es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die Wasser zu Versailles habe springen lassen."
Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll weiten gusseisernen Röhren.
Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschliesslich Holz-, seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer; man verfiel also auf gusseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen- röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche man mit den Enden aneinanderstiess und über deren Enden man hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus- wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, dass eher das Rohr als der Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete, hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an- zugiessen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen, die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die Flanschenrohre.
Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze Erfindung bei dem Guss der Flanschenröhren vom giessereitechnischen Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat Leonh. Christ. Sturm (+ 1709) in seiner "Vollständigen Anweisung für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc." geliefert.
Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen gegossenen. Er weist dabei auf die grosse Anlage bei Marly hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so dass es eine Kombination von Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuss lang und hat 1 Zoll Wandstärke. "Das Ende A der einen Röhre
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Frankreich im 17. Jahrhundert.
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die Wasser zu Versailles habe springen lassen.“
Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll weiten guſseisernen Röhren.
Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlieſslich Holz-, seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer; man verfiel also auf guſseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen- röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche man mit den Enden aneinanderstieſs und über deren Enden man hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus- wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, daſs eher das Rohr als der Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete, hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an- zugieſsen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen, die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die Flanschenrohre.
Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze Erfindung bei dem Guſs der Flanschenröhren vom gieſsereitechnischen Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat Leonh. Christ. Sturm († 1709) in seiner „Vollständigen Anweisung für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.“ geliefert.
Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen gegossenen. Er weist dabei auf die groſse Anlage bei Marly hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so daſs es eine Kombination von Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuſs lang und hat 1 Zoll Wandstärke. „Das Ende A der einen Röhre
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Frankreich im 17. Jahrhundert.
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die
Wasser zu Versailles habe springen lassen.“
Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll
weiten guſseisernen Röhren.
Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlieſslich Holz-,
seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den
hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer;
man verfiel also auf guſseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber
in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen-
röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche
man mit den Enden aneinanderstieſs und über deren Enden man
hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus-
wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, daſs eher das Rohr als der
Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man
versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der
Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete,
hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim
Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den
scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an-
zugieſsen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen,
die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei
den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten
bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die
Flanschenrohre.
Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein
Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze
Erfindung bei dem Guſs der Flanschenröhren vom gieſsereitechnischen
Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders
geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat
Leonh. Christ. Sturm († 1709) in seiner „Vollständigen Anweisung
für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.“
geliefert.
Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen
gegossenen. Er weist dabei auf die groſse Anlage bei Marly
hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein
Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner
ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht
am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so daſs es eine Kombination von
Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuſs
lang und hat 1 Zoll Wandstärke. „Das Ende A der einen Röhre
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1257>, abgerufen am 27.11.2024.
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