sehr mangelhaft. Man suchte ihre Mängel zu verbessern und zwar in zwei Richtungen, einerseits, dass man die Büchse verlängerte, sie zum selbständigen Geschütz machte und so zu den gegossenen Metall- geschützen überging, anderseits, dass man das aus Holzdauben zusammengefügte Rohr, durch ein, aus eisernen Stäben zusammen- geschweisstes, durch Bänder verstärktes Rohr von viel grösserer Wider- standsfähigkeit ersetzte. Es entwickelte sich eine Konkurrenz dieser beiden Richtungen. Anfangs blieben die gefügten, schmiedeeisernen Geschütze siegreich, hauptsächlich deshalb, weil man sich in dem
[Abbildung]
Fig. 285.
Kaliber, in dem Gewicht und Umfang der Ge- schosse zu überbieten suchte, bald aber siegten die Bronzegeschütze durch ihre grössere Wirk- samkeit, Sicherheit, Tragkraft u. s. w. Guss- eiserne Geschütze erscheinen erst später. Die schmiedeeisernen Geschütze waren aus einem Bündel Stäbe heiss zusammengefügt. Bei kleineren Geschützen der Art waren die Stäbe wirklich vollkommen zusammengeschweisst, wäh- rend bei den grossen Geschützen die Schweissung öfter unvollkommen blieb und die Stäbe nur heiss zusammengetrieben waren. Dabei war die Büchse, in die die Pulverladung und das Geschoss eingelegt wurde, von dem Laufe getrennt, so dass diese Kanonen gewissermassen Hinterlader waren. Die Büchse war mittels eines Bügels mit dem Rohr verbunden.
In Frankreich erhielten sich die schweren schmiedeeisernen Kanonen bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, von dieser Zeit ab wurden sie gänzlich durch die gegossenen Bronzekanonen verdrängt. Grosse schmiedeeiserne Geschütze der oben beschriebenen Art finden sich in verschiedenen Waffensamm- lungen, so z. B. die kolossale "faule Magd" im Zeughaus zu Dresden. Ein anderes (Fig. 285) befindet sich im Arsenal in Basel. Das Boden- stück A ist aus einem Stück geschmiedet. Die daubenartig gefügten Eisenstäbe des Rohres sind 3 auf 6 cm und werden durch ge- schweisste Ringe von verschiedener Stärke zusammengehalten. Der stärkere Ring bei B ist noch mit einem dicken kupfernen Bande umzogen. Die Windung hat 33 cm Durchmesser. Das Zündloch ist auffallend eng. Zur Zeit des italienischen Feldzuges Karls VIII. waren
Feuerwaffen.
sehr mangelhaft. Man suchte ihre Mängel zu verbessern und zwar in zwei Richtungen, einerseits, daſs man die Büchse verlängerte, sie zum selbständigen Geschütz machte und so zu den gegossenen Metall- geschützen überging, anderseits, daſs man das aus Holzdauben zusammengefügte Rohr, durch ein, aus eisernen Stäben zusammen- geschweiſstes, durch Bänder verstärktes Rohr von viel gröſserer Wider- standsfähigkeit ersetzte. Es entwickelte sich eine Konkurrenz dieser beiden Richtungen. Anfangs blieben die gefügten, schmiedeeisernen Geschütze siegreich, hauptsächlich deshalb, weil man sich in dem
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Fig. 285.
Kaliber, in dem Gewicht und Umfang der Ge- schosse zu überbieten suchte, bald aber siegten die Bronzegeschütze durch ihre gröſsere Wirk- samkeit, Sicherheit, Tragkraft u. s. w. Guſs- eiserne Geschütze erscheinen erst später. Die schmiedeeisernen Geschütze waren aus einem Bündel Stäbe heiſs zusammengefügt. Bei kleineren Geschützen der Art waren die Stäbe wirklich vollkommen zusammengeschweiſst, wäh- rend bei den groſsen Geschützen die Schweiſsung öfter unvollkommen blieb und die Stäbe nur heiſs zusammengetrieben waren. Dabei war die Büchse, in die die Pulverladung und das Geschoſs eingelegt wurde, von dem Laufe getrennt, so daſs diese Kanonen gewissermaſsen Hinterlader waren. Die Büchse war mittels eines Bügels mit dem Rohr verbunden.
