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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Ägypten.
Ägypter. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass sie die Erfinder des
Glases waren. Das alte Märchen des Plinius, dass phönizische Handels-
leute es zufällig entdeckt hätten, indem sie sich einen Feuerherd aus Soda-
oder Salpeterstücken auf einer Unterlage von Sand hergestellt und da-
nach die ganze Masse durch die Hitze zu hellem Glase geschmolzen sei,
trägt zu deutlich den Stempel der Unwahrheit. In den Grabkammern von
Gizeh und Saquara, also zur Zeit der vierten Dynastie, lange ehe die
Phönizier in der Geschichte erwähnt werden, findet sich bereits das
Glasblasen abgebildet1), ebenso in den Gräbern von Beni-Hassan. Es
ist sehr wahrscheinlich, dass die Ägypter durch das Ausschmelzen des
durch Waschen angereicherten Goldsandes auf die Darstellung des
Glases verfielen. Dieses Ausschmelzen geschah unter Zusatz von natür-
licher Soda, die sich in Ägypten reichlich findet.

Dabei bildeten sich Schlacken, die mehr oder weniger gefärbte
Gläser waren. Auf diese Weise lernten sie auch zugleich schon die
Buntgläser kennen, durch die Ägypten berühmt war und mit denen ein
grosser Handel getrieben wurde. In späterer Zeit blühte die Glas-
fabrikation hauptsächlich in der Gegend von Alexandria, wo sich ein
vorzüglich geeigneter, reiner Quarzsand fand. Das weisse Glas der
Ägypter kommt in seiner chemischen Zusammensetzung dem englischen
Kronglas am nächsten. Die Glasfabrikation, welche die Phönizier
erst später von den Erfindern erlernten, erreichte in Ägypten eine stau-
nenswerte Ausbildung. So verstanden sie z. B. bereits die Kunst des
Entfärbens des Glases mittels Braunstein. In der Darstellung künst-
licher Edelsteine (Strass) und buntfarbiger Perlen waren sie unerreicht.
In Glasemaillen leisteten sie unübertreffliches, wie z. B. in ihren bunten
Emaillen auf Metall, während sie andrerseits das Einschmelzen feiner
Goldfäden in Glas vorzüglich ausführten. Ihre enkaustischen Arbeiten,
ihre Glasmosaiken sind höchst kunstvoll. Sie verstanden es, ein sehr ge-
schätztes Glasporzellan (Reaumursches Glas) zum Gebrauch zu machen.
Im Schneiden und Schleifen des Glases waren sie äusserst gewandt;
kurz Winkelmann übertreibt in Beziehung auf die Ägypter kaum,
wenn er behauptet, jenes alte Kulturvolk hätte eine höhere Voll-
kommenheit in der Glasfabrikation erreicht als wir.

Der Handel mit Glaswaren nach Griechenland und Etrurien war
sehr bedeutend. In späterer Zeit bestand ein Hauptteil des Tributes,
den Ägypten an Rom zu entrichten hatte, aus Glas, Glasporzellan und
Alabasterwaren aus den Fabriken von Memphis und Alexandria.


1) Lepsius a. a. O., Abt. II., Blatt 13.

Ägypten.
Ägypter. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daſs sie die Erfinder des
Glases waren. Das alte Märchen des Plinius, daſs phönizische Handels-
leute es zufällig entdeckt hätten, indem sie sich einen Feuerherd aus Soda-
oder Salpeterstücken auf einer Unterlage von Sand hergestellt und da-
nach die ganze Masse durch die Hitze zu hellem Glase geschmolzen sei,
trägt zu deutlich den Stempel der Unwahrheit. In den Grabkammern von
Gizeh und Saquara, also zur Zeit der vierten Dynastie, lange ehe die
Phönizier in der Geschichte erwähnt werden, findet sich bereits das
Glasblasen abgebildet1), ebenso in den Gräbern von Beni-Hassan. Es
ist sehr wahrscheinlich, daſs die Ägypter durch das Ausschmelzen des
durch Waschen angereicherten Goldsandes auf die Darstellung des
Glases verfielen. Dieses Ausschmelzen geschah unter Zusatz von natür-
licher Soda, die sich in Ägypten reichlich findet.

