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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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England im 17. Jahrhundert.
sal von Sturtevants Patent lässt es aber wahrscheinlicher er-
scheinen, dass er überhaupt nichts erfunden, also auch nichts zu
erklären hatte. Es geht aus der weitläufigen Abhandlung nicht
einmal hervor, in welcher Weise eigentlich die Steinkohlen für die an-
geführten Zwecke verwendet werden sollten. Dass dies nicht ohne
weiteres ausführbar war, bestätigt Sturtevant in folgendem Satz:
"Zweifelsohne kann der Zweck erreicht werden, wenn der Erfinder im
stande ist, zu bewirken, dass Steinkohle für metallurgische Operationen
ebenso geeignet ist wie Holzkohle. Hierzu ist dreierlei nötig:
erstens muss die Steinkohle den gleichen Hitzegrad erzeugen wie
Holz oder Holzkohle, d. h. sie darf kein heisseres noch kälteres Feuer
erzeugen als Holz oder Holzkohle; zweitens muss die Kohle so her-
gerichtet und vorbereitet werden, dass alle der Natur der metallischen
Substanzen feindlichen Eigenschaften ausgezogen oder wenigstens in
ihr zerstört worden sind; drittens müssen die fehlenden Eigenschaften,
welche in der Holzkohle enthalten sind, der Steinkohle zugefügt und
eingeflösst werden."

Dieses dreifache Geheimnis kann der Verfasser vollbringen. --
Man könnte hierbei, namentlich bei dem zweiten Punkt, an eine Vor-
bereitung durch Verkokung denken, allein dies wird durch den Inhalt
der Abhandlung Metallica in keiner Weise bestätigt, in dieser wird viel-
mehr das Hauptgewicht auf die neuentdeckten Öfen, Maschinen u. s. w.
gelegt, so dass, wenn Sturtevant überhaupt ein bestimmtes Ver-
fahren vorschwebte, es mehr auf die Verwendung der Flamme der
Steinkohle hinausläuft. Aus der Einleitung erfahren wir, dass die
Steinkohle an Stelle von Holz und Holzkohle zu seiner Zeit bereits
angewendet wurde beim Ziegelbrennen, in der Brauerei, Färberei,
beim Erzguss. "Ferner hatten die Schmiede vordem alles Eisen mit
Holzkohle geschmiedet (wie es da, wo diese billig sind, noch geschieht),
aber seit vielen Jahren verwendet man dafür kleine Seekohlen mit
bestem Erfolg. Seit ganz kurzem macht man aber auch grünes Glas
für Fenster zu Winchesterhouse in Southwark in einem Windofen
mit Steinkohlen, wofür man früher unglaubliche Mengen von Wellen
und anderem Holz verbrauchte."

Sturtevant giebt an, dass er Versuche im Kleinen angestellt
habe, und von seinen Maschinen und Apparaten -- die er in seiner
abstrusen Weise in lenische, phlegnische und kamminische (Lenicks,
Phlegnicks und Camminicks, auch Caminicks geschrieben) einteilt --
Modelle in seiner Werkstätte zu Highbury, Gemeinde Islington bei
London, besässe.


79*

England im 17. Jahrhundert.
sal von Sturtevants Patent läſst es aber wahrscheinlicher er-
scheinen, daſs er überhaupt nichts erfunden, also auch nichts zu
erklären hatte. Es geht aus der weitläufigen Abhandlung nicht
einmal hervor, in welcher Weise eigentlich die Steinkohlen für die an-
geführten Zwecke verwendet werden sollten. Daſs dies nicht ohne
weiteres ausführbar war, bestätigt Sturtevant in folgendem Satz:
„Zweifelsohne kann der Zweck erreicht werden, wenn der Erfinder im
stande ist, zu bewirken, daſs Steinkohle für metallurgische Operationen
ebenso geeignet ist wie Holzkohle. Hierzu ist dreierlei nötig:
erstens muſs die Steinkohle den gleichen Hitzegrad erzeugen wie
Holz oder Holzkohle, d. h. sie darf kein heiſseres noch kälteres Feuer
erzeugen als Holz oder Holzkohle; zweitens muſs die Kohle so her-
gerichtet und vorbereitet werden, daſs alle der Natur der metallischen
Substanzen feindlichen Eigenschaften ausgezogen oder wenigstens in
ihr zerstört worden sind; drittens müssen die fehlenden Eigenschaften,
welche in der Holzkohle enthalten sind, der Steinkohle zugefügt und
eingeflöſst werden.“

