Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Theophilus Presbyter.
auffassten und wiedergaben, wie sie ihnen erschienen. Genossen diese
zu Lebzeiten auch nicht den Ruhm der alchemistischen Geheimnis-
krämer, so ist ihnen die Nachwelt um so mehr zum Dank verpflichtet.
Unter diesen Gelehrten wollen wir zwei hervorheben, Theophilus Pres-
byter und Leonardo da Vinci.

Theophilus Presbyter.

Das Kunstgewerbe hatte vornehmlich durch die Bemühungen der
Geistlichkeit, durch Klöster und kunstsinnige Kirchenfürsten im
10. Jahrhundert festen Boden in Deutschland gewonnen und sich im
11. Jahrhundert rasch zur Blüte entwickelt. Piligrin von Köln, Willigis
von Mainz, Bernward und Godehard von Hildesheim, Gebhard und
Thiemar von Salzburg, Altmann von Passau, Adalberto von Würzburg,
Anno von Köln, Friedrich von Münster unterstützten die Kunst und
und wirkten mit Macht, Reichtum und Verständnis anregend nach den
verschiedensten Richtungen hin. So wurde Hildesheim durch ihre
oben genannten kunstsinnigen Fürsten die Hochschule des Kunstgusses,
die klassische Stätte für Bronzeguss in dieser Periode des Mittelalters.
Nicht minder wurde das Kunstgewerbe in den Klöstern gepflegt. Wir
hatten schon früher Veranlassung, das Kloster zu St. Gallen zu erwäh-
nen, in dem alle Gewerbe, auch die Kunstgewerbe, im ausgedehnten
Massstab betrieben wurden. Einem Kloster, welches unter der Auf-
sicht eines kunstsinnigen Bischofs stand, entstammte auch der Ge-
lehrte 1), der in seinem berühmten Werk: Schedula Diversarum Artium
uns einen reichen Schatz von Mitteilungen über das Kunstgewerbe
seiner Zeit hinterlassen hat. Der Mann, der als Schriftsteller den
Namen Theophilus Presbyter führt, war ein Deutscher und zwar
wahrscheinlich ein Westfale. Er hiess Rogker -- latinisiert Rugerus --
und war Mönch in dem Benediktinerkloster Helmershausen (vordem
Helmwardeshuson) an der Dieml, welches damals zu Paderborn gehörte,
dessen kunstsinniger Bischof Meinwerk die Anregung zu hoher Kunst-
thätigkeit in seinem Bistum gegeben hatte. Er lebte in der ersten
Hälfte des 11. Jahrhunderts, während das Leben und Wirken des
Theophilus in die zweite Hälfte des 11. und in den Anfang des 12. Jahr-
hunderts fällt. Der Benediktinermönch wirkte nicht nur als Schrift-

1) Albert Ilg. Ed. Theophil. Presb. im VII. Bd. d. Quellengeschichte v.
Eitelberger von Edelberg. Einleitung XLIII.

Theophilus Presbyter.
auffaſsten und wiedergaben, wie sie ihnen erschienen. Genossen diese
zu Lebzeiten auch nicht den Ruhm der alchemistischen Geheimnis-
krämer, so ist ihnen die Nachwelt um so mehr zum Dank verpflichtet.
Unter diesen Gelehrten wollen wir zwei hervorheben, Theophilus Pres-
byter und Leonardo da Vinci.

Theophilus Presbyter.

