die märkischen Fabriken die Herstellung gewisser grober Klingen- sorten ganz in ihre Hände.
Die Steinkohlen waren es, welche hauptsächlich diese Ver- schiebung bewirkten und schon damals die Veranlassung der Ent- stehung neuer Industriecentren wurde. Die Vermehrung der Reck- und Raffinierhämmer in der Mark hatte ebenfalls ihren Grund in dem billigeren Steinkohlenbezuge.
Von Alters her war die Fabrikation der geschliffenen oder weissen Sensen, welche in Kronenberg ihren ältesten und wichtigsten Sitz hatte, mit der Solinger Industrie eng verbunden gewesen. Auch bei ihr herrschte der handwerksmässige Betrieb, und gerade das zähe Festhalten an demselben wurde die Veranlassung, dass ein grosser Teil der Meister in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die Mark auswanderte, wodurch die Kronenberger Sensenindustrie nach und nach so zurückging, dass sie dem Erliegen nahe gebracht wurde.
Neben der Sensenfabrikation blühte in Kronenberg die Hand- schmiederei, welche aber auch in Rückgang geriet und mit der Zeit fast ganz nach Remscheid auswanderte. Zu diesen Umwälzungen trugen die Einwanderungen betriebsamer Niederländer gegen Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts, welche vor der Schreckensherrschaft und den Religionsverfolgungen der Spanier geflohen waren und welche im Bergischen und Märkischen eine neue Heimat fanden, viel bei; ebenso die zweite französische Einwanderung nach Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685, welche von dem Grossen Kurfürsten in jeder Weise begünstigt wurde. Im Jahre 1600 war Kronenberg noch der anerkannte Vorort der bergischen Sensen- fabrikation. Vom 5. Juni dieses Jahres datiert das älteste erhaltene Privileg1). Dasselbe spricht von "Waren und Waffen" und wurde erlassen für die in den Ämtern Elberfeld, Beynenburg, Burg und Bornefeld ansässigen Sensenschmiede, Sensen- und Stabschleifer. Der Hauptsitz der Industrie war Kronenberg, denn aus diesem Orte sollte der Vogt zwei Jahre nacheinander gewählt werden, das dritte Jahr aus Remscheid oder Lüttringhausen; von den sieben Ratsleuten stellte jenes drei, und daselbst war auch der Sitz des Gerichtes.
Die Betriebsform der Industrie war die handwerksmässige und ihre Verfassung eine höchst einfache, da die Schmiede in eigenen Werkstätten das Material ohne Arbeitsteilung verarbeiteten; einzig die Schleifer standen zu ihnen im Verhältnis von Lohnarbeitern. Die
1) Siehe Thun, a. a. O., S. 109.
Westfalen im 17. Jahrhundert.
die märkischen Fabriken die Herstellung gewisser grober Klingen- sorten ganz in ihre Hände.
Die Steinkohlen waren es, welche hauptsächlich diese Ver- schiebung bewirkten und schon damals die Veranlassung der Ent- stehung neuer Industriecentren wurde. Die Vermehrung der Reck- und Raffinierhämmer in der Mark hatte ebenfalls ihren Grund in dem billigeren Steinkohlenbezuge.
Von Alters her war die Fabrikation der geschliffenen oder weiſsen Sensen, welche in Kronenberg ihren ältesten und wichtigsten Sitz hatte, mit der Solinger Industrie eng verbunden gewesen. Auch bei ihr herrschte der handwerksmäſsige Betrieb, und gerade das zähe Festhalten an demselben wurde die Veranlassung, daſs ein groſser Teil der Meister in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die Mark auswanderte, wodurch die Kronenberger Sensenindustrie nach und nach so zurückging, daſs sie dem Erliegen nahe gebracht wurde.
