gerten die Bauern und Händler die Annahme oder machten willkür- liche Abzüge. Gingen sie über die Alpe nach Steiermark zum Ein- kaufen, so mussten sie dort die hohen Maut- und Aufschlaggebühren zahlen. Die Bäcker, die Metzger, die Bauern, alle übervorteilten die armen Arbeiter, die, dadurch zur Verzweiflung getrieben, in ihren Klagen und Bittschriften öfter mit Aufstand und Auswanderung drohten. Der Bergrichter Engel erklärte in einem Schreiben an den salzburgischen Vizedom die Beschwerden der Knappen für gerecht- fertigt und bittet um Abhülfe. Es geschah aber nichts. Nun kam noch das Elend des 30 jährigen Krieges dazu mit seinen Auflagen und Kriegssteuern. Infolge dessen trat ein solcher Notstand ein, dass im Jahre 1622 die Klagenfurter Bürger, von rasendem Hunger ge- trieben, am hellen Tage in die Höfe der Bauern einbrachen, um mit Gewalt den letzten Bissen zu nehmen. Die Hüttenberger Knappen, die noch schwerer litten, brachen in offene Revolte und Ausstände aus und drangen mit Gewalt in die Marktstädte Althofen und Krapffeld ein. Das Erzstift Salzburg schickte Kommissare, die aber nichts ausrich- teten. Gewalt half gar nichts; erst als der Vizedom Johann Baptist Vischer den Weg gütlicher Verständigung betrat und unter anderem den Radmeistern ernstlich befahl, den Arbeitern zu geben, was sie versprochen, und alle Ausfuhr von Getreide, Salz, Schmalz u. s. w. streng verbot, gelang es demselben, diesen ersten gewaltsamen Aufstand der Berg- und Hüttenarbeiter zu dämpfen.
Aber Unzufriedenheit und Misshelligkeiten hörten damit nicht auf. Klagen und Bittgesuche an die Regierung nahmen kein Ende. Neue Kommissare wurden abgeordnet, die dann endlich am 19. Oktober 1646 einen Vergleich zu Stande brachten folgenden Inhalts 1):
1. versprechen die Gewerken den Arbeitern die Venetianer Silber- krone nicht mit 2 Gulden, sondern mit 50 Schilling und die übrigen Geldsorten, wie sie gangbar sind, bei der Zahlung zu leisten;
2. werden die Postgelder (Löhne) jedesmal zur rechten Zeit und das Getreide im Werte, wie es von halb zu halb Jahr im Preise steht, verabreicht;
3. haben die Knappen das Erz nach richtiger Vermessung am Berge und nicht bei den Werkgaden zu geben;
4. versprechen die Knappen nur an den von der hohen geist- lichen Obrigkeit festgesetzten und gebotenen Feiertagen zu feiern, an allen anderen Tagen aber fleissig zu arbeiten;
1) Siehe Münichsdorfer a. a. O., S. 79 und Anfang Urkunde XII, wo der Originaltext des Vergleiches abgedruckt ist.
66*
Kärnten im 17. Jahrhundert.
gerten die Bauern und Händler die Annahme oder machten willkür- liche Abzüge. Gingen sie über die Alpe nach Steiermark zum Ein- kaufen, so muſsten sie dort die hohen Maut- und Aufschlaggebühren zahlen. Die Bäcker, die Metzger, die Bauern, alle übervorteilten die armen Arbeiter, die, dadurch zur Verzweiflung getrieben, in ihren Klagen und Bittschriften öfter mit Aufstand und Auswanderung drohten. Der Bergrichter Engel erklärte in einem Schreiben an den salzburgischen Vizedom die Beschwerden der Knappen für gerecht- fertigt und bittet um Abhülfe. Es geschah aber nichts. Nun kam noch das Elend des 30 jährigen Krieges dazu mit seinen Auflagen und Kriegssteuern. Infolge dessen trat ein solcher Notstand ein, daſs im Jahre 1622 die Klagenfurter Bürger, von rasendem Hunger ge- trieben, am hellen Tage in die Höfe der Bauern einbrachen, um mit Gewalt den letzten Bissen zu nehmen. Die Hüttenberger Knappen, die noch schwerer litten, brachen in offene Revolte und Ausstände aus und drangen mit Gewalt in die Marktstädte Althofen und Krapffeld ein. Das Erzstift Salzburg schickte Kommissare, die aber nichts ausrich- teten. Gewalt half gar nichts; erst als der Vizedom Johann Baptist Vischer den Weg gütlicher Verständigung betrat und unter anderem den Radmeistern ernstlich befahl, den Arbeitern zu geben, was sie versprochen, und alle Ausfuhr von Getreide, Salz, Schmalz u. s. w. streng verbot, gelang es demselben, diesen ersten gewaltsamen Aufstand der Berg- und Hüttenarbeiter zu dämpfen.
