen. Das Ausheizen in dem Heizfeuer (chafery) geschah gewiſs mit Steinkohlen, das Frischen aber mit Holzkohlen. — Jedenfalls geht aus dem Bericht mit Bestimmtheit hervor, daſs sich die Engländer schon damals beim Frischen zweier Herde bedienten, daſs ihr Verfahren also der Wallonschmiede oder vielmehr der englischen Lancasterschmiede bereits entsprach und daſs der Schweiſsherd mit Steinkohlen geheizt wurde. Gleichzeitig goſs man aus dem Hochofen auch Kamin- und Herd- platten u. s. w., indem man das flüssige Eisen mit groſsen Kellen aus dem Eisenkasten schöpfte und in Sandformen goſs. Doch war der Guſs meist sehr spröde. Von dem Eisenschmelzprozeſs zu Cuckfield in Essex giebt es eine Beschreibung von John Ray F. R. S. 1) vom Jahre 1674. Wir entnehmen derselben folgendes: Die Eisenerze liegen manchmal tiefer, manchmal flacher zwischen 4 bis 40 Fuſs unter der Erde. Es giebt davon verschiedene Sorten, reiche und arme, harte und weiche. 1) Lardner, Cabinet Cydopaedia, p. 29. John Harris, Lexicon Technicum „Iron“.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1308>, abgerufen am 22.11.2024.