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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.
Verkauf war grosse Unordnung eingerissen, dadurch, dass privilegierte
Kaufleute mehr Klingen schmieden liessen, als ihnen zukam, dass
manche Schmiede ihre Klingen selbst bereideten und zum Verkauf
ausser Land trugen und dass Unprivilegierte mit schwarzen Klingen
Handel trieben. Durch alles dieses wurden die Preise und die Löhne
herabgedrückt. Man erneuerte daher das alte Verbot des gleich-
zeitigen Arbeitens und Handeltreibens und gestattete den Unprivile-
gierten nur den Handel mit fertigen in- und ausländischen
Schwertern. -- Die Konkurrenz der Kaufleute untereinander und die
Überspekulation wurde dadurch eingeschränkt, dass bestimmt wurde,
kein Kaufmann solle, ausser zu den gewöhnlichen Messen nach Frank-
furt, Leipzig, Strassburg, Nürnberg und anderen bestimmten Orten,
reisen oder Klingen und andere Solinger Ware verschicken. Die
Güter nach Hamburg, Lübeck, den Ostseeländern, Polen, Dänemark,
Schweden, sowie nach Köln, Amsterdam, den Niederlanden, Frank-
reich, Spanien, Italien, England u. s. w. durften nur zweimal im Jahr,
im März oder April und im September oder Oktober, je nach der
Witterung versendet werden. Und zwar durften die Klingen, aus-
genommen die gewöhnlichen Messerklingen, nur auf Bestellung oder
wenn die Preise vorher festgesetzt waren, verschickt oder mitgenommen
werden, weil durch das Ausbieten der Waren die Preise gedrückt
wurden.

Der Hauptzweck des Sechsmannsbriefs war der, jedem, namentlich
auch dem Arbeiter, den ihm gebührenden Gewinnanteil zukommen zu
lassen, während zuvor "die Kaufleute ihre Libertät benutzt hatten,
um den geringen Bruder zu vernichten, so dass die Armen kaum das
Brot verdienen konnten". Schon 1673 hatte man deshalb eine Lohn-
ordnung erlassen. Diese wurde dahin erweitert, dass die Sechsmänner
im Verein mit den Vögten und Ratleuten, unter denen kein Kauf-
mann sein durfte, mit Wissen des kurfürstlichen Obervogts alljähr-
lich von neuem nach Gestalt, Güte, Tugend, Teuerheit des Materials,
Zeitläuften, Ort der Auskunft, aufgehende Kosten, Gelegenheit des
Abgangs u. s. w., sowohl den Lohn der lohnarbeitenden Schleifer,
Härter, Schmiede, Reider u. a., als auch den Preis der Halbfabrikate,
wie der schwarzen Klingen, der Scheiden und der fertigen Schwerter
in billiger Weise festsetzen sollten. Unter diesen Sätzen durfte nicht
gearbeitet, auch weder in- noch ausserhalb des Landes verkauft
werden, widrigenfalls der Kaufmann auf drei Monate seine Handels-
berechtigung verlor. -- Damit die Taxen nicht umgangen würden,
sollten die Materialien, wie Eisen, Stahl, Stein- und Holzkohlen u. s. w.,

Westfalen im 17. Jahrhundert.
Verkauf war groſse Unordnung eingerissen, dadurch, daſs privilegierte
Kaufleute mehr Klingen schmieden lieſsen, als ihnen zukam, daſs
manche Schmiede ihre Klingen selbst bereideten und zum Verkauf
auſser Land trugen und daſs Unprivilegierte mit schwarzen Klingen
Handel trieben. Durch alles dieses wurden die Preise und die Löhne
herabgedrückt. Man erneuerte daher das alte Verbot des gleich-
zeitigen Arbeitens und Handeltreibens und gestattete den Unprivile-
gierten nur den Handel mit fertigen in- und ausländischen
Schwertern. — Die Konkurrenz der Kaufleute untereinander und die
Überspekulation wurde dadurch eingeschränkt, daſs bestimmt wurde,
kein Kaufmann solle, auſser zu den gewöhnlichen Messen nach Frank-
furt, Leipzig, Straſsburg, Nürnberg und anderen bestimmten Orten,
reisen oder Klingen und andere Solinger Ware verschicken. Die
Güter nach Hamburg, Lübeck, den Ostseeländern, Polen, Dänemark,
Schweden, sowie nach Köln, Amsterdam, den Niederlanden, Frank-
reich, Spanien, Italien, England u. s. w. durften nur zweimal im Jahr,
im März oder April und im September oder Oktober, je nach der
Witterung versendet werden. Und zwar durften die Klingen, aus-
genommen die gewöhnlichen Messerklingen, nur auf Bestellung oder
wenn die Preise vorher festgesetzt waren, verschickt oder mitgenommen
werden, weil durch das Ausbieten der Waren die Preise gedrückt
wurden.