In Frankreich erhielten sich die schweren schmiedeeisernen Kanonen bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, von dieser Zeit ab wurden sie gänzlich durch die gegossenen Bronzekanonen verdrängt. Groſse schmiedeeiserne Geschütze der oben beschriebenen Art finden sich in verschiedenen Waffensamm- lungen, so z. B. die kolossale „faule Magd“ im Zeughaus zu Dresden. Ein anderes (Fig. 285) befindet sich im Arsenal in Basel. Das Boden- stück A ist aus einem Stück geschmiedet. Die daubenartig gefügten Eisenstäbe des Rohres sind 3 auf 6 cm und werden durch ge- schweiſste Ringe von verschiedener Stärke zusammengehalten. Der stärkere Ring bei B ist noch mit einem dicken kupfernen Bande umzogen. Die Windung hat 33 cm Durchmesser. Das Zündloch ist auffallend eng. Zur Zeit des italienischen Feldzuges Karls VIII. waren
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Feuerwaffen.
sehr mangelhaft. Man suchte ihre Mängel zu verbessern und zwar in
zwei Richtungen, einerseits, daſs man die Büchse verlängerte, sie zum
selbständigen Geschütz machte und so zu den gegossenen Metall-
geschützen überging, anderseits, daſs man das aus Holzdauben
zusammengefügte Rohr, durch ein, aus eisernen Stäben zusammen-
geschweiſstes, durch Bänder verstärktes Rohr von viel gröſserer Wider-
standsfähigkeit ersetzte. Es entwickelte sich eine Konkurrenz dieser
beiden Richtungen. Anfangs blieben die gefügten, schmiedeeisernen
Geschütze siegreich, hauptsächlich deshalb, weil man sich in dem
[Abbildung Fig. 285.]
Kaliber, in dem Gewicht und Umfang der Ge-
schosse zu überbieten suchte, bald aber siegten
die Bronzegeschütze durch ihre gröſsere Wirk-
samkeit, Sicherheit, Tragkraft u. s. w. Guſs-
eiserne Geschütze erscheinen erst später. Die
schmiedeeisernen Geschütze waren aus
einem Bündel Stäbe heiſs zusammengefügt. Bei
kleineren Geschützen der Art waren die Stäbe
wirklich vollkommen zusammengeschweiſst, wäh-
rend bei den groſsen Geschützen die Schweiſsung
öfter unvollkommen blieb und die Stäbe nur
heiſs zusammengetrieben waren. Dabei war die
Büchse, in die die Pulverladung und das Geschoſs
eingelegt wurde, von dem Laufe getrennt, so
daſs diese Kanonen gewissermaſsen Hinterlader
waren. Die Büchse war mittels eines Bügels mit
dem Rohr verbunden.
In Frankreich erhielten sich die schweren
schmiedeeisernen Kanonen bis in die Mitte des
15. Jahrhunderts, von dieser Zeit ab wurden
sie gänzlich durch die gegossenen Bronzekanonen
verdrängt. Groſse schmiedeeiserne Geschütze der
oben beschriebenen Art finden sich in verschiedenen Waffensamm-
lungen, so z. B. die kolossale „faule Magd“ im Zeughaus zu Dresden.
Ein anderes (Fig. 285) befindet sich im Arsenal in Basel. Das Boden-
stück A ist aus einem Stück geschmiedet. Die daubenartig gefügten
Eisenstäbe des Rohres sind 3 auf 6 cm und werden durch ge-
schweiſste Ringe von verschiedener Stärke zusammengehalten. Der
stärkere Ring bei B ist noch mit einem dicken kupfernen Bande
umzogen. Die Windung hat 33 cm Durchmesser. Das Zündloch ist
auffallend eng. Zur Zeit des italienischen Feldzuges Karls VIII. waren
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/923>, abgerufen am 24.11.2024.
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