Neben der Sensenfabrikation blühte in Kronenberg die Hand- schmiederei, welche aber auch in Rückgang geriet und mit der Zeit fast ganz nach Remscheid auswanderte. Zu diesen Umwälzungen trugen die Einwanderungen betriebsamer Niederländer gegen Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts, welche vor der Schreckensherrschaft und den Religionsverfolgungen der Spanier geflohen waren und welche im Bergischen und Märkischen eine neue Heimat fanden, viel bei; ebenso die zweite französische Einwanderung nach Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685, welche von dem Groſsen Kurfürsten in jeder Weise begünstigt wurde. Im Jahre 1600 war Kronenberg noch der anerkannte Vorort der bergischen Sensen- fabrikation. Vom 5. Juni dieses Jahres datiert das älteste erhaltene Privileg1). Dasselbe spricht von „Waren und Waffen“ und wurde erlassen für die in den Ämtern Elberfeld, Beynenburg, Burg und Bornefeld ansässigen Sensenschmiede, Sensen- und Stabschleifer. Der Hauptsitz der Industrie war Kronenberg, denn aus diesem Orte sollte der Vogt zwei Jahre nacheinander gewählt werden, das dritte Jahr aus Remscheid oder Lüttringhausen; von den sieben Ratsleuten stellte jenes drei, und daselbst war auch der Sitz des Gerichtes.
Die Betriebsform der Industrie war die handwerksmäſsige und ihre Verfassung eine höchst einfache, da die Schmiede in eigenen Werkstätten das Material ohne Arbeitsteilung verarbeiteten; einzig die Schleifer standen zu ihnen im Verhältnis von Lohnarbeitern. Die
1) Siehe Thun, a. a. O., S. 109.
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Westfalen im 17. Jahrhundert.
die märkischen Fabriken die Herstellung gewisser grober Klingen-
sorten ganz in ihre Hände.
Die Steinkohlen waren es, welche hauptsächlich diese Ver-
schiebung bewirkten und schon damals die Veranlassung der Ent-
stehung neuer Industriecentren wurde. Die Vermehrung der Reck-
und Raffinierhämmer in der Mark hatte ebenfalls ihren Grund in
dem billigeren Steinkohlenbezuge.
Von Alters her war die Fabrikation der geschliffenen oder weiſsen
Sensen, welche in Kronenberg ihren ältesten und wichtigsten
Sitz hatte, mit der Solinger Industrie eng verbunden gewesen. Auch
bei ihr herrschte der handwerksmäſsige Betrieb, und gerade das zähe
Festhalten an demselben wurde die Veranlassung, daſs ein groſser
Teil der Meister in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die
Mark auswanderte, wodurch die Kronenberger Sensenindustrie nach
und nach so zurückging, daſs sie dem Erliegen nahe gebracht wurde.
Neben der Sensenfabrikation blühte in Kronenberg die Hand-
schmiederei, welche aber auch in Rückgang geriet und mit der Zeit
fast ganz nach Remscheid auswanderte. Zu diesen Umwälzungen
trugen die Einwanderungen betriebsamer Niederländer gegen Ende
des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts, welche vor
der Schreckensherrschaft und den Religionsverfolgungen der Spanier
geflohen waren und welche im Bergischen und Märkischen eine neue
Heimat fanden, viel bei; ebenso die zweite französische Einwanderung
nach Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685, welche von dem
Groſsen Kurfürsten in jeder Weise begünstigt wurde. Im Jahre 1600
war Kronenberg noch der anerkannte Vorort der bergischen Sensen-
fabrikation. Vom 5. Juni dieses Jahres datiert das älteste erhaltene
Privileg 1). Dasselbe spricht von „Waren und Waffen“ und wurde
erlassen für die in den Ämtern Elberfeld, Beynenburg, Burg und
Bornefeld ansässigen Sensenschmiede, Sensen- und Stabschleifer. Der
Hauptsitz der Industrie war Kronenberg, denn aus diesem Orte sollte
der Vogt zwei Jahre nacheinander gewählt werden, das dritte Jahr
aus Remscheid oder Lüttringhausen; von den sieben Ratsleuten stellte
jenes drei, und daselbst war auch der Sitz des Gerichtes.
Die Betriebsform der Industrie war die handwerksmäſsige und
ihre Verfassung eine höchst einfache, da die Schmiede in eigenen
Werkstätten das Material ohne Arbeitsteilung verarbeiteten; einzig
die Schleifer standen zu ihnen im Verhältnis von Lohnarbeitern. Die
1) Siehe Thun, a. a. O., S. 109.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1218>, abgerufen am 23.12.2024.
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