Dieses dreifache Geheimnis kann der Verfasser vollbringen. —
Man könnte hierbei, namentlich bei dem zweiten Punkt, an eine Vor-
bereitung durch Verkokung denken, allein dies wird durch den Inhalt
der Abhandlung Metallica in keiner Weise bestätigt, in dieser wird viel-
mehr das Hauptgewicht auf die neuentdeckten Öfen, Maschinen u. s. w.
gelegt, so daſs, wenn Sturtevant überhaupt ein bestimmtes Ver-
fahren vorschwebte, es mehr auf die Verwendung der Flamme der
Steinkohle hinausläuft. Aus der Einleitung erfahren wir, daſs die
Steinkohle an Stelle von Holz und Holzkohle zu seiner Zeit bereits
angewendet wurde beim Ziegelbrennen, in der Brauerei, Färberei,
beim Erzguſs. „Ferner hatten die Schmiede vordem alles Eisen mit
Holzkohle geschmiedet (wie es da, wo diese billig sind, noch geschieht),
aber seit vielen Jahren verwendet man dafür kleine Seekohlen mit
bestem Erfolg. Seit ganz kurzem macht man aber auch grünes Glas
für Fenster zu Winchesterhouse in Southwark in einem Windofen
mit Steinkohlen, wofür man früher unglaubliche Mengen von Wellen
und anderem Holz verbrauchte.“

Sturtevant giebt an, daſs er Versuche im Kleinen angestellt
habe, und von seinen Maschinen und Apparaten — die er in seiner
abstrusen Weise in lenische, phlegnische und kamminische (Lenicks,
Phlegnicks und Camminicks, auch Caminicks geschrieben) einteilt —
Modelle in seiner Werkstätte zu Highbury, Gemeinde Islington bei
London, besäſse.


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[1251/1273] England im 17. Jahrhundert. sal von Sturtevants Patent läſst es aber wahrscheinlicher er- scheinen, daſs er überhaupt nichts erfunden, also auch nichts zu erklären hatte. Es geht aus der weitläufigen Abhandlung nicht einmal hervor, in welcher Weise eigentlich die Steinkohlen für die an- geführten Zwecke verwendet werden sollten. Daſs dies nicht ohne weiteres ausführbar war, bestätigt Sturtevant in folgendem Satz: „Zweifelsohne kann der Zweck erreicht werden, wenn der Erfinder im stande ist, zu bewirken, daſs Steinkohle für metallurgische Operationen ebenso geeignet ist wie Holzkohle. Hierzu ist dreierlei nötig: erstens muſs die Steinkohle den gleichen Hitzegrad erzeugen wie Holz oder Holzkohle, d. h. sie darf kein heiſseres noch kälteres Feuer erzeugen als Holz oder Holzkohle; zweitens muſs die Kohle so her- gerichtet und vorbereitet werden, daſs alle der Natur der metallischen Substanzen feindlichen Eigenschaften ausgezogen oder wenigstens in ihr zerstört worden sind; drittens müssen die fehlenden Eigenschaften, welche in der Holzkohle enthalten sind, der Steinkohle zugefügt und eingeflöſst werden.“ Dieses dreifache Geheimnis kann der Verfasser vollbringen. — Man könnte hierbei, namentlich bei dem zweiten Punkt, an eine Vor- bereitung durch Verkokung denken, allein dies wird durch den Inhalt der Abhandlung Metallica in keiner Weise bestätigt, in dieser wird viel- mehr das Hauptgewicht auf die neuentdeckten Öfen, Maschinen u. s. w. gelegt, so daſs, wenn Sturtevant überhaupt ein bestimmtes Ver- fahren vorschwebte, es mehr auf die Verwendung der Flamme der Steinkohle hinausläuft. Aus der Einleitung erfahren wir, daſs die Steinkohle an Stelle von Holz und Holzkohle zu seiner Zeit bereits angewendet wurde beim Ziegelbrennen, in der Brauerei, Färberei, beim Erzguſs. „Ferner hatten die Schmiede vordem alles Eisen mit Holzkohle geschmiedet (wie es da, wo diese billig sind, noch geschieht), aber seit vielen Jahren verwendet man dafür kleine Seekohlen mit bestem Erfolg. Seit ganz kurzem macht man aber auch grünes Glas für Fenster zu Winchesterhouse in Southwark in einem Windofen mit Steinkohlen, wofür man früher unglaubliche Mengen von Wellen und anderem Holz verbrauchte.“ Sturtevant giebt an, daſs er Versuche im Kleinen angestellt habe, und von seinen Maschinen und Apparaten — die er in seiner abstrusen Weise in lenische, phlegnische und kamminische (Lenicks, Phlegnicks und Camminicks, auch Caminicks geschrieben) einteilt — Modelle in seiner Werkstätte zu Highbury, Gemeinde Islington bei London, besäſse. 79*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1273>, abgerufen am 25.11.2024.