Das Kunstgewerbe hatte vornehmlich durch die Bemühungen der
Geistlichkeit, durch Klöster und kunstsinnige Kirchenfürsten im
10. Jahrhundert festen Boden in Deutschland gewonnen und sich im
11. Jahrhundert rasch zur Blüte entwickelt. Piligrin von Köln, Willigis
von Mainz, Bernward und Godehard von Hildesheim, Gebhard und
Thiemar von Salzburg, Altmann von Passau, Adalberto von Würzburg,
Anno von Köln, Friedrich von Münster unterstützten die Kunst und
und wirkten mit Macht, Reichtum und Verständnis anregend nach den
verschiedensten Richtungen hin. So wurde Hildesheim durch ihre
oben genannten kunstsinnigen Fürsten die Hochschule des Kunstgusses,
die klassische Stätte für Bronzeguſs in dieser Periode des Mittelalters.
Nicht minder wurde das Kunstgewerbe in den Klöstern gepflegt. Wir
hatten schon früher Veranlassung, das Kloster zu St. Gallen zu erwäh-
nen, in dem alle Gewerbe, auch die Kunstgewerbe, im ausgedehnten
Maſsstab betrieben wurden. Einem Kloster, welches unter der Auf-
sicht eines kunstsinnigen Bischofs stand, entstammte auch der Ge-
lehrte 1), der in seinem berühmten Werk: Schedula Diversarum Artium
uns einen reichen Schatz von Mitteilungen über das Kunstgewerbe
seiner Zeit hinterlassen hat. Der Mann, der als Schriftsteller den
Namen Theophilus Presbyter führt, war ein Deutscher und zwar
wahrscheinlich ein Westfale. Er hieſs Rogker — latinisiert Rugerus —
und war Mönch in dem Benediktinerkloster Helmershausen (vordem
Helmwardeshuson) an der Dieml, welches damals zu Paderborn gehörte,
dessen kunstsinniger Bischof Meinwerk die Anregung zu hoher Kunst-
thätigkeit in seinem Bistum gegeben hatte. Er lebte in der ersten
Hälfte des 11. Jahrhunderts, während das Leben und Wirken des
Theophilus in die zweite Hälfte des 11. und in den Anfang des 12. Jahr-
hunderts fällt. Der Benediktinermönch wirkte nicht nur als Schrift-