Aber Unzufriedenheit und Miſshelligkeiten hörten damit nicht auf. Klagen und Bittgesuche an die Regierung nahmen kein Ende. Neue Kommissare wurden abgeordnet, die dann endlich am 19. Oktober 1646 einen Vergleich zu Stande brachten folgenden Inhalts 1):
1. versprechen die Gewerken den Arbeitern die Venetianer Silber- krone nicht mit 2 Gulden, sondern mit 50 Schilling und die übrigen Geldsorten, wie sie gangbar sind, bei der Zahlung zu leisten;
2. werden die Postgelder (Löhne) jedesmal zur rechten Zeit und das Getreide im Werte, wie es von halb zu halb Jahr im Preise steht, verabreicht;
3. haben die Knappen das Erz nach richtiger Vermessung am Berge und nicht bei den Werkgaden zu geben;
4. versprechen die Knappen nur an den von der hohen geist- lichen Obrigkeit festgesetzten und gebotenen Feiertagen zu feiern, an allen anderen Tagen aber fleiſsig zu arbeiten;
1) Siehe Münichsdorfer a. a. O., S. 79 und Anfang Urkunde XII, wo der Originaltext des Vergleiches abgedruckt ist.
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Kärnten im 17. Jahrhundert.
gerten die Bauern und Händler die Annahme oder machten willkür-
liche Abzüge. Gingen sie über die Alpe nach Steiermark zum Ein-
kaufen, so muſsten sie dort die hohen Maut- und Aufschlaggebühren
zahlen. Die Bäcker, die Metzger, die Bauern, alle übervorteilten die
armen Arbeiter, die, dadurch zur Verzweiflung getrieben, in ihren
Klagen und Bittschriften öfter mit Aufstand und Auswanderung
drohten. Der Bergrichter Engel erklärte in einem Schreiben an den
salzburgischen Vizedom die Beschwerden der Knappen für gerecht-
fertigt und bittet um Abhülfe. Es geschah aber nichts. Nun kam
noch das Elend des 30 jährigen Krieges dazu mit seinen Auflagen
und Kriegssteuern. Infolge dessen trat ein solcher Notstand ein, daſs
im Jahre 1622 die Klagenfurter Bürger, von rasendem Hunger ge-
trieben, am hellen Tage in die Höfe der Bauern einbrachen, um mit
Gewalt den letzten Bissen zu nehmen. Die Hüttenberger Knappen,
die noch schwerer litten, brachen in offene Revolte und Ausstände aus
und drangen mit Gewalt in die Marktstädte Althofen und Krapffeld ein.
Das Erzstift Salzburg schickte Kommissare, die aber nichts ausrich-
teten. Gewalt half gar nichts; erst als der Vizedom Johann Baptist
Vischer den Weg gütlicher Verständigung betrat und unter anderem
den Radmeistern ernstlich befahl, den Arbeitern zu geben, was sie
versprochen, und alle Ausfuhr von Getreide, Salz, Schmalz u. s. w. streng
verbot, gelang es demselben, diesen ersten gewaltsamen Aufstand der
Berg- und Hüttenarbeiter zu dämpfen.
Aber Unzufriedenheit und Miſshelligkeiten hörten damit nicht auf.
Klagen und Bittgesuche an die Regierung nahmen kein Ende. Neue
Kommissare wurden abgeordnet, die dann endlich am 19. Oktober
1646 einen Vergleich zu Stande brachten folgenden Inhalts 1):
1. versprechen die Gewerken den Arbeitern die Venetianer Silber-
krone nicht mit 2 Gulden, sondern mit 50 Schilling und die übrigen
Geldsorten, wie sie gangbar sind, bei der Zahlung zu leisten;
2. werden die Postgelder (Löhne) jedesmal zur rechten Zeit und
das Getreide im Werte, wie es von halb zu halb Jahr im Preise
steht, verabreicht;
3. haben die Knappen das Erz nach richtiger Vermessung am
Berge und nicht bei den Werkgaden zu geben;
4. versprechen die Knappen nur an den von der hohen geist-
lichen Obrigkeit festgesetzten und gebotenen Feiertagen zu feiern, an
allen anderen Tagen aber fleiſsig zu arbeiten;
1) Siehe Münichsdorfer a. a. O., S. 79 und Anfang Urkunde XII, wo der
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1043. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1065>, abgerufen am 22.11.2024.
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