gewissen Geschützen schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch eiserne Klötze, daher wohl der Name "Klotzbüchsen", Eisenbolzen er- setzt, die jedenfalls auch geschmiedet waren. In einer Liller Rechnung vom Jahre 1358 heisst es: a Mikiel le Febvre, pour jc. de grans fiers de quarriaus de canons (item an Michel den Schmied für jc. grosse Eisen zu Geschossen für Kanonen).
Bleikugeln in Kupfer-, Bronze-, oder Steinformen gegossen, dienten seit Mitte des 14. Jahrhunderts für Geschütze von kleinerem Kaliber (Not- und Feldschlangen, Halbschlangen, Falkonetten, Serpentinen, Coulevrinen etc. etc., s. weiter unten, und der Handfeuerwaffen).
Mit den grossen Geschützen: bombardes, veuglaires, courtauds, mortiers, bombardelles etc., deutsch: Bombarden, Schirm-, Bock-, Karren-, Kammer-Büchsen, Haufnitzen, Tarasbüchsen u. s. w., schoss man bis ins 16. Jahrhundert mit Steinkugeln. Es ist schon zweifel- haft, ob die leichten Eisenkugeln, welche in den Stadtrechnungen von Gent erwähnt werden, von denen 1000 Stück nur 101/2 Schilling kosteten, geschmiedet oder gegossen waren. Ersteres ist wohl wahr- scheinlicher. Wir wissen bestimmt, dass in der Mitte des 15. Jahr- hunderts in den flandrischen Städten bereits gegossene eiserne Kugeln in allgemeinem Gebrauch waren. Ferner liegen urkundliche Beweise vor, dass auch Karl der Kühne schon in den ersten Jahren seiner Re- gierung sich gusseiserner Kanonen bediente 1).
Der hohe Preis der gusseisernen Kugeln beschränkte ihre Anwen- dung. Wegen der Kostspieligkeit suchte man die Wirkung der Stein- kugeln auf andere Weise zu erhöhen; abgesehen von dem schon früher erwähnten Einbinden mit geschmiedeten Eisenbändern, höhlte man die Kugeln aus und goss in die Höhlungen Blei. Diese mit Blei gefüllten Steinkugeln werden in dieser Periode (1470 bis 1490) öfter erwähnt. Die französischen Schriftsteller geben übereinstimmend das Jahr 1470 als das Jahr der ersten Anwendung gusseiserner Kanonenkugeln an.
Man goss die eisernen Kugeln ursprünglich in Koquillen. In allgemeinere Anwendung bei dem stehenden Heere kamen sie zuerst in Frankreich unter Ludwig XI. und Karl VIII. Von Ludwig XI. wird berichtet, dass er das Geheimnis der neuen Kugeln einem deutschen Juden abgekauft habe. Karl VIII. wendete bei der Belagerung von Neapel 1495 gusseiserne Kugeln an, und Biringuccio, der vorzügliche
1) Comptes de l'artillerie 1473: Paye a Beauduin d'Alvain, bombardier de Monseigneur pr. 9099 livres de fer fondu a 36 sols les cent livres et d'estinees a la confection de 1313 boulets de grosses serpentines (Arch. du royaume V. Guil- laume, p. 145).
Feuerwaffen.
gewissen Geschützen schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch eiserne Klötze, daher wohl der Name „Klotzbüchsen“, Eisenbolzen er- setzt, die jedenfalls auch geschmiedet waren. In einer Liller Rechnung vom Jahre 1358 heiſst es: à Mikiel le Febvre, pour jc. de grans fiers de quarriaus de canons (item an Michel den Schmied für jc. groſse Eisen zu Geschossen für Kanonen).
Bleikugeln in Kupfer-, Bronze-, oder Steinformen gegossen, dienten seit Mitte des 14. Jahrhunderts für Geschütze von kleinerem Kaliber (Not- und Feldschlangen, Halbschlangen, Falkonetten, Serpentinen, Coulevrinen etc. etc., s. weiter unten, und der Handfeuerwaffen).
Mit den groſsen Geschützen: bombardes, veuglaires, courtauds, mortiers, bombardelles etc., deutsch: Bombarden, Schirm-, Bock-, Karren-, Kammer-Büchsen, Haufnitzen, Tarasbüchsen u. s. w., schoſs man bis ins 16. Jahrhundert mit Steinkugeln. Es ist schon zweifel- haft, ob die leichten Eisenkugeln, welche in den Stadtrechnungen von Gent erwähnt werden, von denen 1000 Stück nur 10½ Schilling kosteten, geschmiedet oder gegossen waren. Ersteres ist wohl wahr- scheinlicher. Wir wissen bestimmt, daſs in der Mitte des 15. Jahr- hunderts in den flandrischen Städten bereits gegossene eiserne Kugeln in allgemeinem Gebrauch waren. Ferner liegen urkundliche Beweise vor, daſs auch Karl der Kühne schon in den ersten Jahren seiner Re- gierung sich guſseiserner Kanonen bediente 1).