1) Albert Ilg. Ed. Theophil. Presb. im VII. Bd. d. Quellengeschichte v.
Eitelberger von Edelberg. Einleitung XLIII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0996" n="974"/><fw place="top" type="header">Theophilus Presbyter.</fw><lb/>
auffa&#x017F;sten und wiedergaben, wie sie ihnen erschienen. Genossen diese<lb/>
zu Lebzeiten auch nicht den Ruhm der alchemistischen Geheimnis-<lb/>
krämer, so ist ihnen die Nachwelt um so mehr zum Dank verpflichtet.<lb/>
Unter diesen Gelehrten wollen wir zwei hervorheben, Theophilus Pres-<lb/>
byter und Leonardo da Vinci.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Theophilus Presbyter</hi>.</head><lb/>
              <p>Das Kunstgewerbe hatte vornehmlich durch die Bemühungen der<lb/>
Geistlichkeit, durch Klöster und kunstsinnige Kirchenfürsten im<lb/>
10. Jahrhundert festen Boden in Deutschland gewonnen und sich im<lb/>
11. Jahrhundert rasch zur Blüte entwickelt. Piligrin von Köln, Willigis<lb/>
von Mainz, Bernward und Godehard von Hildesheim, Gebhard und<lb/>
Thiemar von Salzburg, Altmann von Passau, Adalberto von Würzburg,<lb/>
Anno von Köln, Friedrich von Münster unterstützten die Kunst und<lb/>
und wirkten mit Macht, Reichtum und Verständnis anregend nach den<lb/>
verschiedensten Richtungen hin. So wurde Hildesheim durch ihre<lb/>
oben genannten kunstsinnigen Fürsten die Hochschule des Kunstgusses,<lb/>
die klassische Stätte für Bronzegu&#x017F;s in dieser Periode des Mittelalters.<lb/>
Nicht minder wurde das Kunstgewerbe in den Klöstern gepflegt. Wir<lb/>
hatten schon früher Veranlassung, das Kloster zu St. Gallen zu erwäh-<lb/>
nen, in dem alle Gewerbe, auch die Kunstgewerbe, im ausgedehnten<lb/>
Ma&#x017F;sstab betrieben wurden. Einem Kloster, welches unter der Auf-<lb/>
sicht eines kunstsinnigen Bischofs stand, entstammte auch der Ge-<lb/>
lehrte <note place="foot" n="1)">Albert Ilg. Ed. Theophil. Presb. im VII. Bd. d. Quellengeschichte v.<lb/>
Eitelberger von Edelberg. Einleitung XLIII.</note>, der in seinem berühmten Werk: Schedula Diversarum Artium<lb/>
uns einen reichen Schatz von Mitteilungen über das Kunstgewerbe<lb/>
seiner Zeit hinterlassen hat. Der Mann, der als Schriftsteller den<lb/>
Namen <hi rendition="#g">Theophilus Presbyter</hi> führt, war ein Deutscher und zwar<lb/>
wahrscheinlich ein Westfale. Er hie&#x017F;s <hi rendition="#g">Rogker</hi> &#x2014; latinisiert Rugerus &#x2014;<lb/>
und war Mönch in dem Benediktinerkloster Helmershausen (vordem<lb/>
Helmwardeshuson) an der Dieml, welches damals zu Paderborn gehörte,<lb/>
dessen kunstsinniger Bischof Meinwerk die Anregung zu hoher Kunst-<lb/>
thätigkeit in seinem Bistum gegeben hatte. Er lebte in der ersten<lb/>
Hälfte des 11. Jahrhunderts, während das Leben und Wirken des<lb/>
Theophilus in die zweite Hälfte des 11. und in den Anfang des 12. Jahr-<lb/>
hunderts fällt. Der Benediktinermönch wirkte nicht nur als Schrift-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[974/0996] Theophilus Presbyter. auffaſsten und wiedergaben, wie sie ihnen erschienen. Genossen diese zu Lebzeiten auch nicht den Ruhm der alchemistischen Geheimnis- krämer, so ist ihnen die Nachwelt um so mehr zum Dank verpflichtet. Unter diesen Gelehrten wollen wir zwei hervorheben, Theophilus Pres- byter und Leonardo da Vinci. Theophilus Presbyter. Das Kunstgewerbe hatte vornehmlich durch die Bemühungen der Geistlichkeit, durch Klöster und kunstsinnige Kirchenfürsten im 10. Jahrhundert festen Boden in Deutschland gewonnen und sich im 11. Jahrhundert rasch zur Blüte entwickelt. Piligrin von Köln, Willigis von Mainz, Bernward und Godehard von Hildesheim, Gebhard und Thiemar von Salzburg, Altmann von Passau, Adalberto von Würzburg, Anno von Köln, Friedrich von Münster unterstützten die Kunst und und wirkten mit Macht, Reichtum und Verständnis anregend nach den verschiedensten Richtungen hin. So wurde Hildesheim durch ihre oben genannten kunstsinnigen Fürsten die Hochschule des Kunstgusses, die klassische Stätte für Bronzeguſs in dieser Periode des Mittelalters. Nicht minder wurde das Kunstgewerbe in den Klöstern gepflegt. Wir hatten schon früher Veranlassung, das Kloster zu St. Gallen zu erwäh- nen, in dem alle Gewerbe, auch die Kunstgewerbe, im ausgedehnten Maſsstab betrieben wurden. Einem Kloster, welches unter der Auf- sicht eines kunstsinnigen Bischofs stand, entstammte auch der Ge- lehrte 1), der in seinem berühmten Werk: Schedula Diversarum Artium uns einen reichen Schatz von Mitteilungen über das Kunstgewerbe seiner Zeit hinterlassen hat. Der Mann, der als Schriftsteller den Namen Theophilus Presbyter führt, war ein Deutscher und zwar wahrscheinlich ein Westfale. Er hieſs Rogker — latinisiert Rugerus — und war Mönch in dem Benediktinerkloster Helmershausen (vordem Helmwardeshuson) an der Dieml, welches damals zu Paderborn gehörte, dessen kunstsinniger Bischof Meinwerk die Anregung zu hoher Kunst- thätigkeit in seinem Bistum gegeben hatte. Er lebte in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, während das Leben und Wirken des Theophilus in die zweite Hälfte des 11. und in den Anfang des 12. Jahr- hunderts fällt. Der Benediktinermönch wirkte nicht nur als Schrift- 1) Albert Ilg. Ed. Theophil. Presb. im VII. Bd. d. Quellengeschichte v. Eitelberger von Edelberg. Einleitung XLIII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/996
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 974. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/996>, abgerufen am 17.11.2024.