Der Hauptzweck des Sechsmannsbriefs war der, jedem, namentlich
auch dem Arbeiter, den ihm gebührenden Gewinnanteil zukommen zu
lassen, während zuvor „die Kaufleute ihre Libertät benutzt hatten,
um den geringen Bruder zu vernichten, so daſs die Armen kaum das
Brot verdienen konnten“. Schon 1673 hatte man deshalb eine Lohn-
ordnung erlassen. Diese wurde dahin erweitert, daſs die Sechsmänner
im Verein mit den Vögten und Ratleuten, unter denen kein Kauf-
mann sein durfte, mit Wissen des kurfürstlichen Obervogts alljähr-
lich von neuem nach Gestalt, Güte, Tugend, Teuerheit des Materials,
Zeitläuften, Ort der Auskunft, aufgehende Kosten, Gelegenheit des
Abgangs u. s. w., sowohl den Lohn der lohnarbeitenden Schleifer,
Härter, Schmiede, Reider u. a., als auch den Preis der Halbfabrikate,
wie der schwarzen Klingen, der Scheiden und der fertigen Schwerter
in billiger Weise festsetzen sollten. Unter diesen Sätzen durfte nicht
gearbeitet, auch weder in- noch auſserhalb des Landes verkauft
werden, widrigenfalls der Kaufmann auf drei Monate seine Handels-
berechtigung verlor. — Damit die Taxen nicht umgangen würden,
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[1190/1212] Westfalen im 17. Jahrhundert. Verkauf war groſse Unordnung eingerissen, dadurch, daſs privilegierte Kaufleute mehr Klingen schmieden lieſsen, als ihnen zukam, daſs manche Schmiede ihre Klingen selbst bereideten und zum Verkauf auſser Land trugen und daſs Unprivilegierte mit schwarzen Klingen Handel trieben. Durch alles dieses wurden die Preise und die Löhne herabgedrückt. Man erneuerte daher das alte Verbot des gleich- zeitigen Arbeitens und Handeltreibens und gestattete den Unprivile- gierten nur den Handel mit fertigen in- und ausländischen Schwertern. — Die Konkurrenz der Kaufleute untereinander und die Überspekulation wurde dadurch eingeschränkt, daſs bestimmt wurde, kein Kaufmann solle, auſser zu den gewöhnlichen Messen nach Frank- furt, Leipzig, Straſsburg, Nürnberg und anderen bestimmten Orten, reisen oder Klingen und andere Solinger Ware verschicken. Die Güter nach Hamburg, Lübeck, den Ostseeländern, Polen, Dänemark, Schweden, sowie nach Köln, Amsterdam, den Niederlanden, Frank- reich, Spanien, Italien, England u. s. w. durften nur zweimal im Jahr, im März oder April und im September oder Oktober, je nach der Witterung versendet werden. Und zwar durften die Klingen, aus- genommen die gewöhnlichen Messerklingen, nur auf Bestellung oder wenn die Preise vorher festgesetzt waren, verschickt oder mitgenommen werden, weil durch das Ausbieten der Waren die Preise gedrückt wurden. Der Hauptzweck des Sechsmannsbriefs war der, jedem, namentlich auch dem Arbeiter, den ihm gebührenden Gewinnanteil zukommen zu lassen, während zuvor „die Kaufleute ihre Libertät benutzt hatten, um den geringen Bruder zu vernichten, so daſs die Armen kaum das Brot verdienen konnten“. Schon 1673 hatte man deshalb eine Lohn- ordnung erlassen. Diese wurde dahin erweitert, daſs die Sechsmänner im Verein mit den Vögten und Ratleuten, unter denen kein Kauf- mann sein durfte, mit Wissen des kurfürstlichen Obervogts alljähr- lich von neuem nach Gestalt, Güte, Tugend, Teuerheit des Materials, Zeitläuften, Ort der Auskunft, aufgehende Kosten, Gelegenheit des Abgangs u. s. w., sowohl den Lohn der lohnarbeitenden Schleifer, Härter, Schmiede, Reider u. a., als auch den Preis der Halbfabrikate, wie der schwarzen Klingen, der Scheiden und der fertigen Schwerter in billiger Weise festsetzen sollten. Unter diesen Sätzen durfte nicht gearbeitet, auch weder in- noch auſserhalb des Landes verkauft werden, widrigenfalls der Kaufmann auf drei Monate seine Handels- berechtigung verlor. — Damit die Taxen nicht umgangen würden, sollten die Materialien, wie Eisen, Stahl, Stein- und Holzkohlen u. s. w.,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1212>, abgerufen am 26.12.2024.