Der hohe Preis der guſseisernen Kugeln beschränkte ihre Anwen- dung. Wegen der Kostspieligkeit suchte man die Wirkung der Stein- kugeln auf andere Weise zu erhöhen; abgesehen von dem schon früher erwähnten Einbinden mit geschmiedeten Eisenbändern, höhlte man die Kugeln aus und goſs in die Höhlungen Blei. Diese mit Blei gefüllten Steinkugeln werden in dieser Periode (1470 bis 1490) öfter erwähnt. Die französischen Schriftsteller geben übereinstimmend das Jahr 1470 als das Jahr der ersten Anwendung guſseiserner Kanonenkugeln an.
Man goſs die eisernen Kugeln ursprünglich in Koquillen. In allgemeinere Anwendung bei dem stehenden Heere kamen sie zuerst in Frankreich unter Ludwig XI. und Karl VIII. Von Ludwig XI. wird berichtet, daſs er das Geheimnis der neuen Kugeln einem deutschen Juden abgekauft habe. Karl VIII. wendete bei der Belagerung von Neapel 1495 guſseiserne Kugeln an, und Biringuccio, der vorzügliche
1) Comptes de l’artillerie 1473: Payé à Beauduin d’Alvain, bombardier de Monseigneur pr. 9099 livres de fer fondu à 36 sols les cent livres et d’estinées à la confection de 1313 boulets de grosses serpentines (Arch. du royaume V. Guil- laume, p. 145).
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Feuerwaffen.
gewissen Geschützen schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch
eiserne Klötze, daher wohl der Name „Klotzbüchsen“, Eisenbolzen er-
setzt, die jedenfalls auch geschmiedet waren. In einer Liller Rechnung
vom Jahre 1358 heiſst es: à Mikiel le Febvre, pour jc. de grans fiers de
quarriaus de canons (item an Michel den Schmied für jc. groſse Eisen
zu Geschossen für Kanonen).
Bleikugeln in Kupfer-, Bronze-, oder Steinformen gegossen, dienten
seit Mitte des 14. Jahrhunderts für Geschütze von kleinerem Kaliber
(Not- und Feldschlangen, Halbschlangen, Falkonetten, Serpentinen,
Coulevrinen etc. etc., s. weiter unten, und der Handfeuerwaffen).
Mit den groſsen Geschützen: bombardes, veuglaires, courtauds,
mortiers, bombardelles etc., deutsch: Bombarden, Schirm-, Bock-,
Karren-, Kammer-Büchsen, Haufnitzen, Tarasbüchsen u. s. w., schoſs
man bis ins 16. Jahrhundert mit Steinkugeln. Es ist schon zweifel-
haft, ob die leichten Eisenkugeln, welche in den Stadtrechnungen
von Gent erwähnt werden, von denen 1000 Stück nur 10½ Schilling
kosteten, geschmiedet oder gegossen waren. Ersteres ist wohl wahr-
scheinlicher. Wir wissen bestimmt, daſs in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts in den flandrischen Städten bereits gegossene eiserne Kugeln
in allgemeinem Gebrauch waren. Ferner liegen urkundliche Beweise
vor, daſs auch Karl der Kühne schon in den ersten Jahren seiner Re-
gierung sich guſseiserner Kanonen bediente 1).
Der hohe Preis der guſseisernen Kugeln beschränkte ihre Anwen-
dung. Wegen der Kostspieligkeit suchte man die Wirkung der Stein-
kugeln auf andere Weise zu erhöhen; abgesehen von dem schon früher
erwähnten Einbinden mit geschmiedeten Eisenbändern, höhlte man die
Kugeln aus und goſs in die Höhlungen Blei. Diese mit Blei gefüllten
Steinkugeln werden in dieser Periode (1470 bis 1490) öfter erwähnt.
Die französischen Schriftsteller geben übereinstimmend das Jahr 1470
als das Jahr der ersten Anwendung guſseiserner Kanonenkugeln an.
Man goſs die eisernen Kugeln ursprünglich in Koquillen. In
allgemeinere Anwendung bei dem stehenden Heere kamen sie zuerst
in Frankreich unter Ludwig XI. und Karl VIII. Von Ludwig XI. wird
berichtet, daſs er das Geheimnis der neuen Kugeln einem deutschen
Juden abgekauft habe. Karl VIII. wendete bei der Belagerung von
Neapel 1495 guſseiserne Kugeln an, und Biringuccio, der vorzügliche
1) Comptes de l’artillerie 1473: Payé à Beauduin d’Alvain, bombardier de
Monseigneur pr. 9099 livres de fer fondu à 36 sols les cent livres et d’estinées à
la confection de 1313 boulets de grosses serpentines (Arch. du royaume V. Guil-
laume, p. 145).
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 910. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/932>, abgerufen am 24.11.2024.
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