Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Frankreich im 17. Jahrhundert.
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die
Wasser zu Versailles habe springen lassen."

Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll
weiten gusseisernen Röhren.

Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschliesslich Holz-,
seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den
hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer;
man verfiel also auf gusseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber
in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen-
röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche
man mit den Enden aneinanderstiess und über deren Enden man
hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus-
wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, dass eher das Rohr als der
Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man
versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der
Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete,
hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim
Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den
scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an-
zugiessen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen,
die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei
den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten
bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die
Flanschenrohre.

Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein
Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze
Erfindung bei dem Guss der Flanschenröhren vom giessereitechnischen
Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders
geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat
Leonh. Christ. Sturm (+ 1709) in seiner "Vollständigen Anweisung
für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc."
geliefert.

Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen
gegossenen. Er weist dabei auf die grosse Anlage bei Marly
hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein
Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner
ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht
am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so dass es eine Kombination von
Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuss
lang und hat 1 Zoll Wandstärke. "Das Ende A der einen Röhre

78*

Frankreich im 17. Jahrhundert.
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die
Wasser zu Versailles habe springen lassen.“

Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll
weiten guſseisernen Röhren.

Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlieſslich Holz-,
seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den
hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer;
man verfiel also auf guſseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber
in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen-
röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche
man mit den Enden aneinanderstieſs und über deren Enden man
hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus-
wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, daſs eher das Rohr als der
Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man
versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der
Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete,
hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim
Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den
scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an-
zugieſsen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen,
die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei
den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten
bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die
Flanschenrohre.

Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein
Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze
Erfindung bei dem Guſs der Flanschenröhren vom gieſsereitechnischen
Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders
geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat
Leonh. Christ. Sturm († 1709) in seiner „Vollständigen Anweisung
für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.“
geliefert.

Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen
gegossenen. Er weist dabei auf die groſse Anlage bei Marly
hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein
Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner
ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht
am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so daſs es eine Kombination von
Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuſs
lang und hat 1 Zoll Wandstärke. „Das Ende A der einen Röhre

78*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1257" n="1235"/><fw place="top" type="header">Frankreich im 17. Jahrhundert.</fw><lb/>
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die<lb/>
Wasser zu Versailles habe springen lassen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll<lb/>
weiten gu&#x017F;seisernen Röhren.</p><lb/>
              <p>Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlie&#x017F;slich Holz-,<lb/>
seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den<lb/>
hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer;<lb/>
man verfiel also auf gu&#x017F;seiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber<lb/>
in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen-<lb/>
röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche<lb/>
man mit den Enden aneinanderstie&#x017F;s und über deren Enden man<lb/>
hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus-<lb/>
wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, da&#x017F;s eher das Rohr als der<lb/>
Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man<lb/>
versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der<lb/>
Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete,<lb/>
hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim<lb/>
Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den<lb/>
scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an-<lb/>
zugie&#x017F;sen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen,<lb/>
die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei<lb/>
den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten<lb/>
bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die<lb/>
Flanschenrohre.</p><lb/>
              <p>Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein<lb/>
Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze<lb/>
Erfindung bei dem Gu&#x017F;s der Flanschenröhren vom gie&#x017F;sereitechnischen<lb/>
Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders<lb/>
geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat<lb/><hi rendition="#g">Leonh. Christ. Sturm</hi> (&#x2020; 1709) in seiner &#x201E;Vollständigen Anweisung<lb/>
für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.&#x201C;<lb/>
geliefert.</p><lb/>
              <p>Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen<lb/>
gegossenen. Er weist dabei auf die gro&#x017F;se Anlage bei Marly<lb/>
hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein<lb/>
Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner<lb/>
ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche <hi rendition="#i">C</hi> nicht<lb/>
am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so da&#x017F;s es eine Kombination von<lb/>
Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fu&#x017F;s<lb/>
lang und hat 1 Zoll Wandstärke. &#x201E;Das Ende <hi rendition="#i">A</hi> der einen Röhre<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">78*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1235/1257] Frankreich im 17. Jahrhundert. es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die Wasser zu Versailles habe springen lassen.“ Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll weiten guſseisernen Röhren. Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlieſslich Holz-, seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer; man verfiel also auf guſseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen- röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche man mit den Enden aneinanderstieſs und über deren Enden man hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus- wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, daſs eher das Rohr als der Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete, hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an- zugieſsen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen, die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die Flanschenrohre. Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze Erfindung bei dem Guſs der Flanschenröhren vom gieſsereitechnischen Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat Leonh. Christ. Sturm († 1709) in seiner „Vollständigen Anweisung für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.“ geliefert. Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen gegossenen. Er weist dabei auf die groſse Anlage bei Marly hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so daſs es eine Kombination von Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuſs lang und hat 1 Zoll Wandstärke. „Das Ende A der einen Röhre 78*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1257
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1257>, abgerufen am 27.11.2024.