Dabei bildeten sich Schlacken, die mehr oder weniger gefärbte
Gläser waren. Auf diese Weise lernten sie auch zugleich schon die
Buntgläser kennen, durch die Ägypten berühmt war und mit denen ein
groſser Handel getrieben wurde. In späterer Zeit blühte die Glas-
fabrikation hauptsächlich in der Gegend von Alexandria, wo sich ein
vorzüglich geeigneter, reiner Quarzsand fand. Das weiſse Glas der
Ägypter kommt in seiner chemischen Zusammensetzung dem englischen
Kronglas am nächsten. Die Glasfabrikation, welche die Phönizier
erst später von den Erfindern erlernten, erreichte in Ägypten eine stau-
nenswerte Ausbildung. So verstanden sie z. B. bereits die Kunst des
Entfärbens des Glases mittels Braunstein. In der Darstellung künst-
licher Edelsteine (Straſs) und buntfarbiger Perlen waren sie unerreicht.
In Glasemaillen leisteten sie unübertreffliches, wie z. B. in ihren bunten
Emaillen auf Metall, während sie andrerseits das Einschmelzen feiner
Goldfäden in Glas vorzüglich ausführten. Ihre enkaustischen Arbeiten,
ihre Glasmosaiken sind höchst kunstvoll. Sie verstanden es, ein sehr ge-
schätztes Glasporzellan (Reaumursches Glas) zum Gebrauch zu machen.
Im Schneiden und Schleifen des Glases waren sie äuſserst gewandt;
kurz Winkelmann übertreibt in Beziehung auf die Ägypter kaum,
wenn er behauptet, jenes alte Kulturvolk hätte eine höhere Voll-
kommenheit in der Glasfabrikation erreicht als wir.

Der Handel mit Glaswaren nach Griechenland und Etrurien war
sehr bedeutend. In späterer Zeit bestand ein Hauptteil des Tributes,
den Ägypten an Rom zu entrichten hatte, aus Glas, Glasporzellan und
Alabasterwaren aus den Fabriken von Memphis und Alexandria.


1) Lepsius a. a. O., Abt. II., Blatt 13.
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[70/0092] Ägypten. Ägypter. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daſs sie die Erfinder des Glases waren. Das alte Märchen des Plinius, daſs phönizische Handels- leute es zufällig entdeckt hätten, indem sie sich einen Feuerherd aus Soda- oder Salpeterstücken auf einer Unterlage von Sand hergestellt und da- nach die ganze Masse durch die Hitze zu hellem Glase geschmolzen sei, trägt zu deutlich den Stempel der Unwahrheit. In den Grabkammern von Gizeh und Saquara, also zur Zeit der vierten Dynastie, lange ehe die Phönizier in der Geschichte erwähnt werden, findet sich bereits das Glasblasen abgebildet 1), ebenso in den Gräbern von Beni-Hassan. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs die Ägypter durch das Ausschmelzen des durch Waschen angereicherten Goldsandes auf die Darstellung des Glases verfielen. Dieses Ausschmelzen geschah unter Zusatz von natür- licher Soda, die sich in Ägypten reichlich findet. Dabei bildeten sich Schlacken, die mehr oder weniger gefärbte Gläser waren. Auf diese Weise lernten sie auch zugleich schon die Buntgläser kennen, durch die Ägypten berühmt war und mit denen ein groſser Handel getrieben wurde. In späterer Zeit blühte die Glas- fabrikation hauptsächlich in der Gegend von Alexandria, wo sich ein vorzüglich geeigneter, reiner Quarzsand fand. Das weiſse Glas der Ägypter kommt in seiner chemischen Zusammensetzung dem englischen Kronglas am nächsten. Die Glasfabrikation, welche die Phönizier erst später von den Erfindern erlernten, erreichte in Ägypten eine stau- nenswerte Ausbildung. So verstanden sie z. B. bereits die Kunst des Entfärbens des Glases mittels Braunstein. In der Darstellung künst- licher Edelsteine (Straſs) und buntfarbiger Perlen waren sie unerreicht. In Glasemaillen leisteten sie unübertreffliches, wie z. B. in ihren bunten Emaillen auf Metall, während sie andrerseits das Einschmelzen feiner Goldfäden in Glas vorzüglich ausführten. Ihre enkaustischen Arbeiten, ihre Glasmosaiken sind höchst kunstvoll. Sie verstanden es, ein sehr ge- schätztes Glasporzellan (Reaumursches Glas) zum Gebrauch zu machen. Im Schneiden und Schleifen des Glases waren sie äuſserst gewandt; kurz Winkelmann übertreibt in Beziehung auf die Ägypter kaum, wenn er behauptet, jenes alte Kulturvolk hätte eine höhere Voll- kommenheit in der Glasfabrikation erreicht als wir. Der Handel mit Glaswaren nach Griechenland und Etrurien war sehr bedeutend. In späterer Zeit bestand ein Hauptteil des Tributes, den Ägypten an Rom zu entrichten hatte, aus Glas, Glasporzellan und Alabasterwaren aus den Fabriken von Memphis und Alexandria. 1) Lepsius a. a. O., Abt. II., Blatt 13.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/92>, abgerufen am 23